60 Jahre Gedenkstätte in Theresienstadt
Am 8. Mai gedenken wir auch besonders der Opfer des Nationalsozialismus. Anlaufpunkt dafür kann das Garnisionsstädchen Theresienstadt sein. Die Nationalsozialisten hatten hier ein Konzentrationslager für Juden eingerichtet. Mehr als 30.000 Juden kamen hier ums Leben, fast 90.000 wurden in die Vernichtungslager im Osten weitergeschickt. Zwei Jahre nach Kriegsende, vor nunmehr 60 Jahren, wurde auf dem Gelände des ehemaligen KZ Theresienstadt eine Gedenkstätte eröffnet, um die Erinnerungen an die Schrecken lebendig zu halten. André Plaul hat anlässlich dieses Jubiläums mit Vojtech Blodig, dem Vize-Direktor der Gedenkstätte Theresienstadt, gesprochen.
Herr Blodig, welche Bedeutung hatte und hat Theresienstadt für die Geschichte des Zweiten Weltkriegs?
"Also, man kann sagen, dass in Theresienstadt und der nächsten Umgebung die größten repressiven Einrichtungen der Okkupanten in den böhmischen tschechischen Ländern konzentriert wurden."
Wie viele Menschen haben im Lager von Theresienstadt ihr Leben verloren?
"Man kann sagen, dass mehr als 200.000 Personen diese Einrichtung passiert haben. Etwas mehr als zwei Drittel davon haben die Befreiung nicht mehr erlebt. Das war der Hauptgrund für die Errichtung der Gedenkstätte Theresienstadt, die also das Andenken dieser Opfer für die nächsten Generationen pflegen sollte und natürlich auch die Räumlichkeiten, die mit dem Leiden dieser Opfer verbunden waren, Instand halten sollte."
Das war also die Idee, die 1947 dahinter steckte. Konnte dieses Vorhaben gleich von Anfang an so realisiert werden?
"Leider hat man sich nach dem Jahre 1948 bei der Gedenkstätte fast ausschließlich auf das Polizeigefängnis der Gestapo konzentriert und auch hier zwischen den damaligen Häftlingen unterschieden. Man hat nur über die kommunistischen Häftlinge gesprochen. Das Schicksal der anderen Häftlingsgruppen wurde der Öffentlichkeit nicht näher gebracht. Das waren die Hauptkomplikationen, die mit der Geschichte der Gedenkstätte in den ersten Jahrzehnten ihrer Existenz verbunden waren."
Nun waren diese Probleme, von denen Sie sprechen, natürlich politischer Herkunft. Hat sich die Wahrnehmung Theresienstadts mit dem Ende des Kommunismus nach 1989 geändert?
"Nach 1989 kam es zu sehr gravierenden Veränderungen. Man hat vor allem die Geschichte des Ghettos nicht nur in seinem vollen Ausmaß studiert und der Öffentlichkeit präsentiert, man hat auch das Ghetto-Museum, das die befreiten ehemaligen Häftlinge schon kurz nach dem Krieg errichten wollten, endlich eingerichtet. Also mit einer, man kann sagen, mehr als 40-jährigen Verspätung."
Die Gedenkstätte, die jetzt schon seit 60 Jahren besteht, befindet sich auf dem Gelände der sog. Kleinen Festung. Dort konnten zahlreiche Einrichtungen der Nationalsozialisten erhalten werden, wie beispielsweise der Verwaltungshof oder die Gefangenenzellen. Was erwartet die Besucher heute dort?
"Man kann die Originaleinrichtung der Zellen sehen und man kann sich genauere Vorstellungen machen, wie die Unterbringungsbedingungen und vor allem die hygienischen Bedingungen waren - besonders in den Massenzellen. Auf der anderen Seite, nach der Besichtigung dieser Original-Bestandteile des Gefängnisses, kann man die ständige Ausstellung, oder besser gesagt Ausstellungen, besichtigen. Dort wurden, wie gesagt, auch andere Themen bearbeitet. Und man kann dann mehr detaillierte Informationen zu den erhaltenen Bauten und Arealen finden."
Diese Bauten, sowie die Ausstellungen, müssen auch gepflegt und Instand gehalten werden, was, wie ich mir vorstellen kann, Unmengen von Geld verschlingt. Woraus finanziert sich die Gedenkstätte Theresienstadt?"Die Gedenkstätte wird vom Staat finanziert. Wir sind eine Organisation des Kulturministeriums der Tschechischen Republik und dieses Ministerium gewährt uns Finanzmittel für die Aktivitäten und die Unterhaltung der Gedenkstätte Theresienstadt. Die Stadt ist natürlich selbstständig und hat nach dem Abzug der Militäreinheiten große Probleme mit diesen Objekten, die also jetzt praktisch überhaupt nicht genutzt werden und auch nicht in gutem Zustand sind."
Gerade jetzt im Mai kommen bestimmt wieder zahlreiche Besucher zu Ihnen nach Theresienstadt. Worauf richten Sie sich ein?
"Die Besucher kommen in großen Zahlen im Mai. Besonders am dritten Mai-Wochenende, weil es zu dieser Zeit die zentrale Gedenkfeier für alle Opfer der Okkupationen in Theresienstadt gibt. Zu dieser Feier kommen auch die leitenden Persönlichkeiten des politischen Lebens, z.B. wird in diesem Jahr Präsident Klaus die Hauptrede abhalten. Es kommen auch Repräsentanten der verschiedenen Organisationen und natürlich auch die Botschafter oder die Vertreter der Botschaften der Länder, deren Bürger in Theresienstadt in den Kriegsjahren eingekerkert wurden. Man muss dazu erwähnen, dass nach dem Krieg die ehemaligen Häftlinge in insgesamt 30 Länder, nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt repatriiert wurden. Also die Präsenz der ausländischen Vertretungen ist sehr hoch."Vielen Dank, Herr Vojtech Blodig - Vize-Direktor der Gedenkstätte Theresienstadt.