Von High-Tech und gescheiterten Träumen: Tschechen erobern Kalifornien

Silicon Valley (Foto: Coolcaesar, CC BY-SA 3.0)

Amazon, Space-X, Google oder Hyperloop – mehr Tschechen sind an den großen Projekten der Zukunft beteiligt, als man im ersten Moment annehmen könnte. Viele Ingenieure, Informatiker aber auch Quereinsteiger aus dem böhmischen Kessel haben sich in den vergangenen Jahren im Silicon Valley niedergelassen. Wie geht es ihnen dort? Wie sehr lockt die alte Heimat noch? Und gibt es auch Verlierer?

David Pavlík  (Foto: ČT24)
David Pavlík hat ihn geschafft, den American Dream. So sieht es zumindest aus, wenn er in seinem Porsche-Cabrio von Los Angeles an der Pazifikküste entlang zum Golfen fährt:

„Mit 35 habe ich mir gedacht, dass ich mir doch eine Freude machen könnte. Hier ist fast immer schönes Wetter, und es regnet kaum. Also haben meine Frau und ich uns dieses Auto gekauft und fahren damit zu unseren Rendezvous, wie wir das nennen.“

Die Kinder hätten aber in dem sportlichen Geschoss keinen Platz, fügt Pavlík mit einem Lachen hinzu. Manchmal müsse man halt etwas egoistisch sein. Insgesamt sei er mit seinem Porsche etwas retro, denn seine Kollegen würden eher Erlkönige mit Elektro- oder Hybridantrieb bevorzugen.

Elon Musk  (Foto: Steve Jurvetson,  CC BY 2.0)
Der junge Ingenieur wurde in Veselá bei Zlín im Osten Tschechiens geboren. Mittlerweile schickt er Raketen in den Himmel von Kalifornien, denn angeheuert hat er bei Space-X, dem privaten Raumfahrtprogramm des südafrikanischen Visionärs Elon Musk. David Pavlík ist froh, dass Space-X eben nicht im High-Tech-Paradies Silicon Valley bei San Francisco siedelt:

„Im Gegensatz zum Silicon Valley hat Los Angeles einen großen Vorteil: die Diversität der Einwohner. Neben vielen Angestellten aus der Technologie-Branche, zu denen ja auch ich gehöre, gibt es hier ebenso viele Künstler oder Menschen aus der Unterhaltungsindustrie. Außerdem ist man von Los Angeles gleich in den Bergen bei Palms Springs, und auch Las Vegas ist relativ um die Ecke. Der Flughafen hier bietet zudem Direktflüge in die ganze Welt. Das sind die Gründe, warum es uns hier so gefällt.“

Tschechien als Land der unbegrenzten Möglichkeiten?

Space-X war aber nicht die erste Station von David Pavlík. Er war schon bei Amazon und auch bei Microsoft. Lange möchte er aber nicht auf der anderen Seite des großen Teichs bleiben. In absehbarer Zeit will der Techniker mit seiner Familie wahrscheinlich doch zurück auf den alten Kontinent. Und dabei scheinen Tschechien und vor allem das ostmährische Zlín fast wie das Land der unbegrenzten Möglichkeiten:

‚Aeromobil‘  (Foto: Achim Hepp,  CC BY-SA 2.0)
„Ein Freund aus Los Angeles, der erst kürzlich mit uns in Zlín war, hat punktgenau getroffen, was uns so an der Stadt reizt: Es ist eine ‚sleepy town‘, eine verschlafene Stadt also. Und das wäre auch unser Plan – sich auszuruhen und mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen, zu reisen und vielleicht etwas Neues zu lernen. Ich könnte mir auch vorstellen, etwas aus meiner Leidenschaft zu machen, dem Kochen. Vielleicht werde ich das professionell machen, eine Lehre zum Koch abschließen oder ein Praktikum in einem Restaurant absolvieren. Natürlich habe ich auch eine Reihe technologischer Ideen, zum Beispiel im Bereich der Automatisierung von Häusern. Ich habe mich schon mit ein paar Leuten in diese Richtung unterhalten. Aber am meisten liebäugele ich derzeit mit dem fliegenden Auto ‚Aeromobil‘, das derzeit in Bratislava entwickelt wird.“

Festlegen möchte sich David Pavlík jedoch nicht. Vielleicht wird die Zeit in Zlín auch nur ein sogenanntes Sabbatical, also ein Jahr Auszeit, und der junge Technik-Crack kommt bald wieder zurück zu den Raketen in Kalifornien. Denn Unternehmen wie Space-X oder Amazon seien ganz nah an der Zukunft dran, so Pavlík. Wobei sie da gar nicht so weit weg sind von seiner Heimatstadt in Ostmähren, zumindest was die Unternehmensphilosophie angeht:

Space-X  (Foto: ČT24)
„Ich denke, dass bei Elon Musk und Space-X oder bei Jeff Bezos und Amazon alles relativ ähnlich ist, wie es damals in Zlín der Schuhfabrikant Tomáš Baťa gemacht hat. Was hier genauso gefordert ist, sind maximale Qualität, maximale Kompetenz und maximale Orientierung am Kunden. Auf der anderen Seite gab es ebenso die negativen Seiten, zum Beispiel wenn Baťa jemanden zusammengebrüllt oder von einem Moment auf den anderen auf die Straße gesetzt hat. Das habe ich ebenso in diesen Firmen hier erlebt.“

Reichtum, den man nicht sieht

Im Grunde würde er ein Unternehmen auf keinen Fall anders führen, fügt Pavlík hinzu. Denn anders würde es einfach nicht funktionieren, das hätte er in Kalifornien bei einigen großen Playern auch schon gesehen.

Dušan Vítek  (Foto: Archiv von Dušan Vítek)
Ein anderes Beispiel für jemanden, der es geschafft hat, ist Dušan Vítek. Seine Geschichte ist aber etwas anders als die von David Pavlík, denn er ist mehr oder weniger selbst in Kalifornien groß geworden, und zwar gerade im Silicon Valley. Angefangen hat er hier bereits vor fast 15 Jahren in einem kleinen Betrieb, der eigentlich eines der Vorbilder der heutigen Start-Up-Szene ist. 2014 gründete er sein eigenes Unternehmen mit dem Namen Portadi und hat sich mit seinen Online-Sicherheitssystemen einen Namen gemacht. Mittlerweile hat er Portadi an einen ganz großen Player verkauft, macht dort aber trotzdem weiter. Wo liegt denn nun der Reiz am Silicon Valley? Und könnte er nicht auch irgendwo anders solch einen Erfolg haben?

„Ich glaube nicht, dass es für ein Tech-Unternehmen unbedingt nötig ist, im ‚Valley‘ zu sein. Andererseits gibt es hier eine unglaublich hohe Konzentration an Technologie-Talenten. Zudem versammeln sich hier im Umkreis von 20 Meilen rund 40 Prozent des US-amerikanischen Venture-Kapitals. Der technologische Fortschritt im Silicon Valley kommt von einer ganz bestimmten Community von Menschen, die genau hier zusammenkommt und Interesse an der Zukunft hat. Also genau an dem, was morgen kommt.“

Silicon Valley  (Foto: Coolcaesar,  CC BY-SA 3.0)
Und das merkt man den Menschen im High-Tech-Zentrum der USA auch an. Es hat sich hier nämlich in den vergangenen 20 Jahren eine ganz eigene Mentalität entwickelt, trotz der vielen Nationalitäten:

„Hier im ‚Valley‘ ist sehr interessant, dass man den Leuten ihren unglaublichen Reichtum nicht ansieht. Die Gesellschaft hier ist sehr egalitär, zumindest an der Oberfläche. Hier kann man Menschen treffen, die millionenschwer sind, aber trotzdem einen Honda oder Toyota Prius fahren. Der Reichtum manifestiert sich im Silicon Valley nämlich ein bisschen anders – und zwar beim Wohnen.“

Manche kommen nur zum träumen…

Und das hat seinen Preis. Dušan Vítek zum Beispiel wird es im Technologie-Ballungsraum Silicon Valley mittlerweile zu teuer, und er will mit seiner Familie etwa ins, für US-Verhältnisse, nahegelegene Denver ziehen. Wobei er die Stadt am Fuße der Rocky Mountains natürlich nicht zufällig ausgewählt hat:

Anaheim  (Foto: Roman Eugeniusz,  CC BY-SA 3.0)
„Vor etwa acht Jahren kam es hier in Mode, Fachkräfte ins viel billigere Indien oder Ähnliches outzusourcen. Schnell hat sich aber herausgestellt, dass das eher Probleme als Vorteile bringt. Seit ungefähr einem oder zwei Jahren ziehen immer mehr Firmen nach Denver in Colorado um. Das ist eine Stadt, die zwar um gut die Hälfte billiger ist, was die Lebenshaltungskosten angeht, aber im Prinzip dieselbe Lebensqualität bietet.“

Doch nicht nur im Raketenbau oder zwischen Clouds und Virtual Reality finden sich Tschechen in den USA. Um weitere von ihnen kennenzulernen lohnt sich ein Blick weg vom Silicon Valley – und zwar in den Süden von L.A., genauer gesagt in den Stadtteil Anaheim. Dort treffen sich die Tschechen, die ihr Geld mit ihren Händen verdienen, beispielsweise im Milan’s Grill. Hinter der Theke steht Jana, die Frau von Wirt Milan, und bietet Krušovice, Budweiser oder Pilsener Urquell an. Das beliebteste Bier aus Tschechien, Staropramen, liefere man nicht mehr hierher, so Jana. Und auch vieles andere ist in Bewegung:

Milan’s Grill  (Foto: Offizielle Facebook-Seite des Milan’s Grills)
„Heutzutage kommen hauptsächlich junge Tschechen zu uns. Die ältere Generation, die noch patriotisch war, die stirbt so langsam aus. Bei den Jungen ist das Problem, dass ihnen vollkommen egal ist, ob sie nun zum Mexikaner gehen oder doch lieber böhmische Küche essen. Immerhin, Kundschaft haben wir noch genug.“

Ein Stammgast im Milan’s Grill ist Miloš Hroch. Vor gut 30 Jahren ist er aus dem mährischen Šumperk in die Stadt der Engel gekommen. In der Tschechoslowakei war er Sportlehrer, in den USA schulte er zum Elektriker um. Derzeit läuft es nicht so gut:

„Amerika ist hart, wenn man sich hier nichts aufbaut… Naja, soziale Sicherheit gibt es hier eigentlich gar nicht. Meine Freunde wollen mich immer überreden, dass ich wieder heimkomme. Ich habe aber Angst, da ich ja schon 57 bin. Wahrscheinlich mach ich noch die paar Jahre bis zu der kleinen Rente, die man hier bekommt. Dann schau ich halt mal.“

Im Grunde plane er aber schon, im Alter nach Tschechien zurückzukommen, so Miloš Hroch. Und er will in diesem Jahr das Ruder umdrehen und einer sein, der es schafft. Er lebt ja schließlich doch noch, der American Dream.