Willkommen bei den Czernins: Schloss Chudenice (II)

Foto: Wikimedia Commons Free Domain

Das Städtchen Chudenice liegt etwa zehn Kilometer von Klatovy / Klattau entfernt. Es gilt als Ausgangspunkt für Ausflüge in den westlichen Böhmerwald sowie in das Land der Choden. Aber auch in Chudenice selbst gibt es einige historische Baudenkmäler, die einen Besuch wert sind. Unweit der Johannes-Täufer-Kirche, die den Marktplatz dominiert, steht das so genannte „Alte Schloss“.

Schloss Chudenice  (Foto: Autorin)
Das Schloss vereint mehrere Stile: Renaissance, Barock und im Inneren auch Biedermeier. Zu den wertvollsten Räumlichkeiten des Schlosses gehört zweifelsohne das so genannte Engelszimmer. In diesem Zimmer soll Graf Humprecht Czernin im 17. Jahrhundert einen Engel erblickt haben. Die Legende erzählt, dass der Engel dem damals 75-Jährigen empfahl, zur St.-Wolfgangs-Kapelle unweit von Chudenice zu pilgern. Er sollte dort alle Sakramente empfangen, die man vor dem Tod erhält. Der Graf folgte dem Rat. Drei Tage später starb er, ohne zuvor krank gewesen zu sein. So steht es in der Legende. Kurz danach ließen die Nachkommen des Verstorbenen einen Engel auf die Zimmerdecke malen. Seitdem heißt das Zimmer des Grafen Engelszimmer.

Die Geschichte des prunkvollen Raums erzählt auch Eliška Luňáčková, die die Besucher durch das Schloss führt. Sie macht darauf aufmerksam, dass es jedoch gleich nebenan noch das so genannte „kleine Engelszimmer“ gibt. Für diesen Raum ließen die Schlossbesitzer im 18. Jahrhundert einen speziellen großen Schrank herstellen, dessen Türen reich geschmückt sind. Von den abgebildeten Heiligen sei vor allem der heilige Wolfgang für Chudenice bedeutend, sagt die Fremdenführerin:

Eingang des Aussichtsturmes Bolfánek  (Foto: Wikimedia Commons Free Domain)
„Der heilige Wolfgang war Bischof von Regensburg. Er reiste im Jahr 973 über Chudenice nach Prag, um den ersten Prager Bischof Dietmar / Dětmar zu weihen. In Chudenice soll Wolfgang auf dem Hügel Žďár gepredigt haben. Die Bewohner von Chudenice ließen dann an diesem Ort als Ausdruck der Dankbarkeit eine Wallfahrtskirche bauen, die dem heiligen Wolfgang geweiht wurde. Unter Kaiser Josef II. diente der Sakralbau nicht mehr kirchlichen Zwecken, weil es damals in Chudenice schon eine Pfarrkirche gab. Die Wolfgangskirche wurde dann in einen Aussichtsturm umgewandelt, der Bolfánek genannt wird.“

Auch im „kleinen Engelszimmer“ darf ein Engel natürlich nicht fehlen. Auf der unteren Tür des Schranks wird man auch fündig. Dort sieht man ein Bild der Engelsgeschichte von Humprecht Czernin. Eliška Luňáčková macht auf ein wichtiges Detail des Bildes aufmerksam:

„Das Gemälde ist darum bedeutend, weil da das Schloss noch vor dem Umbau im Barockstil abgebildet ist. Es handelt sich um die einzige bekannte Abbildung des Schlosses mit hohen Renaissancedächern. Die Dächer wurden in der Barockzeit umgestaltet.“

Für die früheren Schlossbesitzer war nach Worten der Fremdenführerin neben dem Engelszimmer ein weiterer Raum sehr wichtig. Der Raum sieht im Unterschied zu anderen Schlosszimmern allerdings nicht sehr attraktiv aus: in dem kleinen, dunklen Raum ist nicht viel mehr zu sehen, als ein kleines Bild an der Wand. Hier befand sich früher die so genannte „schwarze Küche“, erzählt Eliška Luňáčková und erklärt, warum gerade diese winzige Küche von Bedeutung ist.

Foto: Archiv der Schlossverwaltung
„Die Festung, die an diesem Ort noch vor dem Schloss stand, soll einmal überfallen worden sein. Die Eroberer ermordeten alle Bewohner. Nur einem Kindermädchen gelang es mit dem kleinen Sohn des Besitzers zu flüchten. Sie soll sich eben im Kamin in der Küche versteckt haben. Als Fürst Břetislav mit seinem Gefolge vorbeifuhr, kam ihnen das Kindermädchen mit dem vom Ruß beschmutzten Baby entgegen. Als die Leute das Kind sahen, sollen sie überrascht gerufen haben: ´Aj chudinec a jak je černý! Kéž nám ho Bůh zachoval a ty bys opět naším pánem byl!´ - auf Deutsch etwa: ´Ach, der Arme und wie schwarz er ist. Gott soll ihn am Leben erhalten, und er soll unser Herr werden!´ Der Fürst gab dem Kind den Namen Černý und das Gut seiner Eltern nannte er Chudenice. So entstand der Name dieser alten böhmischen Adelsfamilie.“

Denn schwarz heißt tschechisch „černý“, davon wurde angeblich der Name Czernin abgeleitet. Und arm heißt tschechisch „chudý“. Chudenice ist wahrscheinlich von diesem Wort abgeleitet worden. Das einzige Bild in der schwarzen Küche stellt eben das Kindermädchen mit dem kleinen Kind dar.

Foto: Archiv der Schlossverwaltung
Aus der schwarzen Küche geht es weiter in mehrere Salons, die meistens im Biedermeierstil eingerichtet sind. Im Damensalon ziehen die zahlreichen Graphiken die Aufmerksamkeit des Besuchers auf sich. Thema der Bilder sind vor allem Liebesszenen und das Musizieren. Weiter befinden sich im Damensalon auch einige Schmuckkästchen aus dem 18. Jahrhundert und eine herrliche Biedermeieruhr. Sie stamme aus Wien, erzählt Eliška Luňáčková:

„Die Uhr ist ein Werk des Wiener Uhrmachers Josef Lorenz. Interessant daran ist das Bild der Prager Burg über dem Zifferblatt. Zu sehen ist da der Veitsdom, jedoch nicht so, wie wir ihn kennen. Denn zu der Zeit war die Kathedrale noch nicht fertig gebaut. Der Bau wurde erst 1929 beendet.“

An den Wänden des Herrensalons hängen überall Großgemälde mit Pferden. Ein zusammenklappbarer Tisch wurde für Brettspiele genutzt, aber nicht nur für Schach, wie es auf den ersten Blick scheinen kann. Sondern auch für ein beliebtes Würfelspiel:

„Auf dem Tisch wurde auch Wurfzabel gespielt. Die Herren waren imstande, so leidenschaftlich zu spielen, dass sie während eines Abends ein ganzes Gut verprassten. Darum wurde Wurfzabel verboten.“

Die Führung durch das Schloss endet im Arbeitszimmer der Schlossherren, in dem bis heute ein Teil der Czernin-Bibliothek zu sehen ist. Der Großteil der wertvollen Bücher ist nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch verschwunden.

Im Erdgeschoss des Schloss ist das Museum von Chudenice untergebracht, in dem ein Saal dem namhaften tschechischen Theaterregisseur und Dramatiker Jaroslav Kvapil gewidmet ist. Kvapil, der aus Chudenice stammte, soll in der Umgebung der Stadt nach Eingebung für seine Werke gesucht haben. Er schrieb unter anderem das Libretto für Antonín Dvořáks Oper Rusalka. In den Wäldern unweit des Aussichtsturms Bolfánek befinden sich kleine Seen, die Kvapil-Seen genannt werden.

Das Alte Schloss in Chudenice ist von Juni bis August täglich außer montags von 9 bis 12 und von 13 bis 18 Uhr geöffnet. Im April, Mai, September und Oktober kann man das Schloss nur am Wochenende besuchen.