Alexander Dubček vor 100 Jahren geboren – ein Kommunist mit menschlichem Antlitz
Seine Vision war der „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“. Als Symbolfigur des sogenannten Prager Frühlings von 1968 bemühte er sich um gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen in der Tschechoslowakei. Alexander Dubček wurde am 27. November 1921 geboren.
„Geehrte Volksversammlung, meine lieben Prager. Ich habe Sie gern, und Sie wissen es, aber trotzdem sage ich es Ihnen.“
Mit diesen Worten trat Alexander Dubček am 24. November 1989 bei einer der ersten Protestkundgebungen der Samtenen Revolution auf dem Prager Wenzelsplatz auf. Die Begeisterung der Menschen bestätigte, dass sein Name auch zwanzig Jahre nach der Niederschlagung des Prager Frühlings von großem Gewicht war. Der Politiker, der die Reformbewegung von 1968 verkörpert hatte, konnte ein Comeback feiern. Zurück nun aber zu den Anfängen seiner Karriere.
Alexander Dubček wurde am 27. November 1921 in der slowakischen Gemeinde Uhrovec geboren. Die Kinderjahre verbrachte er in der Sowjetunion. Seine Eltern, begeisterte Kommunisten, haben sich dort für den Aufbau des Sozialismus eingesetzt. 1938 kehrten sie in die Tschechoslowakei zurück. Während des Zweiten Weltkriegs beteiligte sich Dubček am Widerstandskampf gegen die Faschisten. Schon mit 18 Jahren trat er in die damals illegale Kommunistische Partei der Slowakei ein.
Erster Mann der tschechoslowakischen Kommunisten
Nach der Machtergreifung durch die Kommunisten im Februar 1948 begann die politische Karriere des zukünftigen ersten Mannes der KPTsch. Nach Ämtern auf Kreisebene folgte Mitte der 50er Jahre ein Studium an der Parteihochschule in Moskau. 1960 wurde der damals 39-jährige Dubček in das Zentralkomitee der slowakischen Kommunistischen Partei (KSS) gewählt, die als regionale Organisation der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei weiterbestand. 1963 war er bereits deren erster Sekretär und hatte zudem einen Platz im Zentralkomitee der KPTsch inne. Seit Mitte der 1960er Jahre nahmen in der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei die Diskussionen über zu ergreifende wirtschaftliche Maßnahmen zu. Zwei Lager standen sich gegenüber: das der Reformisten und das des Parteivorsitzenden Antonín Novotný, der jegliche Erneuerungen ablehnte. Ende 1967 spitzten sich die innerparteilichen Auseinandersetzungen zu. Novotný wurde abberufen, Alexander Dubček löste ihn als ein Kompromisskandidat an der Parteispitze ab. Am 5. Januar 1968 wurde Dubček zum neuen Ersten Sekretär des Zentralkomitees der KPTsch gewählt. Der Tschechoslowakische Rundfunk berichtete damals:
„In seiner Person werden die Kontinuität der Parteiführung fortgesetzt und die Erfahrungen seiner langjährigen Arbeit für die Partei aufgewertet. Nach seiner Wahl hielt Genosse Dubček eine kurze Rede. Er unterstrich die grundlegenden leninschen Prinzipien der Politik unserer Partei, ihre Einheit und Treue zum Marxismus-Leninismus, die seit der Parteigründung in ihrer Tätigkeit verankert sind. Er betonte die sozialistischen Prinzipien des Internationalismus und der Entwicklung des Sozialismus, die die Grundlage unseres gemeinsamen Staates der Tschechen und der Slowaken bilden, die Grundlage für Sicherheiten und für internationalen Schutz unseres Landes, das ein untrennbarer Teil des sozialistischen Weltsystems in enger Verbindung mit der Sowjetunion ist.“
Damit wurde Dubček zum mächtigsten Mann des Landes. In der Tschechoslowakei wurde ein Reformprozess gestartet, der später als Prager Frühling bekannt wurde. Unter anderem wurde die Zensur abgeschafft und den Bürgern die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit garantiert. Es wurden politische Parteien und Gruppierungen wiederbelebt, die zuvor verboten gewesen waren. Im April verabschiedete die neue Parteispitze ein „Aktionsprogramm“ zur Lösung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme. In einer Rundfunkansprache sprach Dubček damals seine berühmte Parole über den Aufbau des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ aus. Sie begeisterte die Bevölkerung. Innerhalb weniger Wochen wurde der Politiker zur beliebtesten Persönlichkeit im Lande.
Scheitern im August 1968
Etwa seit Juni 1968 geriet Dubček aber unter einen doppelten Druck. Die Öffentlichkeit forderte immer radikalere Reformen. Hingegen drängte die Sowjetunion und ihr oberster Mann Leonid Breschnew den Slowaken, die Reformen abzubrechen und warnte vor einer Kontrarevolution. Das Ende des Prager Frühlings kam am 21. August 1968: Die Truppen des Warschauer Paktes besetzten die Tschechoslowakei. Die Partei- und Regierungsspitze wurde nach Moskau verschleppt. Hier erwarteten Dubček und seine Mitstreiter erniedrigende Verhandlungen. Ihr Ergebnis war das sogenannte Moskauer Protokoll, das die Niederlage des Reformprozesses sowie die Einführung politischer Verhältnisse nach sowjetischem Vorbild besiegelte. Nach der Rückkehr wandte sich Alexander Dubček in einer emotionalen Radioansprache an die Tschechen und Slowaken:
„In dieser schwierigen Situation bleibt uns nichts anderes übrig, als alle Kräfte aufzubieten, um unserer Arbeit Erfolg zu verschaffen. Ich bitte Sie, die an einigen Stellen entstandenen Pausen zu entschuldigen.“
Im April 1969 wurde Dubček an der Spitze der kommunistischen Partei durch Gustav Husák abgelöst. Einige Monate war er Vorsitzender des neugegründeten föderativen Parlaments. In dieser Funktion unterzeichnete er unter anderem ein umstrittenes Gesetz: Das sogenannte Schlagstock-Gesetz erlaubte ein hartes Vorgehen gegen Demonstranten. Die Unterschrift unter diesen Erlass brachte Dubček weitere Kritiker ein. Ende des Jahres 1969 wurde er als Botschafter in die Türkei abgeschoben. Nach seinem Parteiausschluss 1970 lebte er bis Herbst 1989 in Bratislava abseits des öffentlichen Lebens. Den Oppositionellen und Bürgerrechtlern schloss er sich nie an.
Politisches Comeback 1989
Die Samtene Revolution im November 1989 brachte Dubček ein politisches Comeback. Begeistert begrüßten Hunderttausende die Symbolfigur des Prager Frühlings. Der Politiker des „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ strebte Ende 1989 sogar das höchste Ziel an, den Posten des tschechoslowakischen Staatsoberhauptes. Die politischen Verhandlungen zeigten aber, dass der Ex-Kommunist Dubček nach wie vor als eine umstrittene Persönlichkeit empfunden wurde. Im Dezember 1989 wurde er gleichwohl zum Vorsitzenden des tschechoslowakischen Bundesparlaments gewählt.
„Ich sehe dies als Anerkennung einer Kontinuität zwischen den heutigen Umbruchstagen und 1968. Es ist eine moralische Genugtuung für hunderttausende aktive Teilnehmer des Prager Frühlings.“
Zweieinhalb Jahre hatte Alexander Dubcek die Funktion an der Spitze des tschechoslowakischen Parlaments inne. Im November 1992 starb er an den Folgen eines Autounfalls, in den er auf der Autobahn zwischen Prag und Bratislava geriet. Knapp zwei Monate später wurde der gemeinsame tschechoslowakische Staat aufgelöst.
Wunderbare Symbolfigur, aber schlechter Politiker
Seine Bemühungen um Reformen sowie sein bescheidenes Auftreten brachten Dubček in den 1960er Jahren eine enorme Popularität ein. Er wurde zum Symbol des Prager Frühlings. Als Politiker sei er aber kaum erfolgreich gewesen, meinte der Historiker Michal Stehlík in einer Sendung des Tschechischen Rundfunks:
„Er war tief verankert im Nomenklatura-System der kommunistischen Partei. Die Gesellschaft und einige aktivere Reformkommunisten haben ihn gedrängt, Veränderungen umzusetzen. Gleichzeitig stand er aber unter dem Druck Moskaus, dies nicht zu tun. Er war sich seiner massiven Unterstützung durch die Gesellschaft sehr wohl bewusst, hat aber trotzdem seine Rolle in der Geschichte nicht bewältigt. Dieser Mensch, dessen Mission im August 1968 zusammenbrach, hat damals beinahe geweint und wiederholt beklagt, wie ihm die Genossen das haben antun können. Dies zeigt gut, dass seine Denkweise auf der Logik der Kommunisten und Genossen beruhte.“
Der Historiker räumt Alexander Dubček dennoch die Rolle einer Symbolfigur ein:
„Ich beurteile ihn kritisch als eine Person, die eine ausgezeichnete Figur für die Titelseiten der Magazine war. Er schaffte es, den Menschen Hoffnung zu geben. Dubček war meiner Meinung nach eine wunderbare Symbolfigur, aber ein schlechter Politiker.“