Akutalne.cz - die erste reine Internet-Tageszeitung in Tschechien
Vor etwas mehr als einem Monat wurde die tschechische Zeitungslandschaft wieder um einen neuen Titel bereichert. Die Tageszeitung aktualne.cz, deren erste Nummer am 1. November erschienen ist, unterscheidet sich jedoch von den anderen, klassischen auf Papier gedruckten Zeitungen in einem Punkt ganz gravierend: sie erscheint nämlich ausschließlich im Internet. Somit ist sie die erste tschechische Internetzeitung, die mit dem Anspruch den Markt betreten hat, ihren Lesern ein vollwertiges Informationsangebot zu bieten das vergleichbar mit den gewöhnlichen Printmedien ist. Somit finden die Leser auch bei aktualne.cz die Berichte und Meldungen in den klassischen Rubriken wie Innen- und Außenpolitik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Kommentare.
Da die neue Internet-Tageszeitung den Anspruch erhebt, eine komplexe und multimediale Informationsplattform zu sein, können die Besucher der Homepage von aktualne.cz die Berichte nicht nur lesen, sondern auch Videosequenzen, oder Ton-Aufnahmen - zum Beispiel von Pressekonferenzen überspielen.
Schon im Vorfeld weckte das Projekt der ersten reinen Internet-Tageszeitung in Tschechien relativ großes Interesse bei der Fachöffentlichkeit. Zum einen, weil es gelungen ist, aktualne.cz in einer relativ kurzen Zeit - praktisch in einigen weinigen Monaten auf die Beine zu stellen. Zum anderen, weil die Redaktion von Beginn an auf einige sehr profilierte Journalisten zurückgreifen konnte, unter ihnen die als Enthüllungsjournalisten bekannt gewordenen Sabina Slonkova und David Machacek, die von der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny zu aktualne.cz stießen.
Über die Anfänge der neuen tschechischen Tageszeitung unterhielten wir uns mit deren Chefredakteur Jakub Unger, der die Erfahrungen des ersten Monats zusammenfasst:
"Uns hat der erste Monat stark überrascht und zwar auf Grund der positiven Reaktionen von Seiten der Leser. Wenn ich sie in einer Grundaussage zusammenfassen soll: Viele meinten, dass es bislang an einer seriösen Berichterstattung im tschechischen Internet gefehlt hat. Diese Feststellung freut uns weitaus mehr als der Umstand, dass wir auch eine unerwartet hohe Zahl an Lesern haben. Wir sind gemäß unseren ursprünglichen Annahmen von Zahlen ausgegangen, die um ein Drittel niedriger waren. Wöchentlich verzeichnen wir an die 300 000 Besuche, was wesentlich mehr ist, als wir erwartet haben."Chefredakteur Unger gibt im Gespräch mit Radio Prag zu, dass man bislang bei etwa fünfzig Prozent sei, was die Leistungsfähigkeit von aktualne.cz angeht. Auch die gegenwärtige Zahl von ungefähr 60 Mitarbeitern, die sowohl redaktionell, wie auch technisch für die Verwirklichung des Projekts sorgen, soll in den kommenden Monaten noch aufgestockt werden.
Hat man sich bei der Entwicklung von aktualne.cz von irgendwelchen Vorbildern im Ausland inspirieren lassen oder handelt es sich um ein rein tschechisches Projekt? Jakub Unger:"Bei den Vorbereitungen für den Start unseres Projekts haben wir in Erfahrung gebracht, dass wir schon originell sein müssen - ganz einfach, weil wir diese Internet-Zeitung für das tschechische Milieu herstellen wollen, dass sich nur schwer mit dem amerikanischen oder britischen vergleichen lässt, wo es üblich ist, dass viele große und renommierte Medien ganz massiv ins Internet gehen. Wir haben uns von der amerikanischen Washington Post inspirieren lassen und von der britischen BBC. Dennoch haben wir bald erkannt, dass wir hier in Tschechien auch unorthodoxe Wege beschreiten müssen. Es wird uns oft vorgehalten, dass es nirgendwo auf der Welt eine Tageszeitung gibt, die es nur im Netz gibt. Meine Antwort ist dann immer, dass, als damals Steve Jobs mit seinem Ipod gekommen ist, auch viele gemeint haben, dass wäre nicht realisierbar. Man muss eben auch einmal etwas riskieren und eigene Gedanken umsetzen."
Die Internet-Präsenz mittels eines eigenen speziellen Nachrichtenportals ist heute für die meisten großen tschechischen Medien eine Selbstverständlichkeit. Der unbestrittene Marktführer ist hier nach wie vor der Informationsserver IDnes, der von der auflagenstärksten unter den seriösen tschechischen Tageszeitungen, der Mlada fronta Dnes betrieben wird. Es ist übrigens interessant, dass die Chefs der neuen Internetzeitung aktualne.cz vor sieben Jahren zu den Gründern von IDnes gehörten und dort ihre ersten Erfahrungen mit Internet-Medien in Tschechien sammeln konnten, wie auch mit deren Akzeptanz von Seiten der Internet-Nutzer.Worin unterscheidet sich also "aktualne.cz" von den übrigen Informationsangeboten im Internet, wie zum Beispiel dem bereits erwähnten Server IDnes, oder dem Portal novinky, das von der Zeitung Pravo betrieben wird? Hören Sie dazu Jakub Unger:
"IDnes und Novinky transkribieren lediglich Agenturmeldungen und unterscheiden sich also von einander fast gar nicht. Für gewöhnliche Leser ist das vielleicht nicht so erkennbar, aber praktisch handelt es sich bei allen um ein und dieselbe Quelle, die verwertet wird - bei Meldungen aus dem Inland ist das die Agentur CTK, bei ausländischen die anderen gängigen Agenturen, wie Reuters oder AP. Unter diesen Umständen lässt sich aber nicht von einem auf Konkurrenz aufgebauten Klima sprechen. Aktualne.cz bringt hingegen ursprüngliche Nachrichten, füllt seine Rubriken mit aktuellem Inhalt. So versuchen wir uns auf dem Medienmarkt als ernst zunehmendes Angebot zu behaupten. Das wird noch dadurch unterstrichen, dass wir in unserer Redaktion profilierte Redakteure haben und deshalb trauen wir uns täglich Nachrichten und Informationen anzubieten, die anderswo nicht zu finden wären. Damit erfüllen wir auch den journalistischen Grundauftrag jedes Mediums, nämlich neue Informationen zu bringen."Die meisten der Redakteure von aktualne.cz waren früher in Printmedien tätig. War deshalb eine Umgewöhnung notwendig? Es ist ja anzunehmen, dass die Arbeit mit dem Internet immerhin einen etwas anderen Arbeitsstil und Arbeitsrhytmus erfordert. Hören Sie dazu abschließend noch einmal den Chefredakteur von aktualne.cz, Jakub Unger:
"Das kann man sicherlich so sehen und das war auch zu erwarten. Der erste Monat war sehr arbeitsintensiv und bracht allen Beteiligten viele neue Erfahrungen. Ich würde sagen, dass viele Kollegen vielleicht erst jetzt die Möglichkeiten zu schätzen wissen, die ein multimediales Medium bietet: Wenn ein Journalist findet, dass er seine Information besser als klassischen Text an die Leser bringt, dann tut er das auf diese Weise. Wenn er aber findet, dass ein gesprochenes Wort in der jeweiligen Situation besser ist, dann greift er zum Mikrophon. Das eröffnet auf einmal auch sehr erfahrenen Journalisten völlig neue Wege, wie sie mit den Lesern kommunizieren können. Natürlich hat das allen ein noch intensiveres Arbeitstempo abverlangt und gerade jetzt in der Anfangsphase strengen wir uns ganz besonders an, aber wie gesagt - der Horizont von uns allen hat sich in den vergangenen Wochen erweitert und das ist die wichtigste Veränderung, die wir erlebt haben."