Vojna bei Pribram: Ehemaliges Arbeitslager - künftige Gedenkstätte für Opfer des Kommunismus

Wehrpflicht, Krieg - diese Bedeutungen assoziieren sich mit dem tschechischen Wort vojna. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts trug diesen Namen ganz unschuldig auch ein Berg in Mittelböhmen. Dann wuchs jedoch an seinem Fuße ein Arbeitslager, das später zum Synonym der Repressionen des kommunistischen Regimes wurde. Mehr erfahren Sie in der heutigen Sendung von Reiseland Tschechien, die Marketa Maurova vorbereitet hat.

"Im Jahre 1999 hat die tschechische Regierung die Errichtung einer Gedenkstätte beschlossen, welche die Leiden der tschechoslowakischen Bürger in der Zeit nach dem kommunistischen Umsturz von 1948 dokumentieren soll. Es wurde entschieden, diese Gedenkstätte an der Stelle der früheren Haftanstalt Vojna aufzubauen, welche die einzige erhaltene Einrichtung dieser Art auf dem Gebiet aller postkommunistischen Länder, mit Ausnahme der Sowjetunion ist."

Josef Velfl war das, der Direktor des Bergbaumuseums im mittelböhmischen Pribram, das das ehemalige Arbeits- und Haftlager Vojna heute verwaltet und sich an dessen allmählicher Umwandlung in ein Museum beteiligt. Vojna liegt in einem Wald, etwa 10 Kilometer südwestlich von Pribram entfernt. Die Gegend war seit dem Mittelalter durch Vorkommen von Mineralrohstoffen bekannt. Im 16. Jahrhundert wurde dort Eisenerz und anschließend Silber gefördert. Im 20. Jahrhundert wurden Uran-Adern entdeckt und im Jahre 1948 die Uran-Schächte Vojna I und Vojna II ausgehoben. Bereits vorher jedoch wurde dort, auf einem Gelände zwischen den beiden Gruben, ein Lager für deutsche Kriegsgefangene errichtet.

"In den Jahren 1947-49 arbeiteten zunächst deutsche Kriegsgefangene, die 1947 aus Jachymov hierher transportiert wurden, am Aufbau des Umfelds für die Urangruben und des eigentlichen Lagers. Nach der Fertigstellung der wichtigsten Dinge rund um das Lager und der ersten Schächte, die unter Aufsicht sowjetischer Berater im Uranbereich stattfand, wurden sie nach Jachymov zurücktransportiert und später überwiegend an die DDR ausgeliefert. Im Jahre 1949 wurden diese Deutschen von sog. Zöglingen des Zwangsarbeitslagers abgelöst. Das waren Leute, die auf Grund des damaligen Gesetzes über Zwangsarbeitslager ohne Gerichtsverfahren in diese Haftanstalten gebracht wurden. Sie beteiligten sich an Arbeiten in den Urangruben und am weiteren Aufbau des Lagers."

Eine weitere Änderung kam im Jahre 1951. Damals wurde das Arbeitslager in ein Gefängnis umgewandelt. Es handelte sich um einen der größten Gulags in der Tschechoslowakei, in dem 1.500 Häftlinge inhaftiert waren und zu Zwangsarbeiten in den Gruben genötigt wurden. Die Haftanstalt gab es dort bis 1961. Zur Schließung kam es auch deshalb, weil seit 1953 ein neues, noch größeres Gefängnislager im nahen Bytiz existierte und weil die Uranvorräte in Vojna allmählich erschöpft waren.

"Zu den Insassen von Vojna zählten Anfang der 50er Jahre politische Häftlinge, weiter Kriminelle, Retributionsgefangene und Häftlinge, die wegen Schwarzhandels verurteilt wurden. In der ersten Hälfte der 50er Jahre überwogen eindeutig die politischen Häftlinge. Nach den großen Amnestien von 1953 und besonders 1960 sank ihre Zahl. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass unter den politischen Häftlingen zahlreiche Helden des antifaschistischen Widerstands aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs waren, Soldaten die sowohl im Westen als auch im Osten, in der Sowjetunion kämpften, aber auch Angehörige der einheimischen Widerstandsbewegung. Eine Ironie des Schicksals ist es, dass ihre Kapos in diesem Lager mitunter Angehörige des ehemaligen faschistischen Sicherheitsapparats, Kollaborateure und Verräter waren, die zur Zeit des Zweiten Weltkriegs auf der anderen Seite der Front standen."

Am Anfang haben wir erwähnt, dass das Arbeitslager Vojna als das einzige in den Staaten des ehemaligen Ostblocks erhalten blieb. Nach 1961 wurde es nämlich von der tschechoslowakischen Armee als Lager für medizinisches Material und als eventuelles Notlazarett genutzt. Von dem gesamten Areal sind jedoch nicht alle, sondern nur einige wenige Objekte erhalten geblieben.

"Zu den wertvollsten Objekten, die man auch in einigen Spiel- und Dokumentarfilmen sehen konnte, zählt u. a. der Bunker. Das ist ein kleiner und niedriger unterirdischer Raum, in den unter grausamsten Gefängnisbedingungen unbequeme Häftlinge wegen verschiedener "Ordnungswidrigkeiten" geschickt wurden, die sie angeblich begangen haben. Weiter blieb das Gebäude der ehemaligen Sonderstrafzellen stehen. Das ist ein gemauertes Objekt, dessen Innenraum in eine Reihe von Zellen geteilt wurde, in denen Häftlinge ebenso wegen verschiedener Verstöße eingesperrt wurden."

Von über zehn Wohnbaracken ist eine einzige, die mit der Bezeichnung G, erhalten geblieben. Außerdem erinnern ein ehemaliges Kulturhaus, eine Küche sowie eine Krankenstation an das frühere Aussehen des Lagers. Die gesamte Fläche wird man künftig von einem Turm übersehen können, der am Eingang der Gedenkstätte gebaut wird. Im Gebäude unter dem Turm entsteht ein Saal, in dem u.a. Videoprojektionen und Vorlesungen veranstaltet werden sollen.

"Und des Weiteren steht das Kommandogebäude, in dem derzeit eine ständige Ausstellung über die Ereignisse nach dem Februar 1948 und über den antikommunistischen Widerstand im In- und Ausland vorbereitet wird."

An der Realisierung der Ausstellung beteiligt sich Miroslav Zalek, den ich antraf, als er gerade alle Hände voll zu tun hatte:

"Wir befinden uns im Kommandogebäude. Hier herrschte Leiden und davon sind wir bei der Gestaltung der Ausstellung ausgegangen. Sie berichtet nicht nur über dieses Lager, sondern in Kürze auch über die Entwicklung der III. Widerstandsbewegung im In- und Ausland."

Herr Zalek zeigte mir auch einige Sachen, die die Bauarbeiter in den Baracken gefunden haben und die das Leben der Häftlinge dokumentieren:

"Z.B. einige Seiten eines portugiesischen Wörterbuchs. Essschalen, ursprünglich deutscher Herkunft, weil deutsche Soldaten zur Zeit des Kriegs solche Schalen aus Duralumin hatten. Die Schaufel und eine Hacke wurden unter besonderen Umständen in einer Baracke, unter dem Boden gefunden. Dort wurde ein Aushub entdeckt, der wahrscheinlich auf einen Fluchversuch hinweist."

Es gab gelegentlich Fluchtversuche, bestätigt auch Herr Direktor Josef Velfl.

"Es muss jedoch gesagt werden, dass die überwiegende Mehrheit mit einem Misserfolg endete. Wir müssen dabei zwei Typen unterscheiden: Es gab Versuche, die wirklich die Häftlinge selbst organisierten, und Versuche, die das Wachpersonal bzw. die Staatspolizei absichtlich vorbereiteten, um einen Häftling aus irgendeinem Grund loszuwerden, d.h. ihn beim Fluchtversuch zu liquidieren bzw. um die Bedingungen seiner weiteren Inhaftung im Lager zu erschweren. In 90 % der Fälle waren die Versuche erfolglos."

Und wie sah eigentlich das Leben im Lager aus? Es richtete sich nach einem strengen Regime. Um 6,30 aufstehen, im Falle, dass man Morgenschicht hatte, um 4,45, Zapfenstreich um 21, im Winter um 20 Uhr.

"Die Häftlinge wurden zur Arbeit eingesetzt. Sie wurden entweder mit Bussen zur Arbeit gebracht, wenn sie in weiter entfernten Lokalität arbeiteten, oder sie gingen in einer Formation zur Arbeit, bewacht von bewaffneter Begleitung. Sie arbeiteten sowohl in Gruben als auch über Tage, bei der Uranförderung und bei Bauarbeiten. Es ist kein Geheimnis, dass der wesentliche Teil der Bebauung von Pribram, besonders der Siedlung unter Brezove Hory, die seit Ende der 40er Jahre gebaut wurde, eigentlich von den Häftlingen errichtet wurde."

Dreimal täglich fanden Appelle statt, bei denen die Häftlinge gezählt wurden. Zu Appellen wurde häufig auch in der Nacht aufgerufen. Freizeit hatte man sonntags, später auch samstags. Die Häftlinge nutzten sie zur Hygiene, wuschen ihre Wäsche, schrieben Briefe, besuchten sich gegenseitig in ihren Baracken und diskutierten, spielten Schach. Häufig wurden sie jedoch auch in ihrer Freizeit zu verschiedenen Arbeiten im Lager gezwungen:

"Nach der Arbeitsschicht kehrten sie in die Gefängnisanstalt zurück. Dort mussten sie jedoch auch anschließend noch arbeiten. Man nannte dies freiwillige Arbeit, sie war jedoch im Grunde Pflicht. Viele Häftlinge hatten erschwerte Bedingungen zur Regeneration ihrer eigenen Kräfte."

An dies alles wird künftig das Museum erinnern. An seiner Entstehung beteiligen sich das Bergbaumuseum sowie das Museum des III. Widerstands in Pribram, aber auch Forschungsstellen in Prag sowie der Verband politischer Gefangener. Die Gedenkstätte wird im Frühling 2005 eröffnet.