Von der Moldau an die Elbe: Kultur auf Schienen
Am Samstag ist der erste Kulturzug von Prag nach Dresden gefahren. Und das mit einer Performance von Kateřina Šedá.
„Wir haben schließlich vier Termine festgelegt, an denen auf der Strecke Prag-Dresden deutsche und tschechische Künstler auftreten. Bereits am 4. November ist der deutsche Dichter Durs Grünbein aus Sachsen nach Tschechien gefahren, am 1. Dezember dann Anna Mateur in gleicher Richtung. Am 2. Dezember fährt Kateřina Šedá von Prag nach Dresden und schließlich am 9. Dezember noch einmal die Dichter David Zábranský und Jakuba Katalpa.“
Der Kulturzug ist eigentlich der Probelauf für eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Kunsthäusern. Diese wurde im Oktober geschlossen und soll einen künstlerischen Austausch zwischen beiden Städten ermöglichen. Laut Karolina Pláničková ist das ein schöner und längst überfälliger Gedanke:„Mit dem Kulturzug wollen wir eigentlich zeigen, wie nah die beiden Städte eigentlich beieinander liegen. Und vor allem, wie schnell man aus Prag die Kunstsammlungen in Dresden und aus Dresden die Prager Nationalgalerie besuchen kann.“
Für die Zukunft sind deshalb weitere gemeinsame Projekte geplant:
„Tatsächlich haben wir uns zusammen viel vorgenommen. Was genau, kann ich zu diesem Zeitpunkt leider noch nicht sagen, da alles noch mehr oder weniger in der Planung steckt. Über ein Vorhaben kann ich aber jetzt schon sprechen. In Kürze wird der Prager Messepalast, das Hauptgebäude der Nationalgalerie, umgebaut, und dabei werden Teile unserer Sammlung nach Dresden gebracht und dort ausgestellt.“
Bisher wurde immer ein Sonderwaggon an den regelmäßigen Zug gehängt. Dort traten die Künstler und Literaten dann auf und präsentierten ihre Werke. Bei der Performance von Kateřina Šedá ist das ein wenig anders, sie hat den gesamten Zug für ihre Inszenierung in Anspruch genommen.Erfolg trotz Pannen
Leider startete die Aktion diesmal nicht ohne Pannen. Eigentlich sollte der Zug schon um 10:28 Uhr abfahren, wegen eines Lokschadens konnte die Performance aber erst vier Stunden später starten. Dennoch wurde die Fahrt ein voller Erfolg. Worum es ging, erklärte die Künstlerin Kateřina Šedá selbst:
„Da das Ganze im Advent stattfindet, habe ich das Motiv von Nikolaus, Engel und Teufel gewählt. Es geht darum, dass die Fahrgäste jemandem per SMS oder über Facebook ihre Liebe gestehen. Dafür bekommen sie von unserem kleinen Engel zwei kleine Geschenke. Eines müssen sie aber an eine beliebige Person im Zug weiterverschenken. Wenn jemand sich per SMS bei irgendwem entschuldigt, bekommt er von unserem Nikolaus eine etwas größere Überraschung. Der Hauptpreis wird schließlich von unserem Teufel verteilt, und den bekommt man für ein Geständnis.“Zur Erklärung: In Tschechien kommt der Nikolaus am 5. und 6. Dezember und wird immer von einem Teufel sowie einem Engel begleitet. Für die braven Kinder gibt es dann kleine Geschenke und viel Süßes. Das gab es ebenso für die Fahrgäste im Kulturzug, wobei Nikolaus und sein grusliger Begleiter auch Wein, Zugtickets und Freikarten für die Galerien in Dresden und Prag im Sack hatten.
Mit dem Sitznachbarn reden
Kateřina Šedá hatte ein bestimmtes Ziel mit ihrer Inszenierung im Zug von der Moldau an die Elbe. Sie will die Fahrgäste zum Nachdenken bewegen – über ihr eigenes Verhalten in der Öffentlichkeit.„Für meine Performance habe ich mir mit dem Mobiltelefon ein Thema ausgesucht, das Reisende im Zug eigentlich voneinander trennt. Viele verbringen ja ihre ganze Reise am Handy und kommunizieren nur mit demjenigen am anderen Ende der Leitung. Ich wollte deshalb einen Weg finden, die Menschen miteinander zu verbinden, die sich im Zug tatsächlich gegenübersitzen.“
Engagiert hat die Künstlerin dazu eine Schauspielertruppe. David Tchelidze spielt dabei den Teufel. Für ihn ist ein Zug als Bühne jedoch keine besondere Herausforderung:
„Mir kam die Idee überhaupt nicht komisch vor. Ich arbeite unter anderem als Clown im Krankenhaus. Deshalb bin ich gewohnt, mit meiner Kunst in ‚reale‘ Situationen einzubrechen. Ich denke, auf diese Aktion war ich gut vorbereitet.“Für Kateřina Šedá ist der Zug ein neuer Spielplatz für ihre Kunst. Denn nachdem sie bereits ein halbes mährisches Dorf nach London gebracht und eine tschechische Hochzeit zu einer ukrainischen gemacht hat, scheint der Auftritt bei voller Fahrt eher eine einfache Übung:
„Die Fahrt dauert nur zwei Stunden, im Gegensatz zu anderen Projekten, die ich gemacht habe. In einem bestimmten Kontext ist aber gerade diese Aktion viel schwieriger, als beispielsweise eine ganze tschechische Hochzeit im ukrainischen Stil zu veranstalten. Der Sinn meiner Arbeit ist, Vorurteile zu durchbrechen, und das will ich auch hier machen. Meist ist es bei einer Zugfahrt so, dass man einfach seine Ruhe haben will. Und gerade deshalb kann die Arbeit mit einer so banalen Sache viel anstrengender sein, als mit etwas ganz und gar Untypischem.“
Hürden überwinden
In diesem Jahr hat die Brünnerin bereits den prestigeträchtigen tschechischen Literaturpreis Magnesia Litera erhalten. Zudem wurde sie als Architektin des Jahres geehrt, obwohl sie sich eigentlich nicht mit Baukunst beschäftigt. Vielmehr wird Kateřina Šedá zugeschrieben, sogenannte soziale Architektur zu betreiben – auch wenn sie selbst diesen Begriff nicht ganz so gerne hört. Wie passt aber die Aktion im Kulturzug in dieses Konzept?„Ich versuche immer, irgendwie eine Gemeinschaft oder Beziehungen aufzubauen mit meinen Aktionen. Oder aber Verbindungen zwischen Menschen herzustellen über irgendetwas, das sie als Hürde voneinander trennt. Das mache ich auch hier: Das Mobiltelefon steht wie eine Mauer zwischen den Fahrgästen, kann sich aber schnell auch in ein Band zwischen den Passagieren verwandeln.“
Immerhin ist das deutsche Publikum keine Unbekannte für Kateřina Šedá, sie hat schon in Leipzig ausgestellt oder bei der Documenta 2007 in Kassel. Auch mit den Bewohnern der Lausitzer Provinz hat sie schon zusammengearbeitet, genauer gesagt im 800-Seelen-Dorf Uhyst. Sie wusste also ungefähr, worauf sie sich eingelassen hat. Dennoch war sie gespannt, wie am Ende alles enden würde:„Ich habe schon viel gemacht in Deutschland. Aber etwas zu gestalten, das Deutschland und Tschechien miteinander verbindet, ist für mich relativ neu. Ich war vor allem deshalb auf dieses Projekt gespannt, da hier Menschen aus beiden Ländern zusammenkommen.“