Auszug aus der Prinzregentenstraße: Tschechisches Zentrum in München nun ohne Räume und Direktor
In dieser Woche tagen die Leiter aller 28 Tschechischen Zentren weltweit bei ihrer Jahreskonferenz in Prag. Nicht dabei ist die bisherige Direktorin des Standortes München. Denn die Filiale in der bayerischen Landeshauptstadt wird seit neuestem von Berlin aus geleitet. Zudem musste das Zentrum seine eigenen Räumlichkeiten in der Prinzregentenstraße aufgeben. Was bedeutet das für die tschechische Kulturdiplomatie in München? Und wie ist es generell um die Zukunft der Tschechischen Zentren im deutschsprachigen Raum bestellt?
In den deutschsprachigen Ländern gibt es derzeit drei Tschechische Zentren: eins in Berlin, eins in Wien und eins in München. Keine der drei Filialen hat aber aktuell ihre eigenen Veranstaltungsräumlichkeiten. Das Tschechische Zentrum in Berlin etwa ist im Januar vorübergehend in die Filiale des Goethe-Instituts umgezogen. Grund dafür: Das Botschaftsgebäude, in dem das Zentrum eigentlich seinen Sitz hat, wird demnächst für mehrere Jahre umfassend saniert. In Wien wiederum, wo der ehemalige Generaldirektor Ondřej Černý Ende vergangenen Jahres die Leitung übernommen hat, erfolgte der Auszug zu Ende Februar – und er ist nicht vorübergehend, sondern definitiv. Die prächtigen Räumlichkeiten in der Kreuzherrengasse, in denen das Zentrum 30 Jahre lang ansässig war, sind seitdem Geschichte. Die Veranstaltungen finden stattdessen bei Partnern statt, das Bürogeschäft wurde in ein Gebäude am Karlsplatz ausgelagert.
Größere Veränderungen gab es nun auch in München. Ähnlich wie an den anderen Standorten hat die dortige Filiale seit Mai keine eigenen Räumlichkeiten mehr. Zudem wurde der Leiterposten gestrichen; die Führung der Kulturinstitution wird stattdessen nun von Berlin aus vorgenommen.
Änderungen auch in Italien und Israel
Jitka Pánek Jurková überblickt von ihrem Büro aus den Prager Wenzelsplatz. Seit vergangenem Jahr ist sie die Generaldirektorin der Tschechischen Zentren. Im Interview für Radio Prag International erklärt sie, wie es zu der Umstrukturierung in München gekommen ist:
„In allen drei Ländern, in denen wir mit zwei Tschechischen Zentren vertreten sind, haben wir in diesem Jahr beide Einrichtungen einem Direktor untergeordnet. Das betrifft also Jerusalem und Tel Aviv, Rom und Mailand, und ähnlich ist es auch mit den Zentren in Deutschland.“
Grund dafür sind – wie sollte es anders sein – Sparmaßnahmen. Ausgerufen wurden diese zuletzt auch von anderen europäischen Kulturinstituten. So hat etwa das Goethe-Institut, das bisher 158 Dependancen weltweit unterhielt, jüngst angekündigt, neun seiner Filialen zu schließen. Die Niederlassung in Prag ist davon zwar nicht betroffen. Ab dem Jahreswechsel wird das Institut an der Moldau aber nicht mehr als Zentrale der Region Mittelosteuropa fungieren. Denn die geographische Einteilung der Standorte wird neu organisiert.
Laut Jitka Pánek Jurková ist es im Falle des Tschechischen Zentrums in München aber nicht nur der Zwang zu Einsparungen gewesen, der zu der Entscheidung geführt hat, das Zentrum in Bayern nun Berlin zu unterstellen:
„Es ist nach außen hin auch einfach verständlicher, wenn sich ein einziger Direktor für einen Staat oder ein Territorium eine Dramaturgie und einen roten Faden überlegt. So kann es nicht zu Überschneidungen kommen. Das bisherige Modell hat sich meiner Meinung nach nicht bewährt.“
Einheitliche Dramaturgie und breiteres Publikum
Der Direktor, der nun das Tschechische Zentrum in Berlin und auch das in München leitet, ist Jiří Rosenkranz. Erfahrung hat er in beiden Städten. Denn 2018 bis 2022 leitete er den Standort in der bayerischen Landeshauptstadt, dann übernahm er in Berlin. Im Interview, das Radio Prag International bereits im April mit ihm führte, zeigte sich Rosenkranz zuversichtlich, was die Neuerungen in Bayern angeht:
„Diese Änderung bringt die Chance mit sich, sich einem neuen Publikum zu öffnen. Und ich spreche da aus Erfahrung. Denn das hat sich seit letztem Jahr auch in Berlin gezeigt. Wir mussten aus dem Gebäude der Tschechischen Botschaft ausziehen und sind in die Räumlichkeiten des Goethe-Instituts gegangen. Bis zu dem Umzug hatten wir zehn Jahre lang unsere eigenen Veranstaltungsräume und eine fast 300 Quadratmeter große Galerie. Diese Möglichkeiten gibt es für uns seit über einem Jahr nun nicht mehr. Und ganz ehrlich: Ich denke, dass es uns nicht geschadet hat.“
ZUM THEMA
Ganz im Gegenteil: Die Reichweite habe sich durch die Veranstaltungen bei den Partnern massiv erweitert, so Rosenkranz. Und ähnlich sieht das auch Jitka Pánek Jurková:
„Ich habe sechs Jahre lang das Tschechische Zentrum in Brüssel geleitet. Dort hatten wir auch keine eigenen Räumlichkeiten. Und meiner Meinung nach ist das für die Kulturdiplomatie eigentlich besser so. Denn dadurch ist man gezwungen, das eigene Foyer oder das eigene Haus zu verlassen. Stattdessen muss man mit Partnern in der Stadt oder in der Region zusammenarbeiten, also etwa mit Kinos, Festivals oder Kunstrundschauen. Man kann so ein Publikum erreichen, das viel breiter ist als das, was sonst zu einem in den Saal kommen würde.“
Die Sprachkurse des Tschechischen Zentrums in München finden seit dem Umzug in den Räumen der Ackermann-Gemeinde statt. Sein Büro hat die Kulturinstitution nun am Oskar-von-Miller-Ring in der Zentrale der Goethe-Institute. Dauerhaft vor Ort ist dort nur noch Frances Jackson, die Programmkoordinatorin. Jiří Rosenkranz ist aber ebenso oft in der Stadt, wie er sagt:
„Ich pendle derzeit ohnehin zwischen Berlin und München, denn dort lebt meine Familie. Das heißt, ich bin jede Woche in beiden Städten, wodurch sich die Arbeit gut verbinden lässt.“
„München zu schließen kommt nicht in Frage“
Wenngleich sich Pánek Jurková der zusätzlichen Belastung für den betreffenden Direktor bewusst ist, zeigt sie sich überzeugt, dass die Betreuung von zwei Standorten für eine Person absolut zumutbar sei:
„In der tschechischen Kulturdiplomatie gibt es das zwar nicht. Aber bei anderen Ländern ist es völlig gängig, dass eine einzelne Person ein Territorium betreut, das viel größer ist als nur ein Staat. Meine ehemalige Kollegin in Brüssel, die dortige Leiterin des finnischen Kulturinstituts, war etwa auch für Luxemburg und die Niederlande zuständig. Das ist wirklich völlig normal.“
Aber wird durch eine Leitung aus der Ferne nicht auch der Weg geebnet zu einer gänzlichen Schließung des Standortes? Schließlich gab es von 1997 bis 2010 auch einmal ein Tschechisches Zentrum in Dresden. Im Jahr seiner Schließung wurde dann in Düsseldorf ein Zentrum aufgebaut. Dieses wurde später zunächst von München und dann von Berlin aus geleitet – und beendete damit de facto seine Tätigkeit. Droht ein ähnliches Schicksal nun auch dem bayerischen Standort? Jiří Rosenkranz kann sich das nicht vorstellen:
„Die deutsch-tschechischen Beziehungen sind genauso wichtig wie die bayerisch-tschechischen. Daher ist unsere Vertretung in München ein fester Bestandteil der Kulturdiplomatie und der Außenpolitik.“
Dies bestätigt auch Generaldirektorin Pánek Jurková. Im Interview schildert sie allerdings weiter, dass sich die Kulturdiplomatie immer wieder verändere und den Herausforderungen der Zeit anpasse:
„Wir haben gerade zwei neue Zentren in Asien eröffnet, denn diese Region wird für uns aus verschiedenen Gründen immer wichtiger. Dass also mal ein Institut schließt und mal ein neues aufmacht, wird uns auch in Zukunft begleiten.“
Die Chefin betont aber auch:
„München zu schließen oder die Tätigkeiten des Zentrums einzuschränken, kommt derzeit für uns überhaupt nicht in Frage. Die neue Regelung sehe ich als Bekräftigung dessen, dass dies für uns eine wichtige Region ist. Deshalb wird es auch weiterhin ein eigenständiges Tschechisches Zentrum München geben. Daran wird sich nichts ändern. Es gibt ein eigenes Programm und auch einen eigenen Haushalt, den wir in keiner Weise zusammenstreichen oder nach Berlin umlegen.“
Kontakte zu Partnern, Gespür für das Land
Eine Frage stellt sich zum Schluss dann aber doch noch: Warum wird das Tschechische Zentrum in München nicht direkt aus Prag geleitet? Schließlich liegt die Moldaumetropole viel näher an der bayerischen Landeshauptstadt als Berlin… Über diesen Gedanken kann Jitka Pánek Jurková nur mit dem Kopf schütteln:
„Der größte Vorteil unseres Netzwerkes ist, dass wir Direktoren direkt vor Ort in den einzelnen Staaten haben. Sie kennen diese Länder, ihre Kultur, verfolgen die mediale Berichterstattung und die Trends in der kulturellen Szene. Das macht unsere Arbeit am Ende auch aus: solide Kontakte zu Partnern und ein gutes Gespür für das jeweilige Territorium.“
Die Tschechischen Zentren in eine digitale, von Prag international agierende Kulturagentur zu verwandeln, das sei ein völlig abwegiger Gedanke, beruhigt die Generaldirektorin:
„Ich bin mir absolut sicher, dass die Ergebnisse in so einem Fall ganz anders und viel weniger relevant wären. Der Besucher merkt einfach, ob er von einem Schreibtisch in Prag aus adressiert wird oder aus seiner eigenen Bierstube.“