Verrat: ein sinnloses Opfer des Westens?

Adolf Hitler mit Neville Chamberlain auf dem Obersalzberg im Juli 1938 (Foto: Bundesarchiv, Bild 183-H12478 / Unknown / CC-BY-SA 3.0)

Die Krise in der Tschechoslowakei blieb auch im Ausland nicht unbemerkt. Bald war jedoch klar, dass die Tschechoslowakei geopfert werden soll. Für einen Frieden, der schon damals nicht mehr zu retten war.

Karel Straka  (Foto: Archiv des Militärhistorischen Instituts)
In der krisengeschüttelten Tschechoslowakei waren zu jener Zeit alle Augen auf London und Paris gerichtet, man setzte viele Hoffnungen in die westlichen demokratischen Verbündeten. Großbritannien und Frankreich hatten in jener Zeit tatsächlich nur ein Ziel.

„Den Vertretern beider Großmächte ging es nur um eins: sie wollten einen Krieg um jeden Preis zu verhindern“, erklärt der Militärhistoriker Karel Straka die Lage damals.

Seit dem bis dahin größten Massenmorden der Geschichte waren nämlich keine 20 Jahre vergangen und der Schock des Ersten Weltkriegs saß tief überall in Europa:

„Das Erlebnis des Ersten Weltkriegs und die Erfahrung des Sterbens in den Schützengräben war ein Faktor in den Entscheidungen sowohl Frankreichs als auch Großbritanniens. In London herrschte eine richtige Kriegspsychose und vor allem die massive Angst vor deutschen Bombern. Das war zu der Zeit eigentlich unbegründet, weil die deutsche Luftwaffe zu dem Zeitpunkt nur eine Reichweite bis zur Küste Südenglands hatte.“

Nun litt Europa immer noch an den Folgen der Wirtschaftskrise und die sicherheitspolitische Lage war nach wie vor instabil – der Kontinent glich einem Pulverfass. Die Krise im Sudetenland erkannten die westlichen Verbündeten der Tschechoslowakei klar als genug Zündstoff für eine neue Katastrophe. Doch um seinem Verbündeten beizustehen, fehlten London und Paris sowohl die Kraft als auch der Mut:

Adolf Hitler mit Neville Chamberlain auf dem Obersalzberg im Juli 1938  (Foto: Bundesarchiv,  Bild 183-H12478 / Unknown / CC-BY-SA 3.0)
„Der britische Premier Chamberlain und große Teile seines Kabinetts waren von einer Sache überzeugt: Und zwar, dass man durch die Abtrennung der deutsch-besiedelten Grenzgebiete der Tschechoslowakei den territorialen Hunger des Deutschen Reiches unter Hitler stillen könnte.“

Vor allem Großbritanniens Premier Neville Chamberlain suchte den Ausgleich mit Hitler. Nach einem Besuch auf dem Obersalzberg im Juli 1938 schien man eine gemeinsame Sprache gefunden zu haben:

„Ich komme zurück von meinen langen Gesprächen mit dem deutschen Reichskanzler. Ich bedanke mich für einen warmen Empfang und erachte die Gespräche als freundlich und offen. Ich bin überzeugt, dass man sich versteht.“

Abgemacht wurde, dass dem Deutschen Reich tatsächlich die Gebiete der Tschechoslowakei zugeschlagen werden sollen, in denen damals mehr als 50 Prozent Deutsche lebten. Schnell konnte Chamberlain auch seinen französischen Amtskollegen Édouard Daladier für die Idee gewinnen, In Prag nahm man das mit Entsetzten auf, Premier Milan Hodža verkündete nach der Kabinettssitzung, als man Hitlers Pläne abgelehnt hatte:

Milan Hodža  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Tschechoslowakei hat alle Aufgaben erfüllt, die in ihrer Verantwortung waren. Nun ist es an allen anderen Seiten, dasselbe zu tun.“

Frankreich und England riefen den kleinen Verbündeten im Osten jedoch schnell zur Ordnung. Sollte die Tschechoslowakei nicht einwilligen, dann würde allein sie im Falle eines deutschen Angriffs als Aggressor gelten. Prag gab folglich klein bei, Premier Milan Hodža trat geschlagen vor die Rundfunkmikrophone – das war am 20. September 1938:

„Da ein Ende des Friedens und eine Zersetzung unserer Republik drohten, warnten uns die Vertreter der Großmächte Frankreich und Großbritannien, bei den Gebietsabtretungen einzuwilligen. Damit sollten Ruhe und Sicherheit unserer Bürger auf unserem Gebiet wiederhergestellt werden. Die Großmächte haben ihren Vorschlag mit der Feststellung vorgebracht, dass nur durch dieses Opfer unsere staatliche Integrität gewahrt werden könne, die mit diesem Tage einen schweren Schlag erlitten hat.“

Sudeten  (Quelle: Ike,  CC BY-SA 3.0)
Doch Hitler war unersättlich – nun sollten nämlich auch Polen und Ungarn ihren Willen bekommen und sich ihren Teil der Tschechoslowakei nehmen. Das Grundgerüst des Münchner Abkommens stand also, es musste nur noch unterzeichnet werden. Davor gab es aber noch ein letztes Aufbäumen der Tschechen und Slowaken.