Verfolgung von Gläubigen in NS-Zeit und während des Kommunismus: Pfarrer Štverák und Jurist Valena
Am 17. November wird an verschiedenen Orten Tschechiens an die Opfer der NS-Zeit und des Kommunismus erinnert. Unter den Personen, die während beider totalitären Systeme verfolgt wurden, waren auch viele Gläubige. Über ihr Schicksal wusste man bislang recht wenig, teilweise sind sie inzwischen ganz in Vergessenheit geraten. Die Tschechische Christliche Akademie arbeitet gerade an einem Buch, in dem diese Persönlichkeiten und ihre Schicksale aufgegriffen werden.
„Der Hauptanlass für die Entstehung des Buches war der Aufruf von Papst Johannes Paul II., der im Rahmen der Vorbereitungen auf das Jubiläumsjahr 2000 im Jahre 1994 alle Bischofskonferenzen aufgefordert hat, Materialien über die Märtyrer in ihrem Land zu sammeln. Denn das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Märtyrer. Wir selbst haben in unserem Land zwei totalitäre Regime erlebt. Als ich mit der Arbeit an dem Buch begann, hatte ich als Kirchenhistoriker schon einigermaßen eine Vorstellung darüber, wo ich nach den Dokumenten oder auch nach Zeitzeugen suchen könnte. Ursprünglich haben wir geschätzt, dass wir über etwa 150 Menschen schreiben werden. Während der Nachforschungen fanden sich aber bedeutend mehr Gläubige, die wir in den Band mit einbeziehen wollten. Wir fanden Dokumente über viele Personen, die vollständig in Vergessenheit geraten sind. Mehrere Christen starben beispielsweise in den kommunistischen Arbeitslagern oder beim Einsatz in den so genannten ´PTP-Batallions´.“
Aktuell sind 240 Personen erfasst. Darunter sind Priester, Ordensleute und Laien. Beispielsweise der Pfarrer František Štverák und der Jurist František Valena, die in den totalitären Zeiten besonderen Mut gezeigt haben. Sie sollten nicht vergessen werden, meint Jan Stříbrný:„Sie waren sehr unterschiedliche Menschen. Pfarrer Štverák war ein temperamentvoller und kompromissloser Mann. Valena war ein hoch gebildeter ruhiger Mensch. Auf das Leben in einem totalitären Regime haben die beiden Männer unterschiedlich reagiert.“
František Štverák stammte aus einer Lehrerfamilie. 1928 fing er an, an der theologischen Fakultät der Karlsuniversität zu studieren. 1933 wurde er zum Priester geweiht. Er arbeitete als Seelsorger an einigen Orten in der Prager Erzdiözese. 1938 wurde er zum Pfarrer in der Gemeinde Chvaly bei Prag ernannt. Štverák habe gefühlt, dass er auf die Ereignisse von 1938 und 1939 reagieren müsse, erzählt der Historiker:
„Da er Reserveoffizier im Seelsorgerdienst war, hatte er gute Kontakte zu der Armee. Er schloss sich bald der Widerstandsgruppe Namens ´Obrana národa´ (Verteidigung der Nation) an. Er half Waffen zu transportieren und verbreitete die Untergrundzeitschrift ´V boj!´ (In den Kampf!). Die Zeitschrift wurde sogar in einer seiner Pfarreien gedruckt. Diese Aktivitäten konnten der Aufmerksamkeit der Gestapo nicht entgehen. Im Mai 1940 wurde Štverák verhaftet und brutal verhört. Er gab nichts zu und wurde nicht vor Gericht gestellt, sondern ins KZ geschickt – mit der Anmerkung, er solle ´beseitigt´ werden.“Im KZ Sachsenhausen entging er jedoch dem Tod. Er wurde in die so genannte „Strafkompanie“ geschickt. 1942 wurden dann alle Priester ins KZ Dachau eingeliefert. Dort traf Štverák einige ehemalige Mitschüler und Lehrer. Er habe denjenigen, die noch schlimmer dran waren, geholfen, erzählt Stříbrný:
„Als ein alter polnischer Priester zu 25 Schlägen verurteilt wurde, meldete sich Štverák freiwillig, um ihn zu vertreten, weil er wusste, dass der alte Mann eine solche Strafe nicht überlebt hätte. In Dachau begegnete er seinem Dozenten von der theologischen Fakultät, dem späteren Prager Erzbischof Josef Beran. Štverák half dem weniger geschickten Beran, unter den harten Bedingungen zu überleben.“
Die Freundschaft mit Beran sollte für Štverák schicksalhaft werden. Nach dem Krieg wurde Beran zum Prager Erzbischof ernannt. Štverák kehrte in seine Pfarrei nach Chvaly zurück. Bald darauf, im Jahr 1948 ergriffen jedoch die Kommunisten die Macht in der Tschechoslowakei und fingen an, ihre Gegner aus dem Weg zu räumen. Štverák wurde als Priester, der dem Erzbischof Beran nahe stand, bereits 1949 verhaftet. Anfang 1951 wurde er gemeinsam mit einer Gruppe weiterer Priester vor Gericht gestellt.„Da er im KZ anderen Gefangenen geholfen hatte, wurde er ´nur´ zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt. Danach wurde er aber nicht freigelassen, sondern weiter interniert: in den Klöstern Želiv und Hájek. Freigelassen wurde Štverák erst 1954. Zu dem Zeitpunkt war er aber schon sehr krank. Er starb im Jahre 1956 im Alter von 47 Jahren an einem Herzinfarkt.“
Dem Historiker zufolge wurde Štverák fast vergessen. Nur seine Pfarrgemeinde in Chvaly habe über sein Schicksal gewusst und einige Experten, die sich mit der Kirchengeschichte befassen. Dies soll sich jetzt ändern.„In Chvaly wurde 2002 eine Gedenktafel für Pfarrer Štverák enthüllt. Soviel ich weiß, erinnern die Mitglieder der Pfarrgemeinde regelmäßig an ihn. In Štveráks Geburtsort Hrádek bei Vlašim wurde dank dem dortigen Pfarrer in diesem Jahr eine Gedenktafel angebracht. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Zettel mit einer kurzen Biographie von Pfarrer Štverák verteilt. Ich finde es gut, dass auch in seinem Geburtsort nach so vielen Jahren wieder an ihn erinnert wird.“
Eine andere Persönlichkeit, die den Historiker Stříbrný besonders beeindruckte, war der Jurist František Valena. Er stammte aus dem südböhmischen Dačice und besuchte das Gymnasium in Brünn, wo er dann später Jura an der Masaryk-Universität studierte. Schon als Gymnasiast engagierte sich Valena in den katholischen Studentenvereinen. 1939 wurde er dann zum Vorsitzenden des katholischen Studentenverbands gewählt. Der Historiker:
„Nachdem die Nazis die Hochschulen im Protektorat geschlossen hatten, wurde er als einer der führenden Studentenaktivisten von der Gestapo gesucht. Valena gelang es nach Slowenien zu fliehen. Dank guter Kontakte zwischen der Tschechischen Katholischen Studentenzentrale und ihrem slowenischen Partnerverband wurde es Valena ermöglicht, in Laibach sein Jura-Studium fortzusetzen. Als die Deutschen 1941 Jugoslawien überfielen, flüchtete er nach Italien, wo er kurz an der Päpstlichen Lateranuniversität studierte. Aus Rom musste er wiederum vor den Nazis fliehen. Er kehrte wieder nach Laibach zurück, wo er das Studium mit einer Doktorarbeit beendete. Dort lernte er auch seine spätere Frau Danica kennen, mit der er nach dem Krieg nach Prag zurückkehrte.“ Valena engagierte sich gleich nach seiner Rückkehr in die Heimat wieder in der katholischen Studentenbewegung. Er arbeitete zudem als Sekretär des damaligen Postministers, Monsignore Hála, der Mitglied der christlich orientierten Tschechoslowakischen Volkspartei war. Die Freiheit konnte Valena jedoch nicht lange genießen. 1950 wurde er verhaftet - als eine der führenden Persönlichkeiten der Laienbewegung, innerhalb der katholischen Kirche. Im August 1951 wurden zehn Vertreter dieser Bewegung, mit Valena an der Spitze, vor Gericht gestellt.„Ursprünglich schlug der Staatsanwalt für Valena die Todesstrafe vor, die dann aber in 22 Jahre Haft geändert wurde. Damals hatte er schon drei Kinder. Die Familie wurde nach seiner Verurteilung schwer verfolgt und schikaniert. Valena war nacheinander in fünf kommunistischen Gefängnissen inhaftiert. Während der Jahre in Haft verschlechterte sich sein Gesundheitszustand bedeutend. Wegen einer Nierenoperation wurde ihm 1957 erlaubt, die Strafe für drei Monate zu unterbrechen. Er stand jedoch auch weiterhin unter strenger Aufsicht. Valenas Gesundheitszustand wurde immer schlechter. Die Amnestie, die im Mai 1960 ausgerufen wurde, bezog sich nicht auf ihn. Valena wurde nur gestattet, den Aufenthalt im Gefängnis wieder kurz zu unterbrechen. Am 31. August wurde ihm angeordnet, ins Gefängnis zurückzukehren. Noch am selben Tag starb er im Alter von 47 Jahren.“
Valenas Begräbnis im Heimatort Dačice wurde damals zu einer stillen Demonstration von anderen politischen Gefangenen, die kurz zuvor freigelassen worden waren. Valenas Frau stand jedoch auch weiterhin unter strenger Beobachtung der kommunistischen Behörden. Ihr wurde gedroht, dass man ihr die Kinder weg nimmt und diese in ein Kinderheim schickt. 1965 gelang es Frau Valenová, ein jugoslawisches Visum zu bekommen, und sie reiste mit den Kindern nach Laibach. Dort fand sie jedoch keine Arbeit.„Es sieht so aus, als ob sie dank der Kontakte zu internationalen katholischen Kreisen 1966 Arbeit beim Konsistorium in München bekam. Dort begann die Familie sich eine neue Existenz aufzubauen. Valenas Kinder haben dort studiert. Die Familie lebt bis heute zusammen in München. Frau Valenová ist 91. Sie hat auf Slowenisch sehr interessante Tagebuchnotizen verfasst, in denen sie die Zeit beschreibt, in der ihr Mann im Gefängnis saß. Hoffentlich gelingt es, die Tagebücher in tschechischer Übersetzung herauszugeben.“
Im Jahre 2012 soll das Manuskript für das „Martyrologium“ fertig gestellt sein. Historiker Stříbrný zufolge soll es ähnlich wie der deutsche Band „Zeugen für Christus“ gestaltet werden.