Kohleausstieg vielleicht schon früher? Neuer Industrieminister zum Energiekonzept Tschechiens
Tschechien gehört zusammen mit Polen zu den einzigen beiden Ländern der EU, in denen weiterhin die Stromproduktion aus Kohle dominiert. Doch die Energiepläne der Regierung in Prag gehen dahin, diesen fossilen Brennstoff in weniger als zehn Jahren auf null herunterzufahren. Dieser Aufgabe hat sich auch der neue Industrie- und Handelsminister, Lukáš Vlček (Stan), verschrieben. Am Dienstag gab er dem Tschechischen Rundfunk ein längeres Interview zum Thema Energie.
Die Zahlen offenbaren das größte Problem der tschechischen Energiewirtschaft: Im vergangenen Jahr kamen 42,6 Prozent des Stroms aus Kohlekraftwerken. Knapp dahinter folgte die Kernkraft mit gut 40 Prozent. Die Erneuerbaren lagen bei 11,3 Prozent. Damit steht Tschechien in punkto klimaschädliche Stromproduktion innerhalb der EU an dritter Stelle hinter Zypern und Polen.
Zwar sind die Kohlekraftwerke längst entschwefelt, und die Wälder hierzulande konnten sich nach den umfangreichen Zerstörungen aus der kommunistischen Zeit erholen. Doch Smog ist weiterhin ein Problem. Immerhin hat die aktuelle Regierungskoalition beschlossen, dass ab 2033 kein Strom und keine Wärme mehr aus Kohle kommen sollen. Dazu steht auch der neue Industrie- und Handelsminister, Lukáš Vlček. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks sagte er:
„Wir haben das gut berechnet, würde ich sagen. Daher lässt sich der Kohleausstieg bis 2033 erfüllen. Mittlerweile hat sich die Lage sogar im positiven Sinn gewandelt im Vergleich zu dem Zeitpunkt, als das Regierungsprogramm geschrieben wurde. Wenn man sich die hohen Investitionen in die erneuerbaren Energien und in das Stromnetz anschaut und die sich dynamisch modernisierende Gesetzgebung hinzunimmt, dann ist meiner persönlichen Meinung nach auch ein früherer Ausstieg möglich.“
Dabei haben Teile der größten Regierungspartei, der Bürgerdemokraten, sowie die größte Oppositionskraft, die Partei Ano, schon bei einem Ausstieg im Jahr 2033 starke Bedenken und wollen ihn um fünf Jahre nach hinten verschieben. Sie befürchten, dass die Erneuerbaren nicht so schnell ausgebaut werden können, um die Kohle zu ersetzen.
Vlček schlägt jedoch vor, die abgeschalteten Kohlekraftwerke für die Stromproduktion aus Gas und Dampf umzubauen und so eventuelle Versorgungslücken zu umgehen.
„Meine Ansicht ist, dass wir darüber sehr real sprechen sollten, idealerweise noch vor Ende der Legislaturperiode im kommenden Herbst. Wir sollten nicht auf der Stelle treten, sondern einen Gesetzvorschlag ausarbeiten, mit dem der Bewilligungsprozess für neue Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke beschleunigt wird“, so der Ressortchef.
Wie allerdings die jetzigen Wärmekraftwerke auf Kohlebasis ersetzt werden könnten, dazu äußerte sich Lukáš Vlček nicht genauer.
Der zusätzliche Einsatz von Erdgas ist indes problematisch. Denn Tschechien bezieht diesen Rohstoff auch weiterhin zu großen Teilen aus Russland – genauso wie Erdöl. Er sei darüber sehr unglücklich, sagt der Minister:
„Wir müssen alles dafür tun, dass wir nicht mehr den russischen Krieg gegen die Ukraine mitfinanzieren und damit auch die Ermordung kleiner Kinder. Ich hoffe, dass im kommenden Jahr die Modernisierung der Transalpinen Pipeline plus beendet wird. Sollte das gelingen, können wir endlich sagen, dass wir kein russisches Erdöl mehr brauchen. Beim Gas ist dies schwieriger, da dieser Rohstoff auf komplizierten Wegen zu uns gelangt. Das heißt, wir werden unsere EU-Partner dazu drängen, Russland durch andere Gaszulieferer zu ersetzen.“
Ansonsten steht Vlček wie praktisch alle hiesigen Politiker nicht nur der Regierung, sondern auch der Opposition, hinter dem Ausbau der Atomkraft. Im älteren der beiden tschechischen Kernkraftwerke, in Dukovany in Südmähren, sollen zwei neue Reaktorblöcke entstehen. Den Zuschlag für den Auftrag erhielt der südkoreanische Energiekonzern KHNP. Die unterlegenen Konkurrenten gehen jedoch derzeit beim tschechischen Kartellamt und bei der Europäischen Kommission gegen die Entscheidung der Regierung in Prag vor. Der Bau der neuen Blöcke soll 2029 aufgenommen werden, sodass diese 2038 ans Netz gehen können. Ist der Termin jetzt gefährdet?
„Natürlich kann es zu Verspätungen kommen. Darüber spekulieren wir jedoch derzeit nicht. Wir müssen einfach alles daran setzen, die Termine einzuhalten“, sagt Lukáš Vlček.