Vor Ort in Brüssel - tschechische Korrespondenten in der europäischen Hauptstadt

In der heutigen Ausgabe von Im Spiegel der Medien, der Mediensendung von Radio Prag befasst sich Robert Schuster mit der Frage nach der Präsenz der tschechischen Medien in Europas Hauptstadt, in Brüssel.

Liebe Hörerinnen und Hörer, seit vier Monaten ist die Tschechische Republik Vollmitglied der Europäischen Union. Seither sind nicht nur die Unterschiede zwischen tschechischer Außen- und Europapolitik auf der einen und europäischer Innenpolitik auf der anderen Seite wesentlich geringer geworden. Auch Berichten und Informationen über das Geschehen in Brüssel wird in den meisten tschechischen Zeitungen, bei Rundfunk und Fernsehen mittlerweile mehr Platz eingeräumt, als noch vor dem 1. Mai diesen Jahres. Nicht alle heimischen Medien haben jedoch in Brüssel, d.h. direkt an der Schaltstelle der europäischen Verwaltung, einen eigenen ständigen Korrespondenten oder zumindest einen Mitarbeiter, der regelmäßig berichten würde. Wenn dann in der europäischen Metropole wichtige Entscheidungen auf der Tagesordnung stehen, werden von den Redaktionen entweder kurzerhand Sonderberichterstatter hingeschickt, oder man verlässt sich auf die Agenturen.

Lange Zeit hatten nur die drei öffentlich-rechtlichen Medien, und zwar das Tschechische Fernsehen, der Tschechische Rundfunk und die Nachrichtenagentur CTK das Privileg mit einem eigenen Berichterstatter in Brüssel vertreten zu sein. Das hing nicht zuletzt auch mit dem relativ großen Kostenaufwand für Büro und Lebensunterhalt für die Journalisten zusammen, den die meisten anderen Medien nicht aufbringen konnten oder wollten. Vor vier Jahren haben sich aber die Reihen der tschechischen Brüssel-Korrespondenten erweitert. Nach der auflagenstärksten unter den seriösen tschechischen Tageszeitungen, der Mlada fronta Dnes, hat ein knappes Jahr später auch die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny ein eigenes Büro samt Berichterstatter in Brüssel errichtet.

Seit Anfang September hat nun mit der Tageszeitung Lidove noviny ein weiteres überregionales Medium eine eigene Korrespondentin in Europas Metropole. Die junge Journalistin Katerina Safarikova, die bislang für die Wochenzeitschrift Respekt tätig war, wird künftig für die Lidove noviny aus Brüssel schreiben.

Radio Prag unterhielt sich im Folgenden mit ihr und befragte sie nach ihren Erwartungen und auch den Herausforderungen, die mit dem Brüsseler Korrespondenten-Alltag zusammenhängen werden. Als einer ihrer wichtigsten Aufgaben in der Anfangszeit sieht Frau Safarikova die Notwendigkeit informelle Kontakte zu den Brüsseler Institutionen zu knüpfen, um von ihnen wichtige Hintergrundinformationen zu erhalten. Wie lange so etwas dauern kann, lässt sich am Beginn ihrer Korrespondenten-Tätigkeit nur schwer einzuschätzen, wie Katerina Safarikova erläutert:

In der Vergangenheit wurde oft darauf hingewiesen, dass der Themenkomplex Europa den Lesern nur sehr schwer zu vermitteln sei und somit die Gefahr bestehen würde, dass alles stark vereinfacht werden und dabei der Blick für das Ganze verloren gehen könnte.

Als Berichterstatter vor Ort hat man laut Katerina Safarikova in vielen Fällen auch die Aufgabe die eigene Redaktion davon zu überzeugen, dass ein ins Auge gefasstes Thema wichtig sei und es somit verdiene behandelt zu werden.

Daran knüpft auch unsere nächste Frage an Frau Safarikova an, nämlich, ob es eine Art Strategie gibt, wie man aus Brüssel über die Europäische Union berichten kann, ohne die Leser dabei zu langweilen, oder ihnen detaillierte Vorkenntnisse abzuverlangen? Kann man eigentlich an diesem Thema, selbst wenn die Gemeinschaft vor wenigen Monaten größer wurde, noch etwas neues und vorher unbekanntes entdecken und darüber berichten? Dazu meint Katerina Safarikova:

Foto: Archiv Radio Prag
"Die eigentliche EU-Thematik ist sehr stark auf Institutionen bezogen ist schwerfällig und den Lesern schwer vermittelbar. Dazu kommt aber noch ein weiteres Phänomen hinzu nämlich, dass die meisten Journalisten, die bereits längere Zeit in Brüssel tätig sind, nach einer gewissen Zeit selber Bestandteil des dortigen Betriebs und der Institutionen werden. Es fehlt dann also diese Distanz, sie schaffen es nicht mehr als Journalisten zu fragen, d.h. auch die nicht informierte Öffentlichkeit zu vertreten und auch dementsprechend zu fragen. Wichtig ist also die Themen selbst zu finden, sie zugänglich und verständlich zu verarbeiten, gleichzeitig aber auch nicht den Anspruch auzufgeben, Fakten zu bringen. Das alles zu schaffen kommt einem komplizierten Rätsel gleich und nicht allen gelingt es dieses Rätsel zu lösen."

Für die Lidove noviny, die mit einer durchschnittlich verkauften Auflage von knapp 75 000 Exemplaren pro Tag zu den kleineren unter den seriösen tschechischen Blättern gehört, wird Katerina Safarikova nicht nur die erste Korrespondentin ihrer Zeitung in Brüssel, sondern überhaupt auch die erste ständige Berichterstatterin im Ausland sein. Bedeutet das also gleichzeitig, dass sie von Beginn an regelmäßig Platz auf den Seiten zugeteilt bekommt und somit einen gewissen Vorteil gegenüber ihren Kollegen in der Heimatredaktion haben wird, oder erwartet sie eher, dass sie wegen jeder Zeile über Europa eine harte Überzeugungsarbeit wird leisten müssen? Hören Sie abschließend noch einmal Katerina Safarikova, die seit Anfang September die insgesamt sechste Korrespondentin eines tschechischen Mediums in Brüssel ist:

"Zu Beginn wird das wohl so sein, dass ich mich regelmäßig mit der Redaktion in Verbindung setzen werde und die Geschichten je nach Bedarf entweder auf den innenpolitischen- oder den außenpolitischen Seiten erscheinen werden. Es kann natürlich sein, dass sich mit der Zeit eine feste Rubrik daraus ergeben wird, aber jetzt ist es noch verfrüht diese Überlegungen anzustellen. Aber im Prinzip ergäbe eine eigene Kolumne schon eine gewisse Logik, denn nicht zuletzt versucht auch jede Redaktionsleitung gewisse Schwerpunkte bei der Berichterstattung zu setzen, und wenn man schon ein eigenes Korrespondenten-Büro im Ausland und speziell in Brüssel hat, warum sollte man das dann auch nicht entsprechend nutzen."