Vaclav Klaus in Berlin: Arbeitsbesuch im Zeichen bilateraler und internationaler Politik

Vaclav Klaus und Gerhard Schröder (Foto: CTK)

Der tschechische Präsident Vaclav Klaus hat am Donnerstag einen eintägigen Arbeitsbesuch in Berlin und damit die erste Deutschland-Visite seit seiner Wahl zum Staatsoberhaupt absolviert. Die Hauptthemen waren freilich die bilateralen Beziehungen im Lichte des bevorstehenden EU-Beitritts und natürlich auch die Situation im Irak. Gerald Schubert hat den Präsidenten nach Berlin begleitet. Einzelheiten erfahren Sie in der nun folgenden Ausgabe unseres Magazins "Schauplatz":

Vaclav Klaus und Gerhard Schröder  (Foto: CTK)
Die erste Deutschland-Visite von Vaclav Klaus in seiner Eigenschaft als tschechischer Präsident war in eine ganze Serie Besuchen eingebunden, die Klaus nacheinander in alle vier Nachbarländer führt. Den Anfang machte, der Tradition entsprechend, die Slowakei, es folgte Polen, nun eben Deutschland, und am 23. April geht es noch nach Österreich. Und insofern war der Berlin-Besuch des Präsidenten von Anfang an eher eine Formsache und von keinen nennenswerten diplomatischen Verwirrungen getrübt. Dennoch: Angesichts der - auch in der jüngeren Vergangenheit - nicht immer spannungsfreien Beziehungen zwischen beiden Ländern, angesichts des bevorstehenden EU-Beitritts Tschechiens und auch angesichts des die internationale Politik derzeit klar dominierenden Irak-Krieges konnte man ganz und gar nicht von einem Treffen ohne inhaltliche Belange sprechen.


Vaclav Klaus und Johannes Rau  (Foto: CTK)
Der deutsche Bundespräsident Johannes Rau, mit dem Klaus nach einer vorherigen kurzen Unterredung mit Bundesaußenminister Joschka Fischer im Schloss Bellevue zusammenkam, sagte zu dem Treffen:

"Es gibt Gelegenheit zu politischen Gesprächen zu allen gemeinsam bewegenden Fragen. Heute morgen mit dem Bundesaußenminister, jetzt beim Mittagessen hier, dann mit dem Bundeskanzler und danach noch ein Gespräch mit Altkanzler Kohl. Wir haben über alles gesprochen, was uns gemeinsam bewegt. Und uns bewegt vor allem die Zukunft der deutsch-tschechischen nachbarschaftlichen Beziehungen, die Frage wie wir junge Menschen zueinander führen können, wie wir Städtepartnerschaften fördern können, wie wir den Austausch von Gedanken und Überlegungen intensivieren können. Vor allem in einer Zeit, in der wir mit Tschechien zum ersten Mal in einer Partnerschaft, nämlich in der NATO sind. Wir sind zum ersten Mal in der Geschichte Bündnispartner. Und in einer Zeit, in der Tschechien sich darauf vorbereitet, in Kürze Mitglied der Europäischen Union zu werden. Das ist auch im Europäischen Parlament so beschlossen worden. Ich bin darüber sehr froh und danke Präsident Klaus noch einmal dafür, dass er heute nach Berlin gekommen ist."

Vaclav Klaus betonte seinerseits ebenfalls die freundliche Atmosphäre des Besuchs:

"Wir wollen beide demonstrieren, dass für uns die tschechisch-deutschen Beziehungen sehr wichtig sind und wollen das mit diesem Besuch bestätigen. Der Bundespräsident hat bereits über die Zukunft unserer Beziehungen gesprochen. Das ist für uns das wichtigste Thema. Wir kennen die nicht konfliktfreie Vergangenheit, aber wir sehen in die Zukunft und sind beide bereit, zu ihr etwas positives beizutragen. Wir haben die Fragen des EU-Beitritts und des Referendums in der Tschechischen Republik diskutiert und verschiedene Details der bilateralen Beziehungen, wie etwa künftige Besuche in beiden Ländern. Und ich muss nochmals sagen: Es war ein sehr freundliches Treffen."

Eines der Themen, an dem dieser Tage wohl kaum ein Politikergespräch vorbeikommt, ist natürlich der Irak-Krieg und die mit ihm einhergehenden internationalen Konflikte. Johannes Rau:

"Wir haben in dem persönlichen Gespräch natürlich unsere Meinungen zum Irak-Krieg und zum gegenwärtigen Stand dieses Krieges ausgetauscht. Aber wir haben keine vertiefte Diskussion über diese Thema geführt. Denn im Augenblick geht es darum, ob wir humanitäre Hilfe leisten, und noch nicht um eine politische Bewertung dieses schlimmen Konfliktes."

Welchen Stellenwert haben für Vaclav Klaus nun die Schatten der gemeinsamen Vergangenheit in der Herausbildung künftiger bilateraler Beziehungen in einem gemeinsamen Europa?

"Die Vergangenheit ist da, und die Fragen der Vergangenheit sind da. Aber wir wissen, dass wir diese Fragen diskutieren können und müssen. Und auch beurteilen und manchmal kritisieren. Aber diese Fragen können wir nicht heute lösen. Die Vergangenheit kann man überhaupt nicht 'lösen'."

Auf die Abstimmung im EU-Parlament angesprochen, bei der am Vortag ja einige deutsche Abgeordnete gegen einen Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union gestimmt hatten, meinte Klaus:

"Ich akzeptiere die Demokratie in Europa. Die Abgeordneten sind dort als freie Menschen, sie haben das Recht zu stimmen, wie sie wollen. Sie haben das demonstriert, und das muss ich akzeptieren."

Was den bevorstehenden EU-Beitritt der Tschechischen Republik betrifft, so hatte sich Klaus zuvor in seiner Tischrede bei einem gemeinsamen Mittagessen mit seinem deutschen Amtskollegen eindeutig positiv geäußert. Als Land im Herzen Europas mit einer jahrhundertealten europäischen Geschichte bestehe für Tschechien dazu überhaupt keine Alternative. Doch wäre es nicht Klaus, würde er sich nicht auch zu seinen Ängsten vor zu weitreichender Integration im Sinne eines zentralistischen europäischen Superstaats geäußert haben. In den Problemen bei der Orientierung zwischen einem Brüsseler Einheitsstaat und einem Europa der Nationen und der nationalen Identitäten sehe er, Klaus, das wahre Dilemma der EU. Doch im Unterschied zu früheren Äußerungen von Klaus, die zwar in dieselbe Richtung gingen, aber weitaus radikaler formuliert gewesen waren, blieb es diesmal bei der politischen Feinrhetorik ohne diplomatische Rutschgefahr.


Der nächste Programmpunkt war dann ein Treffen des tschechischen Präsidenten mit dem deutschen Kanzler Gerhard Schröder. Im Anschluss an das Treffen lobte Schröder ebenfalls die hervorragenden Beziehungen beider Länder. Doch verschwieg er auch nicht die Probleme, die es noch im Vorjahr gegeben hatte, als er, Schröder, aufgrund diplomatischer Verstimmungen mit dem damaligen tschechischen Premier Zeman, sogar einen Prag-Besuch abgesagt hatte:

"Die eine oder andere Irritation, die es gegeben hat, und das ist in Wahlkampfzeiten gelegentlich so, werden wir in wirklich freundschaftlichem Geist überwinden. Das ist sowohl für den Herrn Präsidenten als auch für mich keine Frage. Und wir haben mit großem Respekt zur Kenntnis genommen, was der Herr Präsident Klaus am 15. März zu den Fragen des bilateralen politischen Verhältnisses gesagt hat."

Dieser hatte damals betont, die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg sei, ebenso wie zuvor die deutsche Besetzung der damaligen Tschechoslowakei, aus heutiger Sicht unannehmbar.

Zum Irak-Krieg habe laut Schröder zwischen beiden Politikern ähnliche Übereinstimmung geherrscht, wie zuvor zwischen Klaus und Rau:

"Bei der Frage der internationalen Beziehungen stand, wie das nicht anders sein kann in diesen Tagen, natürlich die Situation im Irak im Vordergrund. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass jeder Tag, an dem der Krieg früher beendet werden kann, ein guter Tag ist und hoffen auf ein schnelles Ende dieses Krieges. Wir sind auch der Auffassung, dass es jetzt vordringlich darauf ankommt, eine humanitäre Katastrophe im Irak zu verhindern, und dass alles an Hilfeleistungen mobilisiert werden muss, um humanitär zu helfen. Da müssen die Vereinten Nationen natürlich die zentrale Rolle spielen, und darin besteht auch Übereinstimmung."


Lassen wir abschließend noch einmal Vaclav Klaus zu Wort kommen, der sich trotz aller seiner altbekannten Vorbehalte gegen gewisse Formen der europäischen Integration auch gegenüber Schröder als EU-Optimist zeigte:

"Ich habe dem Herrn Bundeskanzler die Situation in der Tschechischen Republik erklärt. In zwei Monaten haben wir ein Referendum, und ich bin ganz sicher, dass die Einwohner der Tschechischen Republik in diesem Referendum ja sagen werden. Wir verstehen, wir fühlen, wir wissen, dass es für uns keine Alternative zum EU-Beitritt bzw. zur EU-Mitgliedschaft gibt."

Den Abschluss der Visite bildeten dann noch ein kurzer Besuch beim deutschen Ex-Kanzler Helmut Kohl und ein Spaziergang durch das Zentrum Berlins. Dort kaufte Klaus eine Krawatte. Um die deutsche Wirtschaft ein wenig anzukurbeln, wir er später im Scherz meinte. Aber immerhin: Klaus hatte beim Mittageseen mit Rau auch betont, dass die EU doch nicht nur ein Verein für den freien Warenverkehr sei.