Antonín Dvořák in Amerika
In den Jahren 1892 bis 1895 lebte der tschechische Komponist Antonín Dvořák in den USA. Dort komponierte er seine berühmteste Symphonie „Aus der Neuen Welt“.
Anfang der 1890er Jahre traf sich Antonín Dvořák in London mit der Gründerin des First National Conservatory in New York, Jeanette Thurber. Dem Treffen war ein intensiver Briefwechsel mit einem einzigen Ziel vorausgegangen: Sie wollte den berühmten Komponisten überzeugen, den prestigeträchtigen Posten an der Spitze des New Yorker Konservatoriums zu übernehmen. Dvořák war in den Vereinigten Staaten bekannt, bereits 1884 hatte er ein Angebot für eine Amerika-Konzertreise erhalten. Die Gründer des Konservatoriums wollten die junge amerikanische Musik aus der Abhängigkeit von europäischen Vorbildern befreien. Bis dahin mussten junge amerikanische Komponisten zum Studium nach Europa reisen. Warum sollte es nicht umgekehrt sein? Warum könnte eine Persönlichkeit wie Dvořák, nicht direkt in New York eine eigene amerikanische Musiktradition und Musikausbildung etablieren? Angeblich hatte Dvořák die Einladung zunächst abgelehnt. Und erst nach dem persönlichen Treffen mit Jeanette Thurber soll er sich für Amerika entschieden haben. Dabei spielte wohl nicht zuletzt das hohe Jahressgehalt von 15.000 Dollar (35.000 Gulden) eine Rolle. Dvořák machte sich begeistert an die Arbeit. Eine seiner ersten Aufgaben war es, die Kompositionen zu begutachten, die zum Musikwettbewerb des Konservatoriums eingeschickt wurden. Der Komponist schrieb darüber Folgendes in einem Brief nach Hause: „Es gibt hier Talente, sie werden aber furchtbar vernachlässigt. Ihre Fähigkeiten sind gering. Ich bin hauptsächlich deswegen hierher berufen worden, um ihnen, wenn möglich, zumindest den Weg zu zeigen.“
Neben seinen Aufgaben als Direktor des Konservatoriums hatte der Komponist viel Zeit und Anreize zum Komponieren. Nach etwa einem Jahr in Amerika überraschte er New York. Am 17. Dezember 1893 berichtete die Zeitung „Herald“ vom Musikereignis des Jahres: „Von allen Seiten gab es einen Sturm des Beifalls. Alle schauten in die Richtung, in die der Dirigent des Orchesters schaute. Es war offensichtlich, worauf alle Augen gerichtet waren. Begeisterte Rufe waren im ganzen Saal zu hören: ‚Dvořák, Dvořák!‘ Während sich der Komponist verbeugt, haben wir die Gelegenheit, diesen Tondichter zu beobachten, der das Herz des so zahlreichen Publikums erobern konnte“, so der New York Herald über die Uraufführung von Dvořáks Sinfonie Nr. 9 e-Moll „Aus der Neuen Welt“. Das musikalisch ausgebildete Publikum in New York hatte das Gefühl, gerade den absoluten Höhepunkt der Romantik, die beste symphonische Musik aller Zeiten gehört zu haben. Dvořáks musikalische Erfindungskraft in dieser Symphonie ist beeindruckend, eingängig und sozusagen ansteckend. Die damalige Fachöffentlichkeit in den USA lobte Dvořák dafür. Musikkritiker meinten sogar, dass Dvořák gerade den Grundstein für die neue amerikanische Musik gelegt habe. Das Largo der Symphonie wurde sogar zur Hymne des Staates Iowa.
Einer der Orte in Amerika, an denen Antonín Dvořák tiefe Spuren hinterlassen hat, ist das kleine Dorf Spillville in Iowa. Sein Sekretär Josef Kovařík, ein amerikanischer Tscheche, der aus dieser kleinen Gemeinde stammte, brachte ihn dorthin. Der Komponist und seine Familie hielten sich dort im Sommer 1893 etwa drei Monate lang auf. Dvořák ging morgens in die St.-Wenzel-Kirche, wo er bei der Morgenandacht Orgel spielte. Er wanderte gerne in der Prärie, die gleich hinter dem letzten Gebäude von Spillville begann. Bei den Spaziergängen entlang des dortigen Flusses kamen ihm musikalische Ideen. In Spillville komponierte Dvořák auch sein berühmtes Streichquartett F-Dur op. 96, das „Amerikanische“.