Vor 50 Jahren: Dubček übernimmt Parteivorsitz und leitet Reformkurs ein

Alexander Dubček (Foto: Tschechisches Fernsehen)

Vor genau 50 Jahren, am 5. Januar 1968, begann eines der hoffnungsvollsten Kapitel der tschechoslowakischen Nachkriegsgeschichte: Alexander Dubček wurde zum Ersten Sekretär der KPTsch gewählt. Er gilt bis heute als das Symbol des Prager Frühlings.

Alexander Dubček  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Dies wird ein Jahr, dessen Ergebnisse zweifellos die gesamte weitere Entwicklung der Republik beeinflussen werden“– das sagte der damalige Chef der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (KPTsch) und Staatspräsident des Landes, Antonín Novotný, 1968 in seiner Neujahrsansprache. Da ahnte er noch nicht, wie Recht er haben sollte. Denn schon vier Tage später, am 5. Januar, wurde er als Vorsitzender der Partei entmachtet. Zum neuen Ersten Sekretär wurde Alexander Dubček gewählt.

Vorausgegangen war dieser Entscheidung eine wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Man hatte genug von Misswirtschaft und Stalinismus, außerdem wollte man teilhaben am Swing der 1960er Jahre. An der gelösten Atmosphäre also, die in dem Jahrzehnt die ganze Welt ergriffen hatte.

Antonín Novotný  (Foto: Public Domain)
Als Symbol für den Stilltand in der Tschechoslowakei und die Unterwürfigkeit gegenüber der Sowjetunion galt eben Antonín Novotný. Er war bereits 1953 an die Spitze der KPTsch gewählt worden und vier Jahre später stieg er – auf Geheiß von Sowjet-Parteichef Nikita Chruschtschow – auch zum Präsidenten der Tschechoslowakei auf.

Zunächst auf der Tagung des kommunistischen Jugendverbandes im Juni 1967, und dann erst recht auf dem nachfolgenden Kongress des tschechoslowakischen Schriftsteller-Verbandes, wurden die Stimmen nach Veränderung immer lauter. Die Autoren forderten Meinungsfreiheit und kritisierten die Politik der Kommunisten. Einer ihrer Sprecher war Jan Procházka:

„Es ist nicht möglich, dass nur eine Person über alle Molkereien, die ärztlichen Sprechstunden und Apotheken bestimmt. Also ein einziges Gehirn entscheidet einfach über alles.“

Auch unter den Kommunisten selbst regte sich der Widerstand. Der gemäßigte Flügel ihrer Partei, der nach Reformen rief, wurde immer stärker. Der Historiker Jan Kalous von Institut für das Studium totalitärer Regime:

„Die Kritik am Regime von Antonín Novotný nahm ständig zu. Auf der Tagung des Zentralkomitees der KPTsch wurde er Ende 1967 als Erster Sekretär abgewählt. Es musste eine andere Person gefunden werden, die die Partei gut führen konnte.“

Kundgebung zum 1. Mai 1968 in Prag  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Und diese Person war der Slowake Alexander Dubček. Zeitzeugin Jaroslava Vybíralová erinnert sich, welch eine Reaktion diese Wahl bei vielen Tschechen und Slowaken hervorrief. Auch sie ließ sich davon mitreißen:

„Wir haben das mit Begeisterung aufgenommen, weil wir fest daran glaubten, dass sich die Lage nun ändern würde. Zum ersten Mal besuchte ich eine Kundgebung zum 1. Mai mit Freude, und die Teilnahme war freiwillig und nicht vorgeschrieben wie davor. Der Wenzelsplatz war voller Menschen, die Begeisterung war einfach riesig.“

Dafür sorgte auch das sogenannte Aktionsprogramm der KPTsch, das im April 1968 verabschiedet wurde. Und Dubček propagierte es. In seinen Reden sprach der damals 46-Jährige von der Notwendigkeit, dass man das Land politisch, gesellschaftlich wie auch wirtschaftlich umgestalten müsse. Allerdings nicht als Kopie einer westlichen Demokratie, sondern in Form eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz.

Armeen der Warschauer Paktstaaten hatten die Tschechoslowakei im August 1968 besetzt  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der Versuch, die sozialistische Gesellschaft zu liberalisieren und zu demokratisieren, dauerte indes nur acht Monate. Die Ideen des sogenannten Prager Frühlings wurden am 21. August 1968 von tonnenschwerem Stahl erstickt – die Panzer aus Moskau und weiterer Armeen der Warschauer Paktstaaten hatten die Tschechoslowakei besetzt.