Verleihung des Pressefreiheits-Preises von "Reporter ohne Grenzen" an den Journalisten Petr Uhl
Der Medienspiegel von Radio Prag, meine Damen und Herren, dreht sich heute um den Journalisten und Menschenrechtler Petr Uhl, der an diesem Wochenende von der österreichischen Sektion der Organisation "Reporter ohne Grenzen" für sein Lebenswerk ausgezeichnet wird. Wir haben dies zum Anlass genommen, die Initiatorin des Preises sowie den Preisträger selber ans Mikrophon zu bitten. Aus dem Prager Studio begrüßt Sie dazu recht herzlich Silja Schultheis.
Ein "Signal für Europa" als Beitrag zur Diskussion um die EU-Erweiterung wollen die österreichischen "Reporter ohne Grenzen" nach ihren eigenen Worten mit dem Pressefreiheitspreis setzen, der in diesem Jahr erstmals verliehen wird. Bestimmt ist er für Journalisten aus Mittel- und Osteuropa, die sich in besonderer Weise um die Freiheit der Presse verdient gemacht haben. Rubina Möhring, Initiatorin des Preises und Präsidentin der österreichischen Sektion von "Reporter ohne Grenzen":
"Wir haben den Namen 'Signal für Europa' deshalb gewählt, weil wir der Meinung sind, dass nationale Ressentiments in unserer heutigen Zeit keinen Platz mehr haben. Und dass es sehr wichtig ist, dass all jene, die sich beworben haben, auch Teil der Europäischen Union werden. Umso mehr freut es mich, dass einer der Preise an Petr Uhl gegangen ist - an einen tschechischen Kollegen - gerade wegen der gegenwärtig doch etwas schwierigen Beziehungen zwischen Tschechien und Österreich."
Petr Uhl wird für von den österreichischen "Reportern ohne Grenzen" für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Warum, begründete im Gespräch mit Radio Prag Rubina Möhring:
"Petr Uhl ist ein Beispiel für den aufrechten Gang. Das ist eine sehr kostbare Eigenschaft, die auch Vorbildcharakter für jüngere Journalisten hat. Deshalb werden solche Lebenswerk-Preise ja auch ausgeschrieben. Ich erinnere mich noch - ich habe damals auch Beiträge über die Charta 77 gemacht, ich habe diese Gruppe sehr bewundert. Ich kenne seine Biographie, er ist im Gefängnis gewesen und publiziert jetzt wieder. Und wenn ich auch seine jetzigen Artikel lese, mit welcher Subtilität er über die jüngste Geschichte nach 1945 spricht, wie er sich gegen einen forcierten Nationalismus ausspricht und wie er für die emotionslose Begegnung und Behandlung von schwierigen zwischenstaatlichen Themen spricht, dann muss ich sagen, imponiert mir das sehr."
Petr Uhl selber verlegte den Beginn seines Engagements für die Pressefreiheit im Gespräch mit Radio Prag in das Jahr 1968 zurück, als er zusammen mit seiner damaligen Westberliner Freundin Sibylle Plogstedt aus Prag verschiedene Kommentare und Nachrichten an westeuropäische Medien schickten. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1973 arbeitete er mit verschiedenen tschechoslowakischen Exil-Zeitschriften zusammen. Später war er mehrere Jahre Chefredakteur der im Samizdat erschienenen Informationen über die Charta 77. Sein Hauptverdienst für die Pressefreiheit sieht er in dem Jahr vor der Samtenen Revolution von 1989:
"Es war die Osteuropäische Nachrichtenagentur, die in Warschau, Moskau, Prag, Brünn, Sofia, Wilna tätig war. Wir waren in täglicher Verbindung mit westlichen Rundfunksendern wie BBC oder Radio Freies Europa. Und durch diese Rundfunkanstalten haben wir wirklich die Meinung der tschechoslowakischen Bürger und auch der Bürger in anderen Ländern ein wenig beeinflusst. Es war die Zeit der riesigen Samizdat-Verlage, es waren Tausende, die uns damals gelesen haben."
Nach 1989 war Uhl zunächst Generaldirektor der Tschechoslowakischen Nachrichtenagentur, danach Chefredakteur der Zeitschrift 'Listy', seit 1996 Kommentator der Tageszeitung 'Pravo', zwischendrin zweieinhalb Jahre Regierungsbeauftragter für Menschenrechte.
Wie beurteilt der Journalist Uhl heute die Situation der Medien in der Tschechischen Republik - etwa vor dem Hintergrund der Fernsehkrise vor zwei Jahren oder der jüngsten Wahl von Vladimir Zelezny, Direktor des größten Privatfernsehsenders TV Nova, ins Parlament?
"Meiner Meinung nach ist die Freiheit der Presse nicht bedroht. Was uns fehlt, das ist eher die Verantwortlichkeit der Journalisten als die Freiheit. Die Freiheit von Seiten der Regierung oder des Staates ist in Ordnung. Hier gibt es keine Schwierigkeiten - im Gegensatz etwa zur Ukraine, von Weißrussland ganz zu schweigen. Es gibt natürlich Tendenzen, die als Attacke gegen die Pressefreiheit charakterisiert werden können. Aber das ist immer nur ein Versuch, das ist nie eine Krise oder eine wirkliche Negation der Pressefreiheit."
Falls die Pressefreiheit in Tschechien tatsächlich bedroht wäre, würde er jederzeit sofort wieder Alarm geben, bekräftigt Uhl abschließend sein Selbstverständnis eines engagierten Journalisten, dem er seit Jahren treu geblieben ist.
Außer Petr Uhl gingen bei der Jury nur sehr wenige Vorschläge für mögliche tschechische Kandidaten ein - im Gegensatz zu anderen ostmitteleuropäischen Staaten. Als Grund vermuten die Initiatoren die angespannten tschechisch-österreichischen Beziehungen.
Weiter Preisträger neben Petr Uhl sind zwei Journalisten aus Ungarn und Polen. Rubina Möhring:
"In Ungarn hat das eine junge Journalistin bekommen, die in einem Nachrichtenmagazin eine ganze Serie über die Säuberungen im ungarischen öffentlich-rechtlichen Fernsehen während der Orban-Zeit geschrieben hat. Der polnische Beitrag ist eine Fernseh-Dokumentation über die Repressalien, denen Journalisten in Weißrussland ausgesetzt sind. Es ist zwar kein Beitrag über Polen selbst, aber solche Dokumente und Reportagen können ja auch als Parabel dienen."
Soweit, meine Damen und Herren, der Medienspiegel von Radio Prag am 8. November. Gewidmet war er dem tschechischen Journalisten und Menschenrechtler Petr Uhl, dem an diesem Sonntag in Wien der Pressefreiheitspreis der österreichischen Sektion der "Reporter ohne Grenzen" verliehen wird. Für Ihre Aufmerksamkeit bedankt sich Silja Schultheis.