"10 Jahrhunderte Architektur"

Das Lustschloss der Königin Anna - das Belvedere

Willkommen zum heutigen Spaziergang durch Prag, am Mikrofon begrüßt Sie Martina Schneibergova. Die tschechische Metropole gehört zu jenen Städten, in denen man während eines Stadtrundgangs Beispiele aller architektonischen Stile sehen kann. Die Gotik vermischt sich hier mit dem Barock, der Jugendstil mit der Renaissance, hochmoderne Gebäude stehen neben avantgardistischen Projekten aus der Zwischenkriegszeit. Eine Art Prager Herz ist zweifelsohne die Prager Burg - der Sitz von Königen, Kaisern und Staatpräsidenten, wo namhafte Baumeister und Künstler aus ganz Europa gewirkt hatten. Jeder von ihnen hat hier Spuren und Zeugnisse seiner Zeit hinterlassen. Die Prager Burg ist somit zu einem lebendigen Museum der Architektur geworden. Man würde kaum einen geeigneteren Ort für ein großes Ausstellungsprojekt finden, dessen Ziel es ist, den Besuchern alle architektonischen Stile - vom romanischen Stil bis in die Gegenwart - vorzustellen. Mehr über die Ausstellung mit dem Titel "Zehn Jahrhunderte der Architektur", die in den authentischen Räumlichkeiten der Prager Burg installiert wird, erfahren Sie in den folgenden Minuten. Zu Wort kommen Architekten und Kunsthistoriker, die die Ausstellung vorbereiten.

Die Ausstellung, deren Vorbereitungen auf vollen Touren laufen, möchte - wie ihre Autoren betonen - nicht nur belehren, sondern vor allem das persönliche Erlebnis der einzelnen Baustile vermitteln. Die Autoren der einzelnen Expositionen wollen vor allem die Architektur selbst sprechen lassen und mit den Exponaten das bereits Angedeutete ergänzen oder erweitern. Die mehr als tausendjährige Geschichte der Prager Burg bietet die Chance, jede der einzelnen Ausstellungen in einzigartigen Räumlichkeiten zu installieren, die den gegebenen Baustil vertreten. Anlässlich der Ausstellung werden auch mehrere Räumlichkeiten der Prager Burg zugänglich sein, die sonst für die Öffentlichkeit geschlossen bleiben - wie z. B. die romanischen Räumlichkeiten des alten königlichen Palastes oder das Souterrain des Lustschlosses Belvedere. In den zuerst genannten unterirdischen Räumlichkeiten wird die einleitende Exposition über die romanische Architektur installiert. Architekt Petr Chotebor erklärte dazu:

"Wir bemühen uns, bei den Besuchern den entsprechenden Eindruck dadurch zu erzeugen, dass wir ihnen ein Fragment - ein Detail oder auch eine Fotodokumentation und Filmmaterial vorführen werden. Für uns ist es wichtig, den Besuchern nicht nur eine Vorstellung über die größten Bauten der damaligen Zeit, sondern eher über die Architektur der Zeit und alles, was damit zusammenhängt, zu vermitteln. Da sich die erste der insgesamt sechs Ausstellungen der romanischen Architektur widmet, beginnen wir nicht mit den Anfängen des romanischen Stils, sondern viel früher - mit den Anfängen des Christentums - mit dem Großmährischen Reich und der ersten steinernen Architektur in Böhmen überhaupt. An ausgewählten Beispielen werden dann romanische Bauten gezeigt, die die unterschiedlichen Bautypen darstellen. Es werden Modelle ausgestellt, die speziell für diese Ausstellung hergestellt wurden. Außerdem werden viele authentische Fragmente präsentiert. Wir betonen den künstlerischen Wert und die Ausgewogenheit der Ausstellung."

Petr Chotebor rechnet auch damit, dass die Besucher nach der Besichtigung der romanischen Ausstellung unweit des alten königlichen Palastes auch weitere herrliche Beispiele der romanischen Architektur bewundern können - wie z.B. die Georgsbasilika, den Schwarzen Turm oder die Reste der romanischen Burgbefestigung.

Die gotische Architektur tauchte in den böhmischen Ländern zuerst dank den Zisterziensern auf, denen auch der Anfang der Ausstellung über die gotische Architektur gewidmet sein wird. In den gotischen Räumlichkeiten des alten königlichen Palastes werden weiter die sogenannten "verlorenen" Sehenswürdigkeiten vorgestellt, d.h. herrliche gotische Bauten, die in ihrer Zeit eine große Rolle spielten, die jedoch mit den Jahren verfielen und von denen nur noch Bruchteile erhalten geblieben sind. Die Kunsthistorikerin Klara Benesovska, beschrieb die gotische Ausstellung weiter wie folgt:

"Ihren eigenen Raum werden gotische Städte und Burgen haben, die zu dieser Epoche gehören. Der Großteil der Ausstellung wird sich mit der Zeit der Luxemburger befassen. Wir wollen nicht nur die Ära Karl IV. hervorheben, sondern auch an die Zeit des Johannes von Luxemburg erinnern. Ein wichtiger Bau aus dieser Epoche ist das Haus zur steinernen Glocke am Altstädter Ring. Die Kunst auf dem Hof Wenzel IV. hat den Vorteil, dass sie in Räumlichkeiten ausgestellt wird, die wirklich aus dieser Periode stammen. An die Zeit nach den hussitischen Kriegen erinnert ein großes Modell der Stadt Tabor. Der Höhepunkt der Ausstellung wird die Besichtigung der Räumlichkeiten sein, die mit Architekt Benedikt Ried verbunden sind - d.h. des Wladislaw-Saals und der Reitertreppe."

Das Lustschloss der Königin Anna - das Belvedere
Am östlichen Ende des Königlichen Gartens befindet sich eines der schönsten Renaissancegebäude in Tschechien - das Lustschloss der Königin Anna - das Belvedere. Nach einer langjährigen Rekonstruktion wird anlässlich der Ausstellung das ganze Lustschloss eröffnet. Zum erstenmal werden die Besucher auch das Souterrain des Gebäudes besichtigen können, wo Exponate installiert werden, die eine Einleitung in die Ausstellung über die Renaissancezeit vermitteln werden. Der Renaissancestil tauchte in Mitteleuropa zum ersten Mal am Ende des 15. Jahrhunderts auf und endete vor dem Ausbruch des 30-jährigen Krieges. Der Renaissancestil etablierte sich endgültig in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Was die Dauer des Stils anbelangt, ist der Renaissancestil der Kürzeste der sechs vorbereiteten Ausstellungen. Der Kunsthistoriker Ivan Muchka bemerkte dazu:

Telc
"Die Entwicklung dieses Stils bei uns ist trotzdem beachtenswert. Der Renaissancestil hat das Antlitz vieler Städte geprägt. Einige davon gehören zweifelsohne zu den schönsten Städten Europas - wie z. B. Telc oder Cesky Krumlov/Krumau. Im Renaissancestil wurden viele einzigartige Objekte erbaut - wie z.B. das Schloss Bucovice oder die Prager Lustschlösser Belvedere und Hvezda/Stern. Dieser Reichtum an Sehenswürdigkeiten wird im Souterrainräumlichkeiten des Belvedere dokumentiert. Speziell für die Ausstellung wurde ein Modell der Prager Burg hergestellt, an dem die Burg um das Jahr 1600 gezeigt wird."

Eine sehr abwechslungsreiche und zugleich inhaltsreiche und lange Epoche stellt in der tschechischen Architektur die Barockzeit dar. Professor Jiri Kotalik, der die Ausstellung über die Barockarchitektur vorbereitet, verzichtete darauf den reichhaltigen Baustil in seiner historischen Entwicklung oder den Stand der tschechischen Barockarchitektur im europäischen Kontext vorzustellen. Professor Kotalik erklärte:

"Ich entschied mich dafür, das Grundlegende von dem Barockprinzip zu zeigen - an charakteristischen Exponaten werden bestimmte Prinzipien des Barockstils präsentiert: die Masse, der Raum, die Geometrie, Farbe, Synthese, der Urbanismus, der Detail usw. Es gelang uns, nicht nur verschiedene historische, auf Bestellung hergestellte Modelle, sondern auch technische Modelle aus den wenig bekannten Sammlungen des Technischen Nationalmuseums zusammenzutragen. Wichtig ist auch das entsprechende Videoprogramm, denn ich halte ein dynamisches Erleben der Architektur für unersetzlich."

Die Barockausstellung wird in der Reitschule der Prager Burg installiert, auf der Terrasse werden Plastiken namhafter Bildhauer der Barockzeit ausgestellt.

Die einzige Ausstellung, die nicht in einem authentischen Milieu installiert wird, ist die Ausstellung über die Architektur des 19. Jahrhunderts. Diese wird in den Kaiserlichen Pferdeställen zu sehen sein. Autoren der Ausstellung sind bemüht, die Atmosphäre der Zeit zu vermitteln. Mit authentischen graphischen Blättern, Zeichnungen und Modellen wird gezeigt, inwieweit die böhmischen Länder in der Lage waren, auf bestimmte Gedanken zu reagieren, die die Industrialepoche mit sich brachte. Dr. Pavel Zatloukal meinte:

"Das Thema umfasst ungefähr die Jahre 1780 bis 1895, und wird durch einige für Europa grundlegende Änderungen begleitet. Dazu gehört die sinkende Bedeutung des Christentums, das nicht mehr die führende Idee in Europa darstellt. Auf die Architektur wirkt sich diese Tatsache so aus, dass Sakralbauten - wie Kirchen und Klöster - nicht mehr dominierende Bauten sind. An Bedeutung gewinnen Schlossparks sowie verschiedene Verkehrsbauten, die z. B. mit der Eisenbahnerfindung zusammenhängen. Europa entdeckt orientalische Bauten - in den Schlossparks werden chinesische oder japanische Tempel errichtet. Wiederentdeckt wird der gotische Stil - in den Parks tauchen neogotische Bauten oder Ruinen auf. Moderne Städte erleben eine Krise. In Prag oder auch in Brno/Brünn stellte man sich die Frage, wie man mit der Altstadt umgehen soll."

Die Ausstellung über die Architektur des 20. Jahrhunderts wird vorwiegend im Rothmayer-Saal der Prager Burg installiert, der am Anfang des 20. Jahrhunderts von Architekt Josip Plecnik gestaltet wurde. Architekt Zdenek Lukes bemerkte zum Konzept der Ausstellung:

"Das Konzept besteht darin, dass wir einerseits die Wege der tschechischen Architektur im 20. Jahrhundert vorstellen werden, die so zu sagen ins Verlorene führten - den Jugendstil, den Kubismus oder die Art Deco Architektur und auch den unglücklichen "Sorela"-Stil der 50er Jahre. Im Rothmayer-Saal werden andererseits 8 Beispiele der avantgardistischen Architektur gezeigt - darunter die Prager Villa Müller von Architekt Adolf Loos, das Brünner Hotel Avion oder der Messepalast. Die weitere sehr komplizierte Entwicklung der Architektur bei uns wird in kurzen Dokumentarfilmen über die Gegenwartsarchitektur gezeigt."

Damit ist unsere Einladung in die Ausstellung "Zehn Jahrhunderte der Architektur" beendet. Es bleibt nur noch hinzuzufügen, dass die Ausstellung am 5. April auf der Prager Burg eröffnet wird. Anlässlich der Ausstellung werden auch Führer durch die einzelnen Baustile herausgegeben, die nicht nur für die Besucher dieser Ausstellung bestimmt sind, sondern auch als Führer durch historische Sehenswürdigkeiten in der ganzen Tschechischen Republik benutzt werden können. Auch Sie sind, verehrte Hörerinnen und Hörer, zu dieser Ausstellung herzlich eingeladen.