Per Anhalter über den Atlantik

Matěj Vohryzek (Foto: Archiv von Matěj Vohryzek)
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Von Portugal in die Karibik. Normale Touristen nehmen für diese Strecke das Flugzeug. Der junge Tscheche Matěj Vohryzek hat es auch anders auf die andere Seite des Atlantik geschafft – und zwar per Anhalter.

Matěj Vohryzek  (Foto: Archiv von Matěj Vohryzek)
„Ich habe bei der Reise fünf bis acht Kilo abgenommen. Denn wir waren drei Wochen, also 22 Tage auf dem Schiff. Wir, das heißt drei Menschen und ein Hund.“

So beschreibt Matej Vohryzek das Ergebnis seiner abenteuerlichen Bootsfahrt. Im vergangenen Jahr war er von Portugal und Spanien über Marokko, die Kanaren und Azoren bis in die Karibik gekommen. Bezahlt hat er für den Weg nichts, denn er ist per Anhalter über den Ozean geschippert. Mitgenommen hat ihn ein argentinischer Tellerwäscher mit seiner Freundin, die derzeit gemeinsam mit ihrem Hund in Frankreich leben.

Wie ist es aber überhaupt zu der Reise gekommen? Die Idee hatte Matej Vohryzek aus Brasilien mitgebracht, wo er vor einigen Jahren studiert hat. Denn gerade in der Karibik und in Südamerika ist der Boatstop eine ganz normale Art, um von A nach B zu kommen. Der junge Anthropologe selbst kam durch Zufall darauf:

Rio de Janeiro  (Foto: Rafael Rabello de Barros,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
„Ich war an einem Projekt im Amazonasgebiet beteiligt. Irgendwann musste ich in die nächste Stadt, um meinen analogen Film entwickeln zu lassen. Ich bin dann irgendwie nach Rio de Janeiro gekommen und habe dort einen Deutschen kennengelernt, der mit seinem selbstgebauten Boot aus Neuseeland nach Südamerika gefahren ist. Gemeinsam haben wir meinen Film mithilfe einer Mischung aus Kaffee, Soda und Vitamin C entwickelt – das ist an sich schon eine super Story. Dabei hat er eins erzählt: Insgesamt sei es so, dass es immer wieder Kapitäne gebe, die Hilfe auf ihrem Schiff bräuchten. Und gerade die würden dann Menschen anheuern, die eigentlich aber nur von einem Ort zum andern kommen wollen. Bei mir ist dann der Plan gereift, ohne Flugzeug irgendwie ans andere Ende des Planeten zu kommen. Damit hat meine Karriere als Schiffs-Tramp angefangen.“

Jakobsweg  (Foto: Dietmar Giljohann,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Seine erste eigene Tour startete er jedoch einige Zeit später von Europa aus. Genauso wie damals spielte dabei der Zufall eine Rolle. Vohryzek wollte nämlich nicht einsehen, dass seine Pilgerfahrt am Jakobsweg an der Atlantikküste zu Ende sein sollte:

„Das war nach meinem Magister, als ich zu Fuß nach Santiago gepilgert bin. Ich stand dann da und dachte mir: Jetzt ist der richtige Moment, um auf die andere Seite des Atlantiks zu kommen. Natürlich am besten per Anhalter. Über Umwege kam ich auf die Kapverden und habe dort mein erstes Schiff gestoppt.“

Nur der Wille zählt, und eine gute Ausdauer

Per Anhalter über das Meer, das kann man sich als Tscheche kaum vorstellen. Zwar hat das klassische Trampen eine lange Tradition hierzulande, einen Zugang zum Ozean hat Tschechien jedoch nur bei Shakespeare. Wie findet man also auf hoher See eine kostenlose Mitfahrgelegenheit? Matej Vohryzek:

„Natürlich springt man nicht mit dem Rettungsring ins Wasser, hebt seinen Daumen und hofft, dass man mitgenommen wird. Das Ganze läuft so ab, dass man in einen Hafen geht und nach einem Menschen sucht, der zufällig in die gewünschte Richtung unterwegs ist. Man muss mit ihm reden. Vielleicht hat man dann Glück, und er will einen tatsächlich mitnehmen. Da spielen aber auch gewisse andere Faktoren eine Rolle, und zwar ob man gut kochen und putzen kann und ob man gerne lange aufbleibt. Denn die Nachtwachen sind besonders wichtig. Damit hilft man den Kapitänen am meisten.“

Foto: Archiv von Matěj Vohryzek
Anpacken heißt also die Devise. Wie schafft man das aber ohne jegliche maritime Vorkenntnisse? Selbst ohne Erfahrungen sei es nicht schwer, auf irgendein Schiff zu kommen, findet Vohryzek:

„Ich bin ja Anthropologe und handwerklich nicht besonders geschickt. Viel wichtiger ist aber ohnehin, dass man den Mut aufbringt zu fragen und dass man ganz einfach mit will auf dem Schiff. Ich weiß, das hört sich ganz furchtbar nach Klischee an, aber es ist einfach so. Ich wusste von Anfang an, dass es klappen muss und bin aufs Schiff gestiegen und losgefahren. Es reicht oft, wenn man zwei gesunde Hände und ein bisschen Bauernverstand hat. Dennoch muss jedem eines bewusst sein: Die Reise ist kein Spaziergang, und das Ganze ist anstrengend, sogar sehr anstrengend.“

Was man aber braucht, das ist laut dem Anthropologen aus Tschechien (eines:) viel Vertrauen. Denn wie beim Autostopp gilt auch auf hoher See – man steigt zu einem Fremden mit in die Kajüte:

„Wie bei vielen Dingen auf der Welt muss man da auf sein Bauchgefühl hören. Bei meiner Reise war dieses zunächst sehr positiv, obwohl die Stimmung später im Keller war. Eine besondere Sache gilt natürlich für Frauen. Die müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie drei Wochen allein auf engstem Raum mit einem einsamen Seebären verbringen. Und zwar ganz ohne die Möglichkeit auszusteigen und zurückzufahren. Ich will aber niemandem Angst machen, denn ich habe noch nie von irgendwelchen Problemen an Bord gehört. In der Regel kommt jeder sicher auf der anderen Seite des Atlantik an.“

Foto: Archiv von Matěj Vohryzek
Wenn man per Anhalter übers Meer fährt, dann würde man meist auf kleine Segelschiffe steigen, erklärt Matej Vohryzek. Es seien nämlich nur ganz bestimmte Gruppen von Menschen bereit, jemanden mit auf hohe See zu nehmen:

„Oft sind das reiche Leute, die einmal im Jahr eine Ausfahrt mit ihrem Segelschiff machen und dabei eine helfende Hand brauchen. Dann gibt es wiederum Menschen, die ich als Obdachlose der Meere bezeichnen würde. Das sind Aussteiger, die meist nur noch ihr Boot haben und sonst nichts. Eine weitere große Gruppe sind dann junge Menschen, die keine Lust auf ein Leben zwischen Wohnung und Firma haben. Das sind diejenigen, die sich einfach ein Boot kaufen und sich damit einen Traum erfüllen.“

Nichts für dünne Nerven

Illustrationsfoto: Sebastian Gołębiowski,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED
Eines ist bei der Reise laut dem Abenteurer besonders anspruchsvoll. Drei Wochen auf engstem Raum sind laut Vohryzek eine massive Belastung für Psyche und Nerven. Vor allem da man permanent springen muss, wenn der Kapitän pfeift und etwas braucht. Nichtsdestotrotz war die Reise für den Anthropologen aus dem böhmischen Kessel eine ganz besondere Lektion des Lebens:

„Die schwerste aber zugleich schönste Tätigkeit auf dem Schiff ist die Nachtwache. Denn man sieht auf der einen Seite den Mond langsam unter- und auf der anderen Seite die Sonne aufgehen. Man fährt ja von Osten nach Westen und hat einen guten Blick darauf. Ansonsten sitzt man aber neun Stunden an Deck und kann nicht einen Moment lang die Augen zumachen. Denn wenn der Wind plötzlich dreht, dann müssen die Segel neu ausgerichtet werden, um den Kurs beizubehalten. Man ist also die ganze Zeit müde, dazu kommen noch der Hunger und der Mangel an Privatsphäre tagsüber. Gerade aber die Nachtwache ist sehr schön. Schließlich leuchten um einen herum die Sterne und das Plankton, und man fühlt sich, als sei man der einzige Mensch auf der Welt. Das ist wirklich phantastisch. Dazu kommt noch das besondere Gefühl, dass unter einem 3000 Meter Tiefe sind, die man nicht einfach so begreifen kann.“

Vom Schiff aufs Flugzeug

Azoren  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Vom brasilianischen Dschungel über den Jakobsweg bis hin zu seiner Tramp-Tour über den Atlantik – Matej Vohryzek liebt das Abenteuer. Welche Pläne hat er also für die Zukunft?

„In den kommenden Wochen bin ich auf den Azoren, wo Freunde von mir wohnen. Ich plane da auch ein Inselhopping. Weil die Schiffs- und Flugtickets dort sehr teuer sind, mache ich das natürlich per Anhalter. Ein weiteres Ziel ist dann die Seidenstraße. Langfristig habe ich aber die ehemaligen Kolonien Europas im Blick. Ich möchte eine Zeitlang auf Neukaledonien verbringen, das gehört ja zu Frankreich, und da darf ich legal arbeiten und ein paar Euro dazuverdienen. Außerdem liegt das im Pazifik, was eine neue Herausforderung wäre für mich als Schiffs-Tramp. Sicher findet sich im Stillen Ozean das ein oder andere Schiff als Mitfahrgelegenheit.“

Matej Vohryzek will schon bald aber noch ein weiteres Verkehrsmittel per Daumen anhalten:

„Es ist eine Sache, die ich jetzt auf den Azoren ausprobieren möchte. Ich will nämlich per Anhalter mit dem Flugzeug unterwegs sein. In der Karibik beispielsweise ist diese Art des Reisens schon jetzt weit verbreitet, für Europa sehe ich es aber als Herausforderung. Ganz bestimmt wird das komisch, denn ich plane ja kostenlose Flüge mit kleinen Privatmaschinen.“