Widerstandsgruppe Barium wurde vor 75 Jahren in Ostböhmen aktiv

Gedenkort in Vysoká nad Labem (Foto: Filip Novotný, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Der Widerstand von Tschechoslowaken gegen die deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg hatte viele Facetten. Dazu gehörten die Exilanten, die in Großbritannien zu Piloten und Fallschirmjägern ausgebildet wurden. Drei von ihnen wurden Anfang April des Jahres 1944 in Ostböhmen aktiv. Das war vor exakt 75 Jahren.

Josef Šandera  (Foto: Wikimedia Commons,  CC0 1.0)
Das Attentat auf Reichsprotektor Reinhard Heydrich gilt als wichtigster Akt des tschechoslowakischen Widerstands. Es wurde am 27. Mai 1942 in Prag von tschechoslowakischen Fallschirmspringern verübt. Sie starben gut drei Wochen später, als sie von deutschen Soldaten unter Führung der Gestapo in ihrem Versteck ausfindig gemacht wurden. Das hielt andere Widerständler jedoch nicht davon ab, es ihnen gleichzutun. In der Nacht vom 3. zum 4. April 1944 sprangen weitere Fallschirmjäger unweit der ostböhmischen Stadt Vysoká nad Labem aus einem Flugzeug ab. Dazu schildert der Bürgermeister des Ortes, Jiří Horák (parteilos):

„Unweit von hier sind drei Männer abgesprungen: Stabskapitän Josef Šandera, Funker Josef Žižka und Chiffrierer Tomáš Býček. Sie haben ihren Auftrag bis zum Januar 1945 erfüllt, bis zwei von ihnen von Spitzeln verraten und durch die Gestapo verhaftet wurden. Nur Býček überlebte. Er emigrierte nach Großbritannien, wo er später auch verstarb.“

Doch welchen Auftrag hatten die drei, die sich Gruppe Barium nannten, eigentlich?

Věra Nývltová  (Foto: Archiv Post Bellum)
„Sie hatten die Aufgabe, die relativ große Widerstandsgruppe in Ostböhmen zu mobilisieren. Dazu hatten sie eine Liste mit Adressen bei sich. Diese war allerdings veraltet, da die meisten Angaben noch aus dem Jahr 1939 stammten. Sie suchten in einem Umkreis von 25 Kilometern nach den Kämpfern, kehrten dann aber von Holice hierher zurück. Am Ende fanden sie in Hradec Králové bei der Familie Vachek Unterschlupf. Als sie die Gestapo dort aufspürte, wurden auch die Vacheks hart bestraft.“

Bürgermeister Horák kennt die Geschichte von Věra Nyvltová. Die mittlerweile 80-Jährige ist eine der Töchter der Vacheks. Im Tschechischen Fernsehen erzählt der Bürgermeister diese Begebenheit:

Gedenkort in Vysoká nad Labem | Foto: Filip Novotný,  Tschechischer Rundfunk
„Als damals fünfjähriges Mädchen wurde sie in ein Krankenhaus gebracht, in dem der angeschossene Josef Šandera lag. Auf Geheiß der Gestapo musste der Verletzte das Mädchen fragen, ob sie ihn nicht kenne. Er sei doch der Onkel, der ihr eine Tafel Schokolade geschenkt habe. Sie ahnte aber, dass ihre Familie erschossen würde, sollte sie irgendetwas verraten. Und Frau Nývltová weiß noch heute, wie ihr die Mutter beim Verhör die Hand gedrückt habe. Also hat die kleine Věra auch nichts gesagt.“

Věra Nývltová ist heute die einzige noch lebende Zeitzeugin der damaligen Ereignisse. Die Geschichte der drei Fallschirmjäger wäre aber wohl nie so recht ans Tageslicht gekommen, hätten nicht die Enkel eines gewissen Herrn Hanousek aus Vysoká alte Tonbandaufnahmen ihres Großvaters gefunden. Darauf habe er seine Erinnerungen festgehalten, sagt Horák:

Jiří Horák  (Foto: ČT24)
„Er war damals in etwa 20 Jahre alt und hat den Fallschirmjägern offenbar zur Seite gestanden. Als sie nach Vysoká kamen, hat er ihnen beispielsweise dabei geholfen, ihre Ausrüstung verschwinden zu lassen. Angeblich hat man sie mit Steinen beschwert in der Elbe versenkt, um so Spuren zu verwischen.“

Seitdem diese Belege über den Einsatz der drei Fallschirmjäger in Ostböhmen entdeckt wurden, wird an ihre Taten regelmäßig am 3. April in Vysoká erinnert. Und zwar auf dem Friedhof des Ortes, wo mittlerweile auch eine Gedenktafel für die Helden des Widerstands angebracht wurde. Bürgermeister Horák:

„Für mich ist dieser Aspekt interessant: Die drei Männer wussten über die Gefahr, dass sie ihren Auftrag mit dem Leben bezahlen könnten. Trotzdem haben sie ihn ausgeführt, weil sie von einer großen Vaterlandsliebe angetrieben wurden. Das ist eine Eigenschaft, die heutzutage allmählich an Bedeutung verliert. Für sie aber war es das Motiv. Deswegen halte ich es für sehr wichtig, dass man solche Menschen nie vergisst.“