Demonstranten fordern Babiš zum Rücktritt auf
Am vergangenen Wochenende wurde in Tschechien an den Beginn der Samtenen Revolution vor 30 Jahren erinnert. Es wurde nicht nur gefeiert, sondern auch demonstriert. Über 250.000 Menschen aus ganz Tschechien haben am Samstagnachmittag auf der Letná-Anhöhe in Prag gegen Premier Andrej Babiš (Ano-Partei) protestiert.
„Ich schäme mich für den Staatspräsidenten. Ich komme aus Hodonín, der Geburtsstadt des ersten tschechoslowakischen Staatspräsidenten Masaryk. Es ist unglaublich, was für Leute heutzutage den Staat leiten. Ich bin Rentner, aber mich kann Babiš nicht kaufen.“
Die Demonstration hatte – genauso wie die Großdemonstration im Juni – der Verein „Eine Million Augenblicke für die Demokratie“ organisiert. Der Vereinsbegründer und Vorsitzender Mikuláš Minář wandte sich mit einem Aufruf an den Premier.
„Andrej Babiš, wir fordern Sie auf, Schlussfolgerungen aus Ihrem großen Interessenskonflikt zu ziehen, sich von der Agrofert-Holding einschließlich der Medien zu trennen und Marie Benešová vom Posten der Justizministerin abzuberufen. Oder treten Sie vom Premierministerposten zurück.“Babiš überführte zwar den Großkonzern Agrofert auf zwei Treuhandfonds, den Kritikern zufolge beeinflusst der Milliardär aber weiterhin die Holding. Wenn der Premier der Forderung der Organisatoren nicht nachkommt, wollen wir Anfang Januar wieder einen Protest veranstalten. Am Samstag haben sie bereits einen Aufruf an die Öffentlichkeit formuliert. Mikuláš Minář:
„Wir wollen Politiker haben, die demokratische Regeln und Institutionen respektieren, nicht lügen, nicht stehlen, die Öffentlichkeit nicht einschüchtern und nicht im Interessenskonflikt sind. Wir wollen Bürger haben, denen es auch um andere Menschen geht, die sich für den Stand der Gesellschaft interessieren und auch ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Wir wollen in einem Land leben, in dem Freiheit und Gerechtigkeit gedeihen, das eine gesunde Landschaft hat und in dem jeder ohne Angst, würdevoll und gern leben kann.“Während der Demonstration traten auch mehrere Persönlichkeiten auf, die als aktive Bürger bereits einiges erreicht haben. Unter ihnen war auch die Frau, die gegen Premier Babiš geklagt hatte, als er verlauten ließ, dass die Demonstranten letztes Jahr bezahlt worden seien. Das Gericht gab der Demonstrantin Recht.
Unter den Rednern war auch eine bekannte Dissidentin, die 85-jährige Bürgerrechtlerin Dana Němcová.„Ich bin mir nicht sicher, ob wir mit der Freiheit, die uns viele Gelegenheiten geboten hat, immer gut umgehen. Wir dürfen uns nicht irgendwelche demagogischen Parolen aufzwingen lassen, dass der Staat wie eine Firma geleitet werden könne. Wir dürfen keine Versuche zulassen, die Zensur wieder einzuführen oder die Medienfreiheit einzuschraenken. Wir müssen lernen, mit der Freiheit umzugehen. Und auch wenn es unangenehm wird, unsere Meinung sagen. Ich habe damit viele Erfahrungen gemacht.“
Die Veranstalter forderten zudem die Oppositionsparteien zur Zusammenarbeit auf. Zur Demonstration sind zahlreiche Bauern auf Traktoren aus ganz Tschechien gekommen. Sie erinnerten daran, dass die Kommunisten ihren Vorfahren das Eigentum beschlagnahmten und viele ins Gefängnis schickten. Sie kritisierten Premier Babiš scharf – vor allem aus dem Grund, weil ihn die Kommunisten an der Macht halten würden. Auf dem Podium trat auch der Liedermacher Jaroslav Hutka auf, der vor 30 Jahren aus dem Exil zurückgekehrt ist. Mikuláš Minář sagte kurz nach dem Schluss der Demonstration, dass sie seine Erwartungen übertroffen habe.
„Ich war sehr angenehm überrascht von der großen Teilnahme, die mit den Zahlen vom Juni zu vergleichen ist. (Damals waren es mehr als 280.000 Demonstranten, Anm.d.Red.). Das freut uns sehr, damit haben wir nicht gerechnet. Es gab dort viele sehr starke Momente.“
Den neuen Aufruf an die Öffentlichkeit haben bis Montagmorgen 111.000 Menschen unterzeichnet.