Welle des Mitgefühls in Tschechien
Von Marketa Maurova.
Die tragischen Ereignisse in den USA haben in Tschechien eine Welle des Mitgefühls ausgelöst. Präsident Vaclav Havel und viele Passanten legten vor den US-Einrichtungen Blumen nieder oder zündeten Kerzen an. In vielen Kirchen des Landes wurde für die Opfer gebetet und für den Samstag wurde ein ökumenischer Gottesdienst im St. Veitsdom auf der Prager Burg angekündigt.
Am Mittwoch Nachmittag versammelten sich einige Hundert Leute am Denkmal des böhmischen Landespatrons auf dem Wenzelsplatz in Prag, um der Opfer der Angriffe zu gedenken. Unter den Signataren der Aufforderung, die während des Vormittags per e-mail verbreitet wurde, war auch der frühere Generaldirektor des Tschechischen Rundfunks, Vlastimil Jezek:
"Die Aufforderung kam in voller Hast zustande. Im Augenblick, als ich angerufen wurde, habe ich keine einzige Sekunde gezögert. Denn was kann man schon gegen diese Narren machen, die imstande sind, völlig unschuldige Menschen zu entführen und mit einem Verkehrsflugzeug gegen einen New Yorker Wolkenkratzer zu prallen, und dabei wohl glauben, dass es eine tolle Art und Weise sei, wie auf ihre Interessen - ich weiß nicht, welche und wessen - aufmerksam zu machen ist. Ich kann dafür nur schwierig Worte finden. Es gibt keine Worte dafür."
Was kann man schon gegen diese Narren machen..., sagt Jezek. Was kann also ein Bürger gegen Terrorristen tun?
"Was... In erster Linie keine Angst haben. Ich weiß, dass heute sogar einige hohe Vertreter des Innenministeriums vor der Teilnahme hier auf dem Wenzelsplatz warnten, sie erhöhe das Sicherheitsrisiko. Ich fürchte, dass die Terroristen - woher sie auch stammen - gerade dies wollen, d.h. Angst und Chaos hervorrufen. Hier geht es aber wirklich um einen besonderen Krieg, in dem auf der einen Seite die Demokratie als solche und die westlichen Werte der demokratischen und christlichen Welt stehen, und auf der anderen Seite irgendwelche rohe Gewalttäter, die in Zivil, ohne Uniform, einen Krieg gegen Demokratie und diese Werte führen. Ich habe in diesem Augenblick keine andere Idee, als keine Angst zu haben und meine Meinung etwa auf diesem Weg zu äußern. Wenn man wüsste, wer dahinter steht, könnte man gegen ihn etwas unternehmen. Sie sind aber so feige, dass sie sich nicht einmal zeigen und sagen: Ich war es."
Innenminister Stanislav Gross warnte kurz vor der Veranstaltung am Wenzelsplatz die Öffentlichkeit, nicht an ihr teilzunehmen. Droht in Tschechien tatsächlich eine reale Terrorismusgefahr?
"Ich glaube schon. Schauen wir uns nur faschistische und rassistische Äußerungen gegen Einzelpersonen und Gruppen in diesem Land in den vergangenen zehn Jahren und eine gewisse Lässigkeit an. Manche halten das für Jungenstreiche, aber auch hier sind bereits einige Leute gestorben. Es war zwar nicht in einem der größten Wolkenkratzer der Welt, aber da, im Kleinem fängt alles an. Was die Befürchtungen vor dem Terrorismus angeht: Ich weiß nicht, ob ein Narr fähig ist, mit einem Flugzeug, das er auf dem Flughafen in Prag entführt hat, etwa gegen das Gebäude der ehemaligen Föderalversammlung zu prallen, wo derzeit Radio Free Europe sitzt, übrigens ein amerikanisches Radio. Es ist aber egal, ob dies in New York, London, Prag oder Paris passiert. Hier geht es um alle anständigen Leute auf der einen Seite, zu denen ich mich zähle, und deswegen bin ich da."