Von Zizkov bis Sydney: Jaroslav Sejda und "sein" Prager Fernsehturm

Foto: Autor
0:00
/
0:00

Vielleicht haben Sie in der Silvestersendung von Radio Prag gemeinsam mit uns einige Plätze in der tschechischen Hauptstadt besucht, an denen sich der Jahreswechsel besonders schön oder auf besonders traditionelle Weise begehen lässt. An einen dieser Orte kehren wir nun nochmals zurück, um ihn uns in aller Ruhe ein bisschen genauer anzusehen. Durch den berühmten Fernsehturm im Prager Stadtteil Zizkov führt uns der Direktor der Firma Tower Praha, Herr Jaroslav Sejda. Und er erzählt bei dieser Gelegenheit auch gleich, was es mit der so genannten "Assoziation der hohen Türme" auf sich hat. Hören Sie dazu die neue Ausgabe der Sendereihe "Heute am Mikrophon", von Gerald Schubert:

Foto: Autor
Vielleicht kennen Sie das Bild: Sie kommen mit dem Zug nach Prag. Zuerst fahren Sie durch Vororte, die teilweise noch ziemlich ländlich aussehen. Allmählich wird die Häuserdichte größer, und irgendwann taucht zwischen den Hügeln und an deren Hängen ein Meer von Dächern auf. Sie sind in der Großstadt. Dass Sie aber in Prag sind, das sagen Ihnen nur vorerst nur die Lautsprecherdurchsagen und ein paar Schilder auf verlassenen Vorstadtbahnhöfen. Bis irgendwann der Fernsehturm auftaucht. Im Bezirk Zizkov steht er, sieht ein bisschen aus wie eine Rakete samt Startrampe und ist meist das erste Stück unverkennbares Prag.

"Der Fernsehturm in Zizkov steht auf dem gleichnamigen Hügel, nicht weit vom Prager Stadtzentrum entfernt. Er ist das höchste Bauwerk in Prag, und auch das höchste in der Tschechischen Republik", sagt Jaroslav Sejda, Direktor der Firma Tower Praha, die die öffentlich zugänglichen Bereiche des Turmes betreibt. "Er wurde 1991 fertig gestellt und 1992 eröffnet. Es gibt hier ein Restaurant mit einer herrlichen Aussicht auf Prag und ein Café mit einer Bar, ebenfalls mit Blick auf die Stadt. Etwas darüber, in einer Höhe von 93 Metern, gibt es dann noch eigene Aussichtskabinen. Von hier aus kann man nicht nur die Stadt, sondern auch ihre Umgebung gut überblicken."

Gemeinsam mit Herrn Sejda sitzen wir im Turmrestaurant, in einer Höhe von 65 Metern. Am Vormittag ist hier noch nicht viel Betrieb. Der Himmel ist tiefblau, es ist ein eisiger Wintertag, aber durch die riesigen Glasfenster scheint die Sonne fast heiß in den Raum. Kann jemand, der so gut wie jeden Tag hier oben ist, die Aussicht überhaupt noch genießen?

Foto: Autor
"Oh ja, ganz bestimmt! Prag ist zu jeder Jahreszeit und zu jeder Tageszeit interessant. Die Stadt ist morgens schön, wenn die Sonne schräg einfällt und die Dächer beleuchtet. Und genau so schön ist sie abends, bei Sonnenuntergang. Außerdem ist die Fernsicht an manchen Tagen sehr gut, an manchen wiederum sieht man nur den Prager Kessel. Das Bild, das sich einem bietet, ist also immer anders. Oft kann man von der oberen Aussichtskabine den Berg Ríp sehen, und manchmal sogar den Jested. Die Fernsicht beträgt also bis zu 100 Kilometer."

Als der Bau des Turmes begonnen wurde, war Prag noch die Hauptstadt der Tschechoslowakei, an der Macht waren noch die Kommunisten. Fertig gestellt wurde er zwei Jahre nach der Wende. Für manche ist der Fernsehturm in Zizkov ein Symbol kommunistischen Größenwahns, andere finden ihn einfach hässlich oder bedrohlich. Wieder andere aber lieben die architektonische Eigenwilligkeit des Turmes mit den drei Säulen und den fast kubistisch anmutenden Kabinenblöcken, oder haben sich einfach an ihn gewöhnt. Die Sympathiewerte des Turmes konnten jüngst jedenfalls gesteigert werden, erzählt Jaroslav Sejda:

"Vor drei Jahren wurde der Turm mit den Babys des Bildhauers David Cerný verziert. Sie klettern auf den Pfeilern des Turmes herum, und auch oben auf den Kabinen. Die Reaktionen der Leute sind sehr positiv. Die Babys sind bis ans andere Ende Prags zu sehen und bringen den Turm den Menschen auf sehr interessante Art und Weise näher. Sie machen ihn einfach menschlicher."


Im fernen Australien hat die so genannte "Assoziation der hohen Türme" ihren Sitz. Der Fernsehturm in Zizkov ist dabei. Direktor Jaroslav Sejda:

Jaroslav Sejda  (Foto: Autor)
"Die Assoziation der hohen Türme beruht auf freiwilliger Mitgliedschaft. Die Betreiber tauschen hier vor allem geschäftliche Erfahrungen aus. Sie überlegen etwa, wie mehr Besucher angelockt werden können, oder wie man den Blick auf die Stadt günstig beeinflussen und die ganze Atmosphäre attraktiver gestalten kann. Gleichzeitig werden auch technische Erfahrungen ausgetauscht, also etwa im Bereich der Sicherheit, sowie die neuesten Informationen aus den Bereichen Public Relations und Marketing. Es ist sehr interessant zu hören, was man zum Beispiel im Empire State Building in New York für die Gäste macht, oder auf anderen Türmen in Chicago, Shanghai, Berlin oder Wien."

Interessant ist für Sejda nicht nur, etwas über die anderen Türme zu hören, sondern diese auch selbst zu besuchen:

"Wir treffen uns in der Regel einmal im Jahr, immer auf einem anderen Turm. Ich war unter anderem schon auf dem Fernsehturm in Berlin, dem Donauturm in Wien, auf Türmen in Peking, Sydney oder Rotterdam. Jeder Turm ist, was die Architektur betrifft, anders, jeder befindet sich in einer anderen Umgebung, in einer anderen Kultur. Aber ob es nun Türme in Amerika, in Asien, in Europa oder in Australien sind: Für die Besucher sind sie in sehr ähnlicher Weise gestaltet. Überall gibt es entweder offene Aussichtsplattformen oder geschlossene Aussichtskabinen, überall gibt es ein Restaurant oder ein Café. Also das System, wie die Türme den Menschen zugänglich gemacht werden, ist eigentlich überall auf der Erde mehr oder weniger gleich. Der architektonische Ausdruck aber, der ist bei jedem Turm anders. Und jeder hat auch eine andere Höhe. Aber es gibt dabei keinen qualitativen Unterschied. Es ist nicht entscheidend, ob Sie von den höchsten Türmen wie etwa in Toronto oder Moskau hinunterblicken, oder von einem niedrigeren. Denn auch aus geringerer Höhe ist der Blick interessant. Dort sehen sie dann eben mehr Details, während Sie von den höchsten Türmen eher einen Blick haben wie aus einem Flugzeug."


Kommen wir zurück nach Prag-Zizkov. Welche Leute sind es, die den Fernsehturm in der tschechischen Hauptstadt besuchen?

"Die Menschen, die zu uns kommen, sind etwa zur Hälfte ausländische Touristen. Die andere Hälfte sind Tschechen. Teilweise Prager, aber auch viele Tschechen von außerhalb, die zu Besuch in der Hauptstadt sind und sich ebenfalls den Fernsehturm ansehen wollen."

Die Sicherheitsvorkehrungen im Turm, sagt Sejda, entsprechen neuesten Standards. Das gilt sowohl im Bereich Brandschutz, als auch was den Ausgleich von Schwankungen betrifft, die der Wind verursacht. Für den sorgt ein eigens patentiertes System, dessen Herz eine große Kugel im oberen Bereich des Turmes ist. Angst muss hier also niemand haben. Dennoch hat Jaroslav Sejda auch damit so seine Erfahrungen:

"Einige Besucher haben einen gewissen Respekt, manche haben einfach Höhenangst. Bei uns ist das aber meist kein großes Problem. Die Leute sind hier in einem geschlossenen Raum, umgeben von Glas. Mit der Zeit verlieren sie hier in der Regel die Angst. Aber es kommt schon vor, dass manche Gäste lieber nicht direkt am Fenster sitzen wollen. Und während all der Jahre, in denen ich hier arbeite, ist es ein einziges Mal passiert, dass uns ein Gast gebeten hat, ihm den Tisch in die Korridorhalle in der Mitte zu tragen. Von dort kann man überhaupt nicht hinaussehen."


Mehr über den Fernsehturm in Prag-Zizkov finden Sie im Internet, und zwar unter der Adresse www.tower.cz