Zeitzeugenprojekt der Brücke/Most-Stiftung droht finanzielles Aus

Brücke/Most-Stiftung
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Mehrere Tausend Schüler in ganz Deutschland hatten in den vergangenen Jahren die Chance, die Geschichte des nationalsozialistischen Terrors aus dem Mund überlebender tschechischer Zwangsarbeiter zu hören. Ermöglicht hat ihnen dies ein Zeitzeugen-Projekt der Brücke/Most-Stiftung Dresden. Die Resonanz war überwältigend, doch jetzt droht dem Projekt das finanzielle Aus und die Stiftung sucht händeringend Sponsoren zur Weiterfinanzierung.

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640.000 Tschechinnen und Tschechen mussten während der NS-Zeit für das "Dritte Reich" Zwangsarbeit leisten - angefangen von Büroarbeit bis hin zum Einsatz in Arbeits- und Konzentrationslagern. Heute leben davon noch etwa 100.000. Über ihr Schicksal während des Kriegs berichten im Rahmen des Projekts "Ehemalige tschechische Zwangsarbeiter/innen in deutschen Schulen" seit drei Jahren rund 30 Überlebende vor Schulklassen in ganz Deutschland, vorwiegend in Real- und Hauptschulen. Die Reaktionen der 10.000 Jugendlichen, die bislang ihren Erzählungen lauschen durften, waren für die Organisatoren Bestätigung genug, einen Ausweg aus der gegenwärtigen Finanzkrise zu suchen. Projektleiterin Ina Gamp von der Brücke/Most-Stiftung Dresden:

"Wir haben gemerkt, dass es uns gelingt, ganze Aulen zu füllen mit Schülern, die über zwei Stunden lang still sitzen und zuhören. Viele Schüler haben Mitschüler in der Klasse, die rechtsextrem eingestellt sind und die hinterher sagen, sie sind ins Nachdenken gekommen. Das sind Erfolge, die wir über Jahre erzielt haben und wo wir sagen, es darf an dieser Stelle nicht aufhören. Zumal wenn wir jetzt aufhören wir nie wieder anfangen können, weil wir mit Zeitzeugen zusammen arbeiten, die im Schnitt etwa 80 Jahre alt sind."

Da die Zeit drängt, die Projektfinanzierung durch die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" aber definitiv ausgelaufen ist, hat die Brücke/Most-Stiftung, unterstützt von dem Schriftsteller Peter Härtling, jetzt einen öffentlichen Hilferuf gestartet:

"Wir möchten in diesem Fall nicht kampflos aufgeben. Wir möchten jetzt an die Öffentlichkeit treten und für politische Unterstützung werben. Und wir hoffen, dass sich jemand findet, der sagt: Ich finanzier das weiter. Das Projekt ist nicht teuer: Wir brauchen einen Zweijahresetat von 100.000 Euro, was vergleichsweise wenig ist, wenn man bedenkt, dass wir einen Mitarbeiter davon finanzieren werden."

Vor allem den Zeitzeugen sei man eine Fortsetzung des Projekts schuldig, denn ihnen liegen die Gespräche mit den Schülern sehr am Herzen, betont Ina Gamp:

"Sie merken, was ihre Erzählungen bei den Schülern auslösen. Viele von ihnen möchten weiterhin diese Schicksale erzählen und wachrütteln und zeigen: Diese ganzen Gräueltaten hat es tatsächlich gegeben. Schaut euch an, was passiert ist, es darf nie wieder so etwas passieren. Gerade vor dem Hintergrund, dass es im Augenblick wieder verstärkt rechtsextreme Tendenzen gibt, besonders unter Jugendlichen, ist das ein besonders wichtiger Beitrag, nicht aufzuhören, sondern so lange es geht weiterzumachen."

www.zeitzeugen-dialog.de