Zemans zweite Amtszeit: Wohin steuert Tschechien?

Miloš Zeman

Rückt Tschechien weiter nach Osten? Oder findet das Land den Weg zurück in den Westen? Diese Frage stellt sich zu Beginn der zweiten Amtszeit von Präsident Zeman.

Miloš Zeman
Mehr Anstand und Moral im Präsidentenamt – das forderten die sieben Gegenkandidaten im Wahlkampf gegen das amtierende Staatsoberhaupt Miloš Zeman. Doch diese eher innenpolitischen Fragen traten in den Vorwahldebatten in den Hintergrund, wie Rudolf Jindrák überrascht feststellt. Der langjährige Diplomat leitet das Büro für Außenpolitik an der Präsidialkanzlei:

„Vor allem hat mich im Wahlkampf und in den ganzen Debatten und Diskussionen überrascht, was für eine Rolle die Außenpolitik dabei gespielt hat. Das war mehr als ich erwartet habe. Ich kann es natürlich nicht genau in Zahlen ausdrücken, aber rund 40 bis 50 Prozent der Themen betrafen die Außenpolitik. Dabei zähle ich auch die Frage der Migrationspolitik und der Mitgliedschaft Tschechiens in der EU dazu und nicht nur die Auslandsreisen des Präsidenten. Das ist tatsächlich eine Sache, über die ich sehr überrascht war, wie interessant internationale Politik für die Menschen hier ist.“

Am Ende konnte sich Miloš Zeman durchsetzen und tritt am Donnerstag seine zweite Amtszeit als tschechischer Staatspräsident an. In Tschechien stellt man sich die Frage, wohin er das Land in den kommenden fünf Jahren führen wird – weiter in Richtung Russland und China, oder doch zurück in den Westen? Rudolf Jindrák, der übrigens lange Jahre Botschafter Tschechiens in Berlin war, schließt Überraschungen aus:

„Eine konkrete neue Aufgabe habe ich noch nicht, es ist ja noch relativ früh nach den Wahlen. Wir arbeiten derzeit an einem außenpolitischen Rahmen für die zweite Amtszeit von Miloš Zeman. Ich gehe aber davon aus, dass es da eine gewisse Kontinuität geben wird. Natürlich begreifen wir die zweite Amtszeit auch als Chance für neue Debatten und Impulse. Da wird es einen Dialog mit dem Präsidenten geben.“

Gepflogenheiten und Traditionen

Rudolf Jindrák  (Foto: Jana Přinosilová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die erste Dienstreise führt das tschechische Staatsoberhaupt traditionell nach Bratislava. Rudolf Jindrák bestätigt, dass sich Zeman kurz- bis mittelfristig an weiteren Traditionen und diplomatischen Gepflogenheiten orientieren wird:

„Das ist ein vergleichsweise komplizierter Prozess und alles geschieht in Absprache mit dem Außenministerium. Vor allem wenn es um die Prioritäten der tschechischen Außenpolitik geht. Viele Dinge sind da schon im Voraus gegeben, man fährt also nicht einfach irgendwo hin. Wichtig sind dabei aber vor allem unsere Nachbarn und die Organisationen in denen wir sitzen, also von der EU bis hin zur Visegrád-Gruppe.“

Wie legt die Präsidialkanzlei aber ihre Prioritäten fest? Also, nach welchen Kriterien wählt das Staatsoberhaupt seine Ziele aus? Dafür gebe es ungeschriebene Regeln, so Rudolf Jindrák:

„Nehmen wir zum Beispiel unsere letzte Reise nach Russland. Die ist das Ergebnis einer wirklich langjährigen Planung. Wichtig dabei ist aber immer die Reziprozität, also wann war das betreffende Staatsoberhaupt in Tschechien oder wann war unser Präsident zuletzt in dem betreffenden Land. Es ist nicht üblich, dass der Präsident in irgendein Land fährt, dessen Präsident nie oder lange nicht die Tschechische Republik besucht hat. Das ist die Reziprozität und die spielt natürlich eine große Rolle.“

Wirtschaftsdiplomatie weiter mit höchster Priorität

Miloš Zeman | Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Stichwort Wirtschaftsdelegationen. Miloš Zeman wurde in seiner ersten Amtszeit als Staatsoberhaupt nicht müde zu betonen, dass die Wirtschaftsdiplomatie oberste Priorität hat. Wie definiert der Präsident aber seine wirtschaftspolitischen Ziele?

„Es kommt da immer darauf an, welches Land man besucht. Als Präsident Zeman 2013 zu seinem Antrittsbesuch in Deutschland war, ich war damals noch Botschafter in Berlin, war auch eine Wirtschaftsdelegation dabei. Da hat sich der Präsident aber vor allem mit führenden Vertretern der dortigen Industrie getroffen, also Volkswagen, Siemens oder Bosch. Da ging es dann um die Investitionen in Tschechien. Anders war das bei der Reise nach Russland und der Teilnahme an den Wirtschaftsforen in Jekaterinburg und Moskau. Dort ist eine große Unternehmerdelegation mitgefahren, die selbst Verträge und Memoranden zur Zusammenarbeit mit der russischen Seite unterzeichnet hat. Die Ziele hängen also rein davon ab, welches Land auf dem Reiseplan steht.“

Welches Unternehmen den Präsidenten dabei auf welcher Reise begleitet, hat dabei immer einen ganz bestimmten Grund:

„Wir stehen da mit dem Verband für Industrie und Verkehr in Kontakt, ebenso wie mit der tschechischen Handelskammer. Da kommt dann immer eine Gruppe von Unternehmern zusammen, die irgendein geschäftliches Interesse in dem betreffenden Land haben oder haben wollen. Diese Unternehmer begleiten den Präsidenten dann auf seiner Reise.“

Rudolf Jindrak betont jedoch, dass jeder Auslandsreise des Präsidenten ein politisches Motiv zu Grunde liegt. Visiten auf Bestellung gibt es laut dem Diplomaten nicht.

Kurs nach West oder Ost?

Miloš Zeman und Wladimir Putin | Foto: Jaromír Marek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Miloš Zeman wird oft vorgeworfen, Tschechien nach Osten bringen zu wollen. Nach seiner Wiederwahl war häufig zu lesen, dass ein prorussischer Kandidat gewonnen habe. Das nicht nur in Tschechien, sondern vor allem auch in westlichen Medien. Für Rudolf Jindrak greift diese Interpretation jedoch zu kurz:

„Ich verfolge natürlich vor allem die ausländischen Medien, wo viele Kommentare zum Wahlergebnis erschienen sind. Ich habe diese mit Distanz aufgenommen. Meiner Meinung nach hat ein Journalist, der nicht in Tschechien lebt, nicht die Möglichkeit bei seinem Bericht ausreichend in die Tiefe zu gehen.“

Tatsächlich ist Miloš Zeman aber ein gern gesehener Gast in Moskau und Peking. So war er als einziger westlicher Staatsgast zum 70. Jahrestag des Weltkriegsendes in der russischen Hauptstadt. Umstritten war zudem seine Rede vergangenes Jahr vor dem Europarat, in der er sagte, die Annexion der Krim sei schlicht Fakt und Russland solle der Ukraine eine Kompensation zahlen. Laut Jindrák hat Zeman damit aber nur ausgesprochen, was in Diplomatenkreisen sowieso Common Sense ist. Ansonsten sei der tschechische Präsident nicht prorussischer als andere europäische Staats- und Regierungschefs:

„Ich glaube nicht, dass Präsident Zeman das Land nach Osten zieht. Natürlich sind wir nach Russland gefahren. Das machen andere Politiker aber genauso. Vergangenes Jahr war auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in Sotchi, ebenso wie eine Reihe weiterer hoher Vertreter aus dem Westen. Das gehört zu einer ausgewogenen Außenpolitik einfach dazu.“

Klares Bekenntnis zu Partnern

Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik | Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik
Außerdem sei Zeman durchaus um gute Beziehungen beispielsweise zu den USA bemüht:

„Das ist auf jeden Fall auf unserer Agenda. Es ist in unserem Interesse, dass die Beziehungen zu den USA auch auf der höchsten Ebene so gut wie möglich sind. Jetzt haben wir noch einmal die Möglichkeit daran zu arbeiten, denn Präsident Trump ist noch dreieinhalb Jahre im Amt und Präsident Zeman ganze fünf weitere Jahre. Ich kann nur wiederholen, dass die tschechisch-US-amerikanischen Beziehungen höchste Priorität haben. Und das wird auch so bleiben.“

Und auch an einem Bekenntnis zu Europa und der EU rüttelt Miloš Zeman laut Rudolf Jindrák nicht:

„Der Präsident hat es auch im Wahlkampf gesagt und die Sache ist einfach Fakt. Wenn die tschechischen Politiker tatsächlich verantwortungsvoll sind, dann wird die Europäische Union auch weiterhin wichtig für Tschechien sein.“