"Arbeiten und Lernen für Europa": Das Kafka-Programm
Neun Studenten aus Frankfurt am Main absolvieren momentan für zwei Monate Praktika in Behörden, kommunalen Unternehmen und Kultureinrichtungen in Prag. Sie sind Teilnehmer des Kafka-Programms, einer Kooperation innerhalb der Städtepartnerschaften zwischen Frankfurt am Main, Krakau, Budapest und Prag. Gefördert wird das Programm von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Welche Erfahrungen die Studenten bisher in Prag gemacht haben, darüber nun mehr von Katharina Borberg in der Sendereihe "Begegnungen".
"Ich habe das Glück, dass mein Team sehr jung ist. Alle sind zwischen 25 und 35 Jahre alt. Außerdem ist es ein kleines Team. Und von Anfang an haben sie mich zum Essen oder auch zu Partys eingeladen und sie gehen sehr locker miteinander um. Die Arbeit macht sehr viel Spaß."
erzählt Karolina Kowalczyk, die in Frankfurt Kunstgeschichte studiert und ihr Praktikum im Centre for Central European Architecture absolviert. Sie ist begeistert von der lockeren Arbeitsatmosphäre in ihrem Büro, aber besonders beeindruckt hat sie die Stadt Prag selbst.
"Man lernt die Stadt wirklich von einer anderen Seite kennen. Man geht morgens zur Arbeit während die Touristen auf die Karlsbrücke gehen und man entwickelt dann ein ganz anderes Gefühl für die Stadt. Ich habe eher schon das Gefühl, dass es wie ein zweites zu Hause sein könnte."
Auch die anderen Studenten haben sich nach fünf Wochen schon recht gut in Prag eingelebt, wie Daniel Unrein erzählt. Er studiert BWL an der Frankfurter Universität und absolviert sein Praktikum bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rödl und Partner.
"Unter der Woche arbeitet man bis halb sechs oder sechs. Und man muss sich natürlich auch um die alltäglichen Dinge kümmern, man muss einkaufen, man muss etwas essen. Also ist es schwierig unter der Woche die Stadt kennen zu lernen. Wirklich Zeit hat man nur am Wochenende. Natürlich ist man gut acht Wochen hier in Prag, da hat man schon etwas mehr Zeit als der übliche Tourist. Mittlerweile habe ich mich ganz gut eingelebt in Prag, kenne mich ganz gut aus und versuche die üblichen Touristengegenden auch zu meiden."
Genau wie Daniel sind auch die anderen Studenten überrascht von den vielen Touristen, die tagtäglich die Prager Innenstadt unsicher machen. Für die Studenten aus Frankfurt ist es deshalb besonders wichtig, dass sie Prag auch von einer anderen Seite kennen lernen. Nicht nur ihr Arbeitsalltag ermöglicht es den Studenten einen genaueren Einblick in das tschechische Leben zu erhalten. Zum Kafka-Programm, die Abkürzung Kafka steht übrigens für "Kommunaler Austausch für Fortbildung und Kooperation junger Akademiker", gehört es auch einen Blick hinter die Kulissen der Stadt Prag zu werfen, wie Daniel Unrein berichtet:
"Dazu muss man natürlich sagen, dass wir freitags nie arbeiten müssen, sondern uns die Stiftung aus dem Arbeitsalltag herausholt und versucht, uns Insidereinblicke von Prag zu vermitteln. Unser Freitagsprogramm führte uns beispielsweise hinter die Kulissen des Musikfestivals "Prager Frühling", zu einer Prager Tageszeitung, in ein Waisenhaus. Also alles Dinge die man als normaler Tourist, oder auch als normaler Bürger, teilweise nicht zu sehen bekommt."
Nicht nur für die Studenten aus Frankfurt ist das so genannte Freitags-Programm etwas Außergewöhnliches. Eliska Udatna hat selbst im letzten Jahr am Kafka-Programm teilgenommen. Sie gehörte zu der Gruppe tschechischer Studenten die ein Praktikum in Deutschland absolvierten. Nun betreut sie die Frankfurter Stipendiaten in Prag und erfährt so selbst viele neue Dinge über ihre Heimatstadt:
"Das stimmt schon, dass ich normalerweise nicht ins Rathaus gegangen wäre oder in ein Waisenhaus, wenn ich nicht beim Kafka-Programm arbeiten würde. Das sind für mich auch sehr viele neue Erfahrungen, die ich da machen kann. Dinge die ich normalerweise nicht erleben würde."
Natürlich erlebt man nicht nur Positives, wenn man für zwei Monate in einer fremden Stadt lebt und arbeitet. Vieles ist neu und auch mit den tschechischen Chefs und Kollegen muss man erst einmal warm werden. Gerrit Stevens absolviert sein Praktikum in der Tschechischen Nationalgalerie, er hatte dort einen etwas schwierigen Start:
"Ich habe am Anfang meines Praktikums festgestellt, dass sich die Leute hier erst an einen gewöhnen müssen. Zum Beispiel hat mein erster Arbeitstag nicht mein Programm erst einmal zusammengestellt werden. Dann ging es zwar, aber der erste Tag, das war schon eine Herausforderung."
Auch die tschechische Sprache macht es den Frankfurter Studenten nicht immer ganz leicht. Zwar absolvieren alle einen Tschechisch-Sprachkurs und können Englisch, aber gerade am Arbeitsplatz haben manche am Anfang ihres Praktikums doch noch ein paar Probleme gehabt:
"Am Anfang gab es schon eine Sprachbarriere. Bei uns auf der Arbeit sprechen zwar alle Englisch, aber sie haben sich nicht so getraut und waren ein bisschen scheu. Aber mittlerweile läuft es eigentlich sehr gut, weil alle sich mit mir auf Englisch unterhalten und ich ab und zu auch mal etwas auf Tschechisch sage. Das finden sie dann sehr sympathisch,"
erzählt Gunda Detmers, die für die Zeit ihres Praktikums bei der tschechischen Zweigstelle von Transparency International arbeitet. Sie fügt hinzu, dass man auch bei alltäglichen Dingen wie einkaufen, immer mal wieder auf tschechische Besonderheiten trifft."Zum Beispiel sind im Supermarkt die Leute etwas langsamer als in Deutschland. Die Kassierer gucken sich jedes Produkt von allen Seiten an und man denkt sich immer, was wollen sie denn? Aber die Leute sind sehr freundlich und dadurch ist es recht einfach. Ich versuche immer auf Tschechisch Sachen zu bestellen oder auch im Supermarkt auf Tschechisch zu kommunizieren. Und wenn die Verkäufer merken, da ist ein Fehler drin, dann verbessern sie einen auch gerne und freuen sich wenn man es versucht. Dadurch ist es manchmal auch sehr amüsant."
Die Studenten mussten sich allerdings nicht nur an die Besonderheiten des tschechischen Alltags und ihren neuen Arbeitsplatz gewöhnen sondern auch an ihre Mitstreiter. Dazu Gerrit Stevens:
"Das geht wirklich besser als ich gedacht hätte. Wir kannten uns vorher ja gar nicht, aber ich finde schon, dass es eine ganz homogene Truppe ist. Es sind neun verschiedene Leute, die teilweise extrem unterschiedliche Fächer studieren. Aber ich denke wir kommen doch ganz gut zusammen aus."
So ermöglicht die Zeit in Prag den Teilnehmern des Kafka-Programms nicht nur Einblicke in die Stadt und in bisher unbekannte Arbeitsfelder, sondern hat auch neue Freundschaften entstehen lassen, die bestimmt über die Zeit in Prag hinaus anhalten werden.