Vor siebzig Jahren wurde das Münchner Abkommen unterzeichnet

Adolf Hitler beim Unterzeichnen des Münchener Abkommens

Zum siebzigsten Mal jährt sich in diesen Tagen die Unterzeichnung des Münchner Abkommens. Mit diesem zwischen Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien geschlossenen Vertrag wurde die Tschechoslowakei gezwungen, die so genannten Sudetengebiete an das Deutsche Reich abzutreten.

Édouard Daladier
„Ich habe angekündigt, das ich heute Abend über die internationale Lage eine Rede an das Land halten werde. Aber, heute am frühen Nachmittag hat mich eine Einladung der deutschen Regierung erreicht. Ich soll morgen Früh in München mit Kanzler Hitler, Herrn Mussolini und Herrn Neville Chamberlain zusammentreffen. Ich habe diese Einladung angenommen. Sie werden verstehen, dass ich am Vorabend so wichtiger Verhandlungen die Pflicht habe, meine Erklärungen, die ich Ihnen heute präsentieren wollte, zu überarbeiten.. Seit Beginn der schwierigen Periode, die wir durchschreiten, habe ich meine Arbeit nicht einen einzigen Tag lang unterbrochen. Ich arbeite mit allen meinen Kräften für die Erhaltung des Friedens und die Bewahrung der grundlegenden Interessen Frankreichs. Auch morgen werden ich diese Anstrengungen fortsetzen.“

Soweit der französische Ministerpräsident Édouard Daladier am 28. September 1938. Tags darauf wurde im Führerbau am Königsplatz das Münchner Abkommen unterzeichnet. Am Verhandlungstisch saßen neben Daladier und Hitler der britische Premierminister Arthur Neville Chamberlain und der italienische Diktator Benito Mussolini. Vertreter der Tschechoslowakei und ihres Bündnispartners Sowjetunion waren nicht eingeladen. Mit dem Abkommen war die Abtretung der Sudetengebiete besiegelt.

 Neville Chamberlain mit Adolf Hitler
„Achtung, Achtung. Wir geben Ihnen folgende wichtige Sondermeldung bekannt: Wie der Drahtlose Dienst soeben erfährt, wurde heute um null Uhr dreißig von dem Führer, dem Duce, dem britischen Premierminister und dem französischen Ministerpräsidenten ein Abkommen über die Bedingungen und Modalitäten der Abtretung des sudetendeutschen Gebietes unterzeichnet.“

Kurz zur Vorgeschichte: Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 teilte beinahe die gesamte Tschechoslowakei ihre Grenzen mit dem deutschen Reich. Für Adolf Hitler war es von zentraler Bedeutung, auch die Tschechoslowakei unter deutsche Herrschaft zu bekommen. Nur so konnte er seine Vorstellungen von einer Vormachtstellung Deutschlands in Ost- und Mitteleuropa verwirklichen. Daher machte sich Hitler noch im März 1938 an die – wie er es nannte – Lösung der tschechoslowakischen Frage. Eng mit dieser Frage verbunden war natürlich das Schicksal der rund drei Millionen Sudetendeutschen in der Tschechoslowakei. Nach dem Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie und Gründung der selbständigen Tschechoslowakei im Oktober 1918 spitzten sich die Nationalitätenkonflikte zu. Genau dies wusste Hitler für seine Ziele zu nützen.

Konrad Henlein
Am 28. März 1938 traf er mit dem Vorsitzenden der Sudetendeutschen Partei (SdP) Konrad Henlein zusammen und befahl ihm, im Namen der deutschsprachigen Bevölkerung Forderungen an die tschechoslowakische Regierung zu stellen. Und zwar solche, die die tschechoslowakische Regierung unmöglich annehmen konnte. Diese Forderungen gipfelten im Karlsbader Programm, das die SdP am 24.April 1938 verabschiedete. Auch hier zog Hitler im Hintergrund die Fäden. Das Karlsbader Programm sah äußerst weit reichende Rechte für die sudetendeutsche Bevölkerung vor. So unter anderem eine eigenständige Staatsverwaltung für die deutschsprachigen Bürger der Tschechoslowakei. Die Umsetzung dieser „Wünsche“ von sudetendeutscher Seite hätte wohl über kurz oder lang das Ende des tschechoslowakischen Staates bedeutet. Mit dem Karlsbader Programm spitze sich – ganz im Sinne Hitlers – die Krise in der Sudeten-Frage weiter zu. Hitler setzte nach und forderte die Abtretung des Sudetengebietes an das Deutsche Reich. In der äußerst gespannten Situation ordnete die Tschechoslowakei am 20. Mai 1938 die Mobilmachung an. Man erwartete täglich einen deutschen Angriff – zunächst war diese Befürchtung freilich noch unbegründet. Nur ein entschlossenes Auftreten Großbritanniens und Frankreich konnte einen bewaffneten Konflikt verhindern.

Aber bereits im Mai 1938 hatte Hitler den Entschluss zum Einmarsch in die Sudetengebiete gefasst: Am 30.5.1938 befahl er, die Wehrmacht ab dem 1.Oktober in Bereitschaft zu versetzen. Um seinen Forderungen nach mehr Autonomie für die deutschsprachigen Tschechen das entsprechende Gewicht zu verleihen, startete Hitler einen groß angelegten Propagandafeldzug. Mit möglichst breiter Unterstützung durch die Sudetendeutschen versuchte er die deutschen Gebietsansprüche international zu rechtfertigen. Und er wurde nicht müde zu betonen, es handle sich dabei um die letzte territoriale Forderung des Deutschen Reichs.

Eine zentrale Rolle in der weiteren Entwicklung der Krise spielte Großbritannien: In London hoffte man, durch Zugeständnisse an Deutschland noch größeres Unheil abwenden zu können. Hinzu kam die Ablehnung der aus britischer Sicht zu restriktiven tschechoslowakischen. Anfang September drohte Adolf Hitler offen mit einem Einmarsch in die Tschechoslowakei. Auf Verhandlungen zwischen Hitler und Chamberlain auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden folgte am 22. September 1938 die Godesberger Konferenz. Dort erklärte sich Großbritannien bereit, Hitlers Forderung nach Abtretung des Sudetengebietes an das Deutsche Reich zu unterstützen. Adolf Hitler stellte daraufhin ein Ultimatum: Bis 28. September 1938 sollte eine Volksabstimmung in einem nicht klar definierten Teil der Tschechoslowakei über die bevorzugte Staatszugehörigkeit der Bevölkerung stattfinden. Außerdem kündigte er den Einmarsch der Wehrmacht bis zu diesem Datum an. Auf Bitte Großbritanniens vermittelte nun Benito Mussolini in dem Konflikt. Die Konsequenz war das Vier-Mächte-Treffen in München und die Unterzeichnung des Münchner Abkommens in der Nacht vom 29. auf den 30.September 1938.

Adolf Hitler in Prag
„Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien sind unter Berücksichtigung des Abkommens, das hinsichtlich der Abtretung der sudetendeutschen Gebiete bereits grundsätzlich erzielt wurde, über folgende Bedingungen und Modalitäten dieser Abtretung und über die danach zu ergreifenden Maßnahmen übereingekommen und erklären sch durch dieses Abkommen einzeln verantwortlich für die zur Sicherung seiner Erfüllung notwendigen Schritte.

1.) Die Räumung beginnt am 1.Oktober.

Adolf Hitler beim Unterzeichnen des Münchener Abkommens
2.) Das Vereinigte Königreich, Frankreich und Italien vereinbaren, dass die Räumung des Gebiets bis zum 10. Oktober vollzogen wird. (…) “

Damit war das Schicksal des Sudetengebietes besiegelt. Die Räumung und Machtübernahme Deutschlands verlief ohne wirklichen Widerstand von tschechischer Seite. Dabei waren auch viele Sudetendeutsche gegen die so genannte „Heimkehr“ ins Reich und fühlten sich durch Hitler instrumentalisiert.

4.) „Die etappenweise Besetzung des vorwiegend deutschen Gebietes durch deutsche Truppen beginnt am 1. Oktober.(…)“

Bis heute ist unter Historikern und Verteidigungsexperten umstritten, ob die Tschechoslowakei militärischen Widerstand gegen die erzwungene Abtretung der Sudetengebiete hätte leisten sollen und ob das Land dazu überhaupt im Stande gewesen wäre. Der tschechoslowakische Ministerpräsident, Armeegeneral Jan Syrový, anlässlich der Unterzeichnung des Münchner Abkommens davon überzeugt, dass jeder Widerstand zwecklos gewesen wäre. In einer Rundfunkansprache wandte er sich kurz nach dem Akt von München an die Bevölkerung der Tschechoslowakei. Auch an die deutschsprachige:

Münchener Abkommen
„Ihr wisst genau, dass ich einer von denen bin, die während des Weltkrieges in freiwilliger Einigkeit und Disziplin fern von der Heimat die nationale Tschechoslowakische Armee aufgebaut hat. Ihr wisst, dass meine Waffengefährten ohne Zögern ihr Leben für das der Nation zu opfern verstanden haben. Heute wie damals geht es um die Zukunft der Nation und um ihr Leben. Als Soldat und als Vorsitzender der Regierung muss ich zuallererst an das Leben von euch allen, von Millionen arbeitender Bürger, von Männern, Frauen und Kindern denken. Ich durchlebe den schwersten Augenblick meines Lebens, denn ich erfülle meine schmerzlichste Aufgabe, eine Aufgabe, die schwerer ist als der Tod. Aber gerade deshalb, weil ich gekämpft habe und weil ich weiß, unter welchen Voraussetzungen man einen Krieg gewinnt, muss ich euch offen sagen, so wie es mir das Gewissen eines verantwortlichen Armeekommandanten gebietet, dass die Macht, die sich in diesen Augenblicken gegen uns gestellt hat uns nötigt, ihrer Übermacht bewusst zu sein und dementsprechend zu handeln. (…) In München sind die vier europäischen Großmächte zusammengetreten und haben beschlossen, uns zur Annahme neuer Grenzen aufzufordern, durch welche die deutschen Gebiete von unserem Staate abgetrennt werden. Wir hatten die Wahl zwischen einer verzweifelten und aussichtslosen Abwehr, welche die Opferung nicht nur der ganzen erwachsenen Generation, sondern auch der Kinder und Frauen bedeutet hätte und der Annahme der Bedingungen, die uns unter Druck und ohne Krieg auferlegt, in ihrer Rücksichtslosigkeit beispiellos in der Geschichte sind."