„Wer die Musik liebt, fühlt sie im Herzen“

Milan Řeřicha (Foto: Ondřej Tomšů)

Milan Řeřicha ist Klarinettenvirtuose und Musikpädagoge. Er tritt als Solist mit renommierten Orchestern und Dirigenten auf und leitet zahlreiche Meisterkurse im Ausland. Vor acht Jahren gründete er in Westböhmen einen Betrieb, der Klarinetten baut. Milan Řeřicha beteiligt sich selbst an der Entwicklung der Musikinstrumente. Seit 2002 unterrichtet der Klarinettist an der Musikhochschule in Lugano in der Schweiz. Vorige Woche war der Musiker zu Besuch in unserem Rundfunkstudio.

Milan Řeřicha  (Foto: Ondřej Tomšů)
Herr Řeřicha, stammen Sie aus einer Musikerfamilie?

„Ich stamme nicht aus einer Musikerfamilie, sondern eher aus einer Familie großer Musikliebhaber. Wir hatten zu Hause viele Schallplatten. Und wir haben auch viel klassische Musik gehört. Als ich fünf Jahre alt war, habe ich mich in Tschaikowskis ,Capriccio Italien‘ verliebt. Bei uns zu Hause herrschte immer eine musikalische Atmosphäre.“

Warum haben Sie sich gerade für die Klarinette entschieden? Haben Sie vorher schon ein Musikinstrument gespielt?

„Damals herrschte noch der Kommunismus bei uns. Dadurch hatte man nicht so viele Möglichkeiten. In meinem Heimatort Lubenec nahe Karlsbad, wo ich aufgewachsen bin, gab es insgesamt nur zwei Lehrer. Die eine Lehrerin hat Klavierunterricht gegeben und ihr Kollege hat Tschechisch und Geschichte unterrichtet und war zudem Musikliebhaber. Er beherrschte sieben Instrumente und wusste ganz genau, was wichtig ist – die Tonleiter, die langen Töne und die Akkorde. Ich habe mit sechs Jahren angefangen Klavier zu spielen. Zwei Jahre später bin ich umgestiegen auf Blockflöte. Dieses Instrument ist die Basis für all die, die ein Blasinstrument spielen wollen. Mit neun Jahren habe ich dann angefangen Klarinette zu lernen. Ich habe am Konservatorium in Teplice studiert und danach an der Musikakademie in Prag. Zudem war ich für einen Meisterkurs zwei Monate lang in Paris. Das war nach der Wende 1989. Wegen dieser Erfahrung hatte ich immer mehr den Drang ins Ausland zu gehen. Ich wollte unbedingt eine Fremdsprache lernen und eine andere Kulturen entdecken. Ich war dann in Paris, Basel, New York und an vielen weiteren Orten der Welt.“

Milan Řeřicha  (Foto: YouTube Kanal von UHLRECORDS)
Sie spielten mit vielen renommierten Orchestern und auch unter der Leitung bekannter Dirigenten. Können Sie das Publikum hierzulande und in anderen Ländern miteinander vergleichen?

„Ja, ich habe mit vielen Orchestern und Dirigenten gespielt. Vor allem muss ich aber Vladimir Ashkenazy erwähnen, da ich für eine kurze Zeit auch Mitglied der Tschechischen Philharmonie war. Das war wunderbar. Wegen dem Publikum – ich finde es hängt auch von den Solisten und der Musik ab. Ich kann nicht ohne Herz spielen. Wenn man auf der Bühne steht und man alles gibt – dann ist es egal ob man gerade in Tschechien, Deutschland, Südamerika, China oder Amerika ist. Wenn ein Musiker alles gibt und die Leute das verstehen, dann ist die Atmosphäre grandios.“

Foto: Verlag Marcophon
Sie sind nicht nur Klarinettenvirtuose, sondern auch Musikpädagoge – vor allem in den letzten Jahren. Wollten Sie das schon immer machen oder war das erst eine spätere Entscheidung?

„Es war Zufall. Als ich noch studiert habe, sagte ich immer zu mir selbst, dass ich niemals unterrichten möchte. Dazu benötigt man nämlich viel Geduld. Es ist eine enorme Aufgabe. Man muss mit vielen Sachen rechnen. Jede Stunde ist individuell. Zusätzlich muss man noch ein guter Psychologe sein. Zudem ist eine gute Methode wichtig. Die liegt aber natürlich nicht allen Schülern, denn wir sind ja alle Originale. Das raubt einem viel Energie. Ich selber kann leider nicht weniger als 100 Prozent geben. Ich sehe es als meine Aufgabe und meine Verantwortung, dass meine Schüler nachher auch einen Job finden.“

Vor kurzem waren Sie in New York – haben Sie sich da auch um eine Stelle beworben?

„Das war an der Juilliard School. Das ist eine der besten Musikschulen der Welt – sehr renommiert und bekannt. Die Schule eröffnet bald eine Filiale in Asien und sucht dafür neue Lehrer. Ich habe es von 200 Kandidaten unter die letzten drei geschafft. Ich bin schon glücklich, dass ich überhaupt so weit gekommen bin – auch wenn es wahrscheinlich nicht klappen wird.“

Milan Řeřicha und Roman Zlesák  (Foto: YouTube Kanal von RZ Woodwind Manufacturing)
Sie arbeiten unter anderem mit Roman Zlesák zusammen und zwar bei der Herstellung von Klarinetten. Was ist Ihre Rolle dabei?

„Das ist eine harte Arbeit. Wir haben vor fünf Jahren einen Betrieb in Kraslice (Graslitz – Anm. d. Red.) gegründet. Der Ort ist zwei Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Wir verkaufen in der ganzen Welt und haben auch überall unsere Vertreter – Amerika, Asien, Schweiz, Deutschland. Zunächst haben wir mit Meisterklarinetten angefangen. Jedoch kann man sich nicht nur auf ein Produkt konzentrieren. Man muss alles produzieren. Wir haben dann zum Beispiel Klarinetten für Studenten gebaut. Für uns ist die Qualität das wichtigste.“

Welche Musik hören Sie im Auto?

„Ich höre alles, was Qualität hat. Ich bin nicht wählerisch. Ich finde, wenn man Musik liebt, dann fühlt man sie im Herzen. Dabei ist es egal ob man ein professioneller Musiker oder ein Liebhaber ist. Und ich liebe Musik, die Emotionen hat und eine Botschaft beinhaltet. Und deswegen bin ich auch etwas skeptisch, was die Popmusik heutzutage angeht. Ich finde es wirklich schade, weil auch gibt es phantastische Menschen wie Phil Collins oder Sting.“

Können Sie uns ihre nächsten musikalischen Pläne verraten?

„Da habe ich natürlich viele. Ich habe einen Meisterkurs in der Schweiz und bin dabei, zwei CD’s vorzubereiten. Zudem möchte ich gesund bleiben und die Freude an der Musik an andere weitergeben.“