Windkraftwerk in Jindrichovice

In letzter Zeit hat man in Tschechien viel von einer Gemeinde im Norden des Landes gesprochen, deren Namen zuvor noch niemand gehört hatte. Grund dafür sind zwei riesige Windkraftwerke, die wie die legendären Mühlen von Don Quijote aussehen. Die haben auch unsere Reporterin Dagmar Keberlova angelockt. Sie ist bis an die nordböhmische Grenze gefahren, um dort die folgende Reportage aufzunehmen.

Direkt an der Grenze zu Polen liegt ein kleines Dorf namens Jindrichovice pod Smrkem. Das einzige, was einem schon von weitem auffällt, sind die zwei Räder des Windkraftwerks, das hier als insgesamt zehntes in Tschechien vor einigen Wochen in Gang gesetzt wurde. Der Grund für den Wechsel auf Windenergie war für Bürgermeister Petr Pavek, dass seine Gemeinde künftig nicht mehr an das Gasnetz angeschlossen sein wird. Daher hat er vor vier Jahren eine Studie in Auftrag gegeben, in der die energetische Selbständigkeit der Region auf Basis von erneuerbaren Energien untersucht wird - obwohl viele Energie-Experten zunächst skeptisch waren. Die Studie stellte fest, dass die wichtigsten Energiequellen in der Region die Biomasse, der Wind und die Sonne sind. So entschloss sich Bürgermeister Pavek für den Bau eines Windkraftwerkes. Wie es finanziert wurde?

"An der Finanzierung des Projektes hat sich in bedeutendem Maße das Umweltministerium beteiligt. Von den 62 Millionen Kronen, die es insgesamt gekostet hat, bezahlte das Ministerium 45%. Für weitere 40% bekamen wir eine Anleihe für die Dauer von 12 Jahren mit 1,5% Verzinsung. Die restlichen 15% steuerte die Gemeinde selbst bei."

Die notwendigen Zusagen der Bank und des Ministeriums bekam er aufgrund seiner Ausdauer und wegen des gut vorbereiteten Projekts. Laut der Prognosen sollen die Kraftwerke ab sofort einen Gewinn machen, sagt Pavek weiter. Er rechnet damit, dass sie 3 Millionen Kronen jährlich abwerfen können, was den Gemeindehaushalt verdoppeln würde. Hat es auch der ganzen Region wirtschaftlich geholfen?

"Hier gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit, die Region ist arm und bekommt kaum Investitionen. Ich kann nicht sagen, dass es uns wirtschaftlich geholfen hätte. Es ist aber eines der Mittel für Wirtschaftswachstum. Also, wenn Sie mich in einem Jahr fragen, sage ich Ihnen, wie viel die Windkraftwerke in die Gemeindekasse eingebracht haben."

Und wie erleben die Einwohner von Jindrichovice ihre neue energetische Quelle?

"Ich glaube, dass sie abgewartet haben. Sie haben sich gefreut über die Möglichkeit, dass es uns gelingen könnte - so richtig daran geglaubt hat aber niemand. Heute sind die Menschen wirklich stolz darauf, dass es uns gelungen ist."

Die Windkraft ist aber nur ein Schritt - und weil das Kraftwerk gut zu sehen ist, wird eben am meisten darüber diskutiert. Kaum jemand spricht davon, dass die Gemeinde schon vor eineinhalb Jahren einen Biomasseheizkessel in Betrieb genommen hat, mit dem fünf öffentliche Gebäude beheizt werden, unter anderem die Schule und der Kindergarten. Auch das hat einige Arbeitsplätze geschaffen. Bezahlt werden die vom einzigen echten Kunden: Das Altenheim steht unter Landesträgerschaft und muss deshalb die gelieferte Wärme bezahlen. Mit diesem Geld lassen sich der Betrieb und die Angestellten bezahlen, außerdem deckt es die Heizkosten für die Gemeindegebäuden und die Raten für einen Kredit. Ein kleiner Überschuss geht sogar noch in den Gemeindehaushalt, verrät Petr Pavek.

Aber Bürgermeister Pavek ist nicht der einzige, der in der Gemeinde auf viele Arten etwas erreichen will. Auch Zbynek Vlk will neues und ökologisches Denken durchsetzen. Er ist vor 5 Jahren nach Jindrichovice gekommen und hat dort ein 13 Hektar großes Gut gekauft. Das war damals eine verfallene Ruine, heute sieht es schon sehr gut aus und Herr Vlk wirtschaftet dort nach den Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung. Leben im Einklang mit der Natur und so, wie die Menschen vor 150 Jahren - er und seine Frau richten sich ganz nach diesem Motto.

"Die nachhaltige Entwicklung bedeutet für uns, dass wir versuchen, die meisten Produkte, die wir fürs Leben benötigen, selber zu erzeugen. Diejenigen Sachen, die wir nicht selber herstellen können, versuchen wir mit jemanden einzutauschen, der in unserer Nähe lebt. Wir meiden alles, was nur mit großem Energieaufwand produziert werden kann oder was von weit her importiert wird."

Aber nicht nur die Landwirtschaft ist der Inhalt ihrer Arbeit, sie versuchen auch die Landschaft wieder Instand zu setzen, erneuern die Wiesenkulturen, einen Teich, den ursprünglichen Waldbewuchs. Damit wollen sie auch auf die Öffentlichkeit wirken, sie haben in Jindrichovice ein Museum und eine Windmühle und bieten des weiteren Kurse an:

"Wir veranstalten Kurse über traditionelle Kenntnisse, die die Menschen damals besaßen und die viele Leute noch heute interessieren. Dazu gehört zum Beispiel die Herstellung von Mehl oder die Bearbeitung von Eisen."

Herr Vlk hat sich schon während seines Studiums mit der Frage beschäftigt, welchen Einfluss unsere aktuelle Lebensart auf die Umwelt hat. Auch dies hat ihn dazu bewogen, sich für eine umweltschonende Lebensweise zu entscheiden. Und dass ihm die Arbeit gelingt, beweist das sehr schön aussehende Gut und die Windmühle, die perfekt in die grüne Umgebung passt. Warum aber eine Windmühle - hat es hier früher schon eine gegeben oder hat das nur rein praktische Gründe?

"Hier bei uns gibt es nie "nur" praktische Gründe. Immer ist auch die Motivation da, etwas schön zu machen. Praktische Gründe waren die, dass wir die Windmühle brauchen, um Mehl für unser selbstständiges Leben zu erzeugen. Und ästhetisch hat es auch gut gepasst."

Dies soll auch andere Menschen anregen, sich Gedanken über die umweltfreundliche Energie zu machen. Inwieweit ist die Familie Vlk also selbständig?

"Ganz selbständig, das wäre ein Traum für die Zukunft. Wir sind durch unsere zwei Hände limitiert und haben noch dazu zwei Kinder. Was wir auf dem Gut erzeugen, das verbrauchen wir auch. Meistens schaffen wir es, alles zum Essen selber zu produzieren, vom Mehl bis zum Gemüse. Alles andere, was wir kaufen müssen, verdienen wir am Gut."

Milch und Käse etwa verkaufen die Vlks, vom Staat bekommen sie die übliche Unterstützung für die Landwirtschaft und zusätzlich Geld für die Pflege der Natur. Dazu kommt derzeit noch das Mutterschaftsgeld. Und die Produkte sind ausgezeichnet. Vom Käse haben wir gleich den ganzen Lagerbestand eingekauft.

Das Ehepaar Vlk möchte den Mitbürgern von Jidrichovice seine Erfahrungen mitteilen:

"Wir haben hier die Bürgervereinigung Lunaria gegründet. Wir führen durch das hiesige Museum, auch in der Windmühle haben wir eine Ausstellung. Des weiteren steht den Menschen von Jindrichovice ein Gemeinschaftsraum zur Verfügung, wo wir für sie auch verschiedene Veranstaltungen machen."

Als wir ihn abschließend fragen, warum er das alles macht, antwortet er schlicht:

Weil er glaubt, dass er sein eigenes Leben lebt und dass alles, was er tut, einen Sinn hat. Herr Vlk sagt, auch wenn es für nichts anderes gut sein sollte als für die 13 Hektar Land, dann habe es Sinn. Jeder Mensch müsse im Leben die Verantwortung für etwas tragen. Er tue das für die Natur. Und das übrigens sehr gut.

Soweit das Regionaljournal aus Jindrichovice, einem der ökologischen Dörfer in der Tschechischen Republik.