Eine Katastrophe und ihre Wirkung

Münchner Abkommen
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Das Münchner Abkommen gilt als eines der größten Traumata bei den Tschechen. Die Rezeption war durch die Geschichte hindurch aber unterschiedlich.

Münchener Konferenz am 29.9.1938 im Führerbau am Königsplatz in München,  v. l. n. r.: Benito Mussolini,  Adolf Hitler,  Edouard Daladier,  Dolmetscher Legationsrat Dr. Paul Schmidt  (hinten) | Foto: Heinrich Hoffmann,  Bundesarchiv,  Bild 146-1971-041-31,  CC BY-SA 3.0
„Achtung, Achtung! Wir geben Ihnen folgende wichtige Sondermeldung bekannt: Wie der Drahtlose Dienst soeben erfährt, wurde heute um null Uhr dreißig von dem Führer, dem Duce, dem britischen Premierminister und dem französischen Ministerpräsidenten ein Abkommen über die Bedingungen und Modalitäten der Abtretung des sudetendeutschen Gebietes unterzeichnet.“

Dies war am 30. September die offizielle Meldung im deutschen Rundfunk. Das Münchner Abkommen war im Führerbau Hitlers in der bayerischen Hauptstadt geschlossen worden. Die Tschechoslowakei wurde damit verpflichtet, bis zum 10. Oktober die Sudetengebiete zu räumen. Für das Land bedeutete dies den Verlust von rund einem Drittel seines Staatsgebietes und seiner Bevölkerung, aber auch praktisch die Zerstörung der eigenen Verteidigungsfähigkeit.

Der tschechoslowakischen Führung blieb nichts anderes übrig, als klein beizugeben und den Vertrag zu akzeptieren. Premier Jan Syrový rechtfertigte dies darauf gegenüber seinen Landsleuten – und zwar auf Tschechisch und auf Deutsch:

„Ich durchlebe den schwersten Augenblick meines Lebens, denn ich erfülle meine schmerzlichste Aufgabe, eine Aufgabe, die schwerer ist als der Tod. Aber gerade deshalb, weil ich gekämpft habe und weiß, unter welchen Voraussetzungen man einen Krieg gewinnt, muss ich euch offen sagen, so wie es mir das Gewissen eines verantwortlichen Armeekommandanten gebietet: Die Macht, die sich in diesen Augenblicken gegen uns gestellt hat, nötigt uns, ihrer Übermacht bewusst zu sein und dementsprechend zu handeln.“

Doch damit war auch das Schicksal der restlichen Tschechoslowakei besiegelt. Im März 1939 marschierte die Wehrmacht in Prag ein und schuf einen Staat von Hitlers Gnaden, das Protektorat Böhmen und Mähren. Kurz zuvor hatte sich die Slowakei bereits abgespalten und in einen klerikal-faschistischen Staat verwandelt. Am Ende stand die Vertreibung der Tschechen aus den Grenzgebieten, und bis Kriegsende 1945 über 350.000 Tote auf Seiten der Tschechoslowakei.

Volker Zimmermann  (Foto: Archiv Collegium Carolinum)
Wie das Münchner Trauma den Tschechen durch die Geschichte hindurch aber im Gedächtnis geblieben ist, auch damit hat sich der Münchner Historiker Volker Zimmermann beschäftigt:

„In der kommunistischen Zeit war ‚München‘ immer ein Schlagwort, mit dem vor einer potentiellen deutschen Gefahr gewarnt wurde. Konkret auch damit, dass im Falle eines Konfliktes mit den Westdeutschen die entsprechenden Gebiete zurückgeholt werden. Außerdem wurde in der kommunistischen Propaganda darauf hingewiesen, dass München ein Verrat der Westmächte gewesen sei. Gerade in den Grenzgebieten war fiel dies auf fruchtbaren Boden, also bei den Menschen, die nach 1945 dorthin eingewandert waren. Diese lebten ja in den Häusern der ehemals deutschen Bewohner.“

Wie änderte sich aber die Sicht auf das Münchner Abkommen nach der Wende von 1989?

„Erst blieb es natürlich bei den Befürchtungen, es musste sich erst mit der Zeit eine Normalisierung einstellen zwischen Deutschen und Tschechen. Es gibt da aber zwei Faktoren, die zu dieser Normalisierung beigetragen haben. Einmal war das der Prag Vertrag von 1973 zwischen der Bundesrepublik und der Tschechoslowakei, wo das Münchner Abkommen für nichtig erklärt wurde. Damit schien dieses Problem nach außen hin zumindest diplomatisch gelöst. Zweitens wurde das 1992 dann im Deutsch-Tschechoslowakischen Vertrag noch einmal so aufgegriffen. Zwar war außenpolitisch ein Fortschritt da, dass Trauma konnte sich so aber nicht verflüchtigen, auch wenn es mit der Zeit an Aktualität verloren hat. Doch wird es auch heute noch in Tschechien oft hervorgeholt, vor allem im Wahlkampf.“