Abmagerungskur für die tschechische Stahlindustrie

Die vorwiegend im nordmährischen Industrierevier angesiedelte tschechische Stahlindustrie steht vor einer drastischen Schlankeitskur. In den nächsten vier Jahren müssen rund 12.000 Arbeitnehmer mit der Entlassung rechnen. Damit setzt sich der Trend der Redimensionierung einer einst tragenden Branche der hiesigen Industrie fort. Mehr dazu von Rudi Hermann.

Als 1989 der Sozialismus in der damaligen Tschechoslowakei zusammenbrach, beschäftigen die Betriebe der tschechischen Stahlindustrie zusammen fast 140.000 Angestellte. 21 Jahre später, im Jahr 2010, sollen es nur noch gerade 24.000 sein, also rund ein Sechstel. Einen Beitrag zu dieser drastischen Abmagerungskur wird ein Restrukturierungsprogramm für den tschechischen Stahlsektor leisten, das als Studie der Gesellschaft EuroStrategy Consultants unlängst vorgelegt wurde. Wie die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny berichtet, sieht die Studie vor, dass über die nächsten 4 Jahre 12.000 Arbeitnehmer in der Stahlindustrie ihre Stelle verlieren werden.

Wie die Schwierigkeiten namentlich der beiden Grossunternehmen Vitkovice Stahl und Nova Hut Ostrava gezeigt haben, ist die Redimensionierung des Stahlsektors nachgerade eine Überlebensfrage. Deshalb stellt sich weniger die Frage, ob es auch mit einem bescheideneren Stellenabbau ginge, der den Arbeitsmarkt in der nordmährischen Region weniger belasten würde, als ob weiteres Zögern bei der Restrukturierung nicht noch verheerende Folgen für die Bevölkerung hätte als ein schmerzhafter, aber nötiger Schnitt.

Der Arbeitsplatzrückgang in der Stahlindustrie von 137.000 im Jahr 1989 auf 24.000 im Jahr 2010 nimmt sich zwar dramatisch aus, doch dabei gilt es zu bedenken, dass bei weitem nicht all diese Arbeitsplätze direkt mit der Stahlherstellung zusammenhängen. Sozialistische Grossbetriebe umfassten weit mehr als nur das eigentliche Kerngeschäft. Arbeitnehmer eines Stahlwerks konnten in zahlreichen werkseigenen Dienstleistungs- oder Zulieferbetrieben, in Ferienheimen, Hotels usw. beschäftigt sein. Im Rahmen der Restrukturierung des Sektors wurden und werden solche Zweige jedoch ausgelagert, namentlich dann, wenn es für das Stammunternehmen günstiger ist, solche Leistungen auf dem Markt einzukaufen. Arbeitsplatzabbau ist deshalb nicht mit Arbeitsplatzverlust gleichzusetzen. Dennoch gilt für die Schlankeitskur der nordmährischen Stahlwerke, dass kaum all diejenigen, die in von der Auslagerung betroffenen Sektoren arbeiten, ihre Stelle behalten können. Die Gewerkschaftsorganisationen bemängeln denn auch, dass die Studie zur Restrukturierung des Stahlsektors ein zu wenig präzises Sozialprogramm beinhalte. Der Minister für Arbeit und Soziales, Vladimir Spidla, verwies in diesem Zusammenhang aber darauf, dass sich gerade in diesem Fall die Zusammenarbeit zwischen Staat, Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf regionaler Basis bewährt habe. Durch Gespräche sei es gelungen, ein Konzept auszuarbeiten, dass den Vorstellungen des Arbeitsministeriums als Garant der Restrukturierung recht nahe komme. Laut Spidla ist es wichtig, dass die Region Nordmähren nach der Restrukturierung des Stahlsektors ihrer Bevölkerung wieder eine Lebensgrundlage bieten kann.

Autor: Rudi Hermann
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