Mobilisierung: ein letzter Funke Hoffnung

Mobilisierung 1938 (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Was wäre gewesen, wenn wir uns gewehrt hätten? Diesen Satz hört man oft in Tschechien, wenn es um das Münchner Abkommen und die Besetzung durch Nazi-Deutschland geht. Doch ganz ohne Gegenwehr akzeptierten die Tschechen und Slowaken ihr Schicksal nicht.

Jan Syrový  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die Tschechen und Slowaken wollten nicht einsehen, dass sie Hitler zum Fraß vorgeworfen werden sollten. Gleich nachdem bekannt wurde, dass Premier Milan Hodža eingeknickt war, versammelte sich eine Viertelmillion Menschen vor dem Sitz der Regierung. Präsident Edvard Beneš reagierte und setzte Hodža ab. Neuer Regierungschef wurde der einäugige Weltkriegsheld Jan Syrový. In einer Rundfunkansprache rief der Veteran aus der Schlacht von Zborow zur Ruhe auf:

„Die Armee kann ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn sie ein ruhiges Volk hinter sich hat. Gehen Sie alle ihren üblichen Pflichten nach! Jede weitere Demonstration würde nur dem Feind helfen!“

Die Berufung Syrovýs hatte aber vor allem symbolischen Charakter, erklärt der Historiker Martin Kovář von der Prager Karlsuniversität:

Mobilisierung 1938  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Der Regierungswechsel war ein theatraler Akt, vor allem weil ein einäugiger Kriegsheld Premier wurde. Insgesamt war es aber so, dass die Gründungsgeneration in der Bevölkerung fest hinter der Tschechoslowakei stand. Das schließt einen Teil der Deutschen und Ungarn mit ein. Viele waren also von Vornhinein bereit, für den Staat in den Kampf zu ziehen und sogar zu sterben.“

Jan Syrový schlägt alle Forderungen Deutschlands ab, auch Gebiete an Polen und Ungarn abzutreten. Am 23. September ruft der Soldat aus Leidenschaft die Generalmobilmachung aus, und die Tschechoslowaken folgen bereitwillig. Weit über eine Million Menschen waren sofort an den Waffen, sogar die über 600 Kampfflugzeuge der tschechoslowakischen Armee waren sofort einsatzbereit. Tatsächlich war die Verteidigung bei einem Einmarsch Deutschlands minutiös durchgeplant, unter anderem sollte der sogenannte Tschechoslowakische Wall helfen. Dazu Militärhistoriker Karel Straka:

Karel Straka  (Foto: Andrej Halada,  Archiv des Militärhistorischen Instituts)
„1934 verlagerte sich die tschechoslowakische Verteidigungsstrategie von Ungarn in Richtung Deutschland. Das lief hochorganisiert ab unter Einbeziehung der ganzen Volkswirtschaft. Man kann sagen, dass die tschechoslowakische Armee zu dem Zeitpunkt europaweit am besten vorbereitet war auf eine mögliche Aggression aus Nazi-Deutschland.“

Nichtsdestotrotz stand die tschechoslowakische Armee einer Übermacht entgegen und ohne Hilfe aus dem Westen wäre eine Niederlage vorprogrammiert. Doch die Verbündeten in Großbritannien und Frankreich hatten sich bereits anders entschieden – nämlich für einen politischen Friedensschluss mit Hitler. Die Tschechoslowakei sollte dabei geopfert werden, und zwar in der Nacht von 29. auf 30. September in München.