Vaclav Havel neuer Chefredakteur der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny" - für einen Tag
Die Kindesvertauschung von Trebic - vergangene Woche das Thema Nummer Eins auf allen Titelseiten tschechischer Medien, und zwar tagelang. Christian Rühmkorf hat für die Rubrik "Im Spiegel der Medien" allerdings eine andere Vertauschung aufgespürt.
Fast alle tschechischen Tageszeitungen haben in der vergangenen Woche mit dem spektakulären Fall der Kindesvertauschung in einem südmährischen Krankenhaus aufgemacht. In der Landschaft der Printmedien gab es aber eine Tageszeitung, die zwar auch durch eine Vertauschung von sich Reden gemacht hat - vertauscht wurden allerdings nicht Kinder, sondern Chefredakteure. Und das nicht für neun Monate - wie im Falle der Kinder - sondern für einen Tag. Petr Simunek, Fernsehmoderator einer Politsendung bei TV Prima, hauptberuflich aber Chefredakteur der Wirtschaftszeitung "Hospodarske noviny" hat seinen Chefsessel für einen Tag frei gemacht. Draufgesetzt hat sich der ehemalige Präsident Vaclav Havel. Ob für Petr Simunek damit ein freier Tag verbunden war, unter anderem darüber habe ich mit ihm gesprochen.
Die "Hospodarske noviny" waren eigentlich nicht die ersten, die sich ausgedacht haben, den Chefredakteur für einen Tag auszutauschen. Was war für Sie der wichtigste Impuls?
"Wir waren tatsächlich nicht die ersten, das ist wahr. Auf dem tschechischen Markt hat die kostenlose Zeitung ´24 hodin´ auch so etwas Ähnliches gemacht. Aber das war ein pures Marketing. Sie hatten den Prager Oberbürgermeister, die Sängerin Lucie Bila und solche Persönlichkeiten. Aber das unterscheidet sich sehr von dem, was wir gemacht haben. Vaclav Havel hat die ganze Zeitung beeinflusst. Er hat die Autoren ausgesucht, er hat die Hauptthemen ausgesucht - er war ein wirklicher Chefredakteur und nicht ein Gast-Chefredakteur für eine Stunde oder so."
Sie haben auf der Titelseite geschrieben, dass sie mit Vaclav Havel als Cheferdakteur eine andere Sicht auf die Gegenwart geben wollten. Was ist an dieser Ausgabe auf den ersten Blick und auf den zweiten Blick anders?
"Wir hatten auf der ersten Seite keine Fotografie, sondern ein Gemälde von Ales Lamr, dem Lieblingsmaler von Vaclav Havel. Und es ist ja nicht üblich, dass eine Business-Zeitung ein Gemälde auf der Titelseite hat. Wir hatten sogar Gedichte aufgenommen, zum ersten Mal in der Geschichte der Zeitung. Aber was die Themen betrifft, war das - ich würde sagen - ein Durchbruch. Und zwar mit dem Thema Russland. Auf der Titelseite hatten wir das Thema ´Russland und die ehemaligen Ostblockstaaten´ und dazu ein Gespräch mit Garri Kasparow und Grigori Jawlinski. Diese beiden Gespräche waren direkt durch Vaclav Havel geführt worden, dazu noch ein Essay von Ljudmila Alexejewa. Das waren Texte, die man sonst kaum in tschechischen Zeitungen finden kann. Sie waren so kritisch gegenüber Russland, dass wirklich nur wenige Zeitungen in Europa es sich leisten können, solche Artikel zu veröffentlichen."
Wie war ganz konkret die Zusammenarbeit mit Vaclav Havel als Chefredakteur? Sie sagten, er war eben nicht nur Chefredakteur für eine Stunde, sondern er war es tatsächlich. Wie sah das aus?"Wir hatten diese Ausgabe mindestens 14 Tage vorbereitet. Wir hatten von Vaclav Havel eine Liste mit Aufgaben bekommen. Es waren über zehn Aufgaben, die wir ausführen sollten. Wir mussten die Autoren ansprechen, wir mussten auch die Themen bearbeiten. Und am letzten Tag, am dritten Oktober, hatten wir dann nur noch das eine Ziel vor Augen. Vaclav Havel war dann für zwei, drei Stunden hier und hat jede Seite gestempelt, so dass die Seiten in die Druckerei gehen konnten. Aber wie gesagt, wir haben mit der Vorbereitung der Zeitung insgesamt 14 Tage zuvor schon begonnen, auf der Grundlage der Aufgaben, die wir von ihm bekommen hatten."
Wie waren die Reaktionen auf diese außerordentliche Ausgabe der "Hospodarske noviny"?
"Die Leser waren nicht begeistert, sondern vielmehr überrascht. Sie fanden es gut, dass wir so etwas gemacht haben, also die Reaktionen waren auch für mich überraschend gut. Wir haben dabei den Verkauf auf dem freien Markt um 100 Prozent gesteigert. Aber dazu muss ich sagen, dass wir eine Abonnement-Zeitung sind, 80 Prozent der Leser sind also Abonnenten. Auf dem freien Markt verkaufen wir auf jeden Tag an die 10.000 Exemplare. An diesem Tag waren es 20.000 Exemplare. Die Konkurrenz hat uns aber kritisiert, dass es nicht gut ist, den Chefredakteur auszutauschen. Aber ich meine, wenn die Konkurrenz dieselbe Idee gehabt hätte, wäre sie froh gewesen."War das für Sie dann ein freier Tag?
"Leider nicht! (lacht) Ich war der Assistent des Chefredakteurs. Ich musste alle Aufgaben des Chefredakteurs ausführen. Aber das war ein wirklich feierlicher Tag für mich, eine ganz neue Erfahrung. Und ich muss sagen, ich war auch überrascht, wie Vaclav Havel sich bei der Arbeit verhalten hat, wie engagiert er war und wie lustig es zuging. Die größte Überraschung für die gesamte Redaktion war, wie lustig Vaclav Havel war."
Warum eigentlich ausgerechnet Vaclav Havel?
"Wenn wir nicht Lucie Bila oder den Direktor des Zoos als Chefredakteur nehmen wollen, dann gibt es nicht viele Persönlichkeiten, die das machen könnten. Für mich sind es zwei Persönlichkeiten, die in den letzten 15 Jahren die Bevölkerung am meisten beeinflusst haben und das sind Vaclav Havel und Vaclav Klaus."Wer wird also der nächste Chefredakteur für einen Tag?
"Ich hoffe, es wird Vaclav Klaus sein. Wir sind jetzt im Gespräch, um einen passenden Termin zu finden."
Was würden Sie da an Unterschieden zu der Ausgabe mit Vaclav Havel erwarten?
"Ich weiß es nicht. Das wird auch eine Überraschung sein. So wie ich ihn kenne, will er sicher besser sein als Vaclav Havel. Und er wird sich bemühen, dass das Echo in der Bevölkerung noch größer sein wird, als bei Vaclav Havel. Das wird ein Wettbewerb."
Dann dürfen wir gespannt sein. Wissen Sie schon, wann das sein wird?
"Es könnte in einem Monat sein, aber es ist auch möglich, dass es erst nach der Präsidentschaftswahl stattfinden wird."