„Apparat“: Tschechisch-deutsches Team inszeniert Kafkas Strafkolonie in Prag und Stuttgart

'Apparat'
  • „Apparat“: Tschechisch-deutsches Team inszeniert Kafkas Strafkolonie in Prag und Stuttgart
0:00
/
3:56

„In der Strafkolonie“ ist eine Erzählung von Franz Kafka. Dieser Text wird derzeit von einem tschechisch-deutschen Team in Prag und Stuttgart auf die Bühne gebracht.

Die deutsche Regisseurin Katharina Schmitt inszeniert gerade Kafkas „In der Strafkolonie“ – und zwar im Studio Hrdinů in Prag. Das Stück wird unter dem Namen „Apparat“ aufgeführt. Franz Kafkas Erzählung von 1914 handelt von einem Forschungsreisenden, der in die Strafkolonie eines mächtigen Landes eingeladen wird, um bei einer öffentlichen Exekution zuzusehen. Vollzogen wird diese grausame Prozedur durch eine Maschine. Schmitt inszeniert „In der Strafkolonie“ gemeinsam mit einem tschechisch-deutschen Team. Ihre Interpretation hebe sich besonders durch die Trennung von Ton und Bild ab, erzählt sie:

Katharina Schmitt | Foto: Pavel Svoboda,  Studio Hrdinů

„Wir arbeiten in der Inszenierung mit einer Voice-Over-Aufnahme der bearbeiteten Geschichte von Franz Kafkas ‚In der Strafkolonie‘, die von der Schauspielerin Ivana Uhlířová eingesprochen wurde. Diese Entscheidung ermöglicht uns eine Trennung der einzelnen Inszenierungselemente — der Bild-, Klang- und Kompositionsebene, denn wir arbeiten auch mit musikalischen Kompositionen. Diese unterschiedlichen Materialien haben dann ihre eigenen Rhythmen und Logik. Man kann als Zuschauer versuchen, sich auf alles gleichzeitig zu konzentrieren oder sich auch für nur eine Ebene entscheiden.“

Schmitt hat gezielt „In der Strafkolonie“ für ihr neues Projekt gewählt. Zum einen hält sie den Text für ein gutes Ausgangsmaterial, um am Theater damit zu arbeiten. Aber nicht nur das...

„Der andere Grund, warum ich das jetzt mache, hat zu tun mit der Frage nach dem Blick auf das Leiden anderer, was in der Strafkolonie ein riesiger Themenbereich ist. Und das ist im Moment für mich ein wahnsinnig wichtiges Thema. Was bedeutet es, dass wir in dieser Zeit der Multikrise alle die ganze Zeit Bilder von dem Leiden anderer sehen? Es ist nicht unser Leiden, und wir können das nicht sehr beeinflussen. Unsere eigene Wirkmacht diesem Leiden gegenüber ist sehr gering. Man schaut hin, um zu verstehen und um am Zeitgeschehen teilzuhaben. Und ich frage mich schon, was das mit einem macht oder auch, was das mit mir macht. Das ist der Grund, warum ich diese Geschichte jetzt inszeniere.“

'Apparat' | Foto: Pavel Svoboda,  Studio Hrdinů

An der Entstehung des „Apparats“ arbeitet Katharina Schmitt mit einem tschechisch-deutschen Team. Ein wichtiger Bestandteil der Inszenierung ist die Musik, die die Atmosphäre des Stücks maßgeblich prägt. Verantwortlich dafür ist der deutsche Komponist Christoph Wirth. Der Sänger Vojtěch Šembera setzt dies mit seiner Stimme um. Er gehört zum tschechischen Teil des Teams. Diese grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist für Schmitt sehr wichtig:

'Apparat' | Foto: Pavel Svoboda,  Studio Hrdinů

„Ich selbst bin Deutsche, habe in Tschechien studiert und arbeite relativ viel hier. Ich bemühe mich aber in meiner Arbeit um ein Zusammenkommen von den unterschiedlichen Kontexten, in denen ich arbeite. Und hier hatten wir das Glück, von Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds gesponsert zu werden. Mir war wichtig, die Inszenierung auch in Deutschland zu zeigen. Wir haben das JOiN, also die Junge Oper in Stuttgart als Partner dafür gewinnen können. Wir freuen uns sehr, die Arbeit im Herbst dort zu zeigen.“

Es ist bereits die zweite Kafka-Inszenierung der Regisseurin, doch diesmal wagt sie ein Experiment. Sie hat ein Überraschungsmoment eingebaut, bei dem sie selbst noch nicht weiß, wie das Publikum darauf reagieren wird.

'Apparat' | Foto: Pavel Svoboda,  Studio Hrdinů

„Ich finde, die Inszenierung ist in den Bildern, die wir bauen, relativ brutal. Und mir war es ein Bedürfnis, auf einer leichteren Note zu enden. Deswegen laden wir die Zuschauer zum Ende der Inszenierung auf die Bühne ein, mit uns Tee zu trinken. Genau wie es bei Kafka der Fall ist. Ich habe noch nie eine Inszenierung mit einem Bild beendet, das ich nicht selbst gebaut habe. Ich weiß nicht wirklich, was passiert, aber ich freu mich darauf zu sehen, wie die Leute reagieren und ob sie auf die Bühne kommen oder nicht. Ich persönlich kann gut verstehen, wenn man da eher schüchtern ist. Ich selbst würde auch erst mal zugucken. Also mal sehen, wie sich das entwickelt. Ich hoffe, ein paar Leute kommen uns besuchen.“

Nach den Aufführungen in Prag ist das Stück ab Herbst in Stuttgart zu sehen.

Wer sich auf dieses außergewöhnliche Theatererlebnis einlassen möchte, kann „Apparat“ am 3. und 4. April im Studio Hrdinů in Prag erleben. Weitere Informationen gibt es auf der Website: https://studiohrdinu.cz/en/production/aparat/

'Apparatus' | Foto: Pavel Svoboda,  Studio Hrdinů
Autor: Lina Zimmermann
schlüsselwort:
abspielen

Verbunden

  • Auf den Spuren von Franz Kafka

    Wo ist der weltberühmte Schriftsteller aufgewachsen und wo hat er seine Ferien verbracht? Welche Orte haben ihn inspiriert? Und wie war Kafka in natura?