Instagram und Fahrradtour: Das Deutsch-tschechische Jugendforum und seine aktuellen Projekte

Plenartreffen des Deutsch-tschechischen Jugendforums

Das Deutsch-tschechische Jugendforum bringt bereits seit über zwei Jahrzehnten Menschen aus beiden Ländern zusammen. Das letzte Plenartreffen der Organisation fand im mährischen Brno / Brünn statt.

Felix Weiß | Foto: Ferdinand Hauser,  Radio Prague International

„Mich begeistert die organisierte Improvisation. Es sind alles Enthusiasten mit verschiedensten Hintergründen, die hier zusammenkommen und an der Sache mitwirken,“ so beschreibt Felix Weiß, was für ihn das Besondere am Deutsch-tschechischen Jugendforum ist. Das Plenartreffen in Brünn war für ihn nicht das erste: „Ich war eine Amtszeit lang Mitglied und bin nun schon in der zweiten Amtszeit als Mentor einer Arbeitsgruppe tätig.“

Das Deutsch-tschechische Jugendforum setzt sich aus 30 jungen Menschen zusammen. Über einen Zeitraum von anderthalb Jahren hinweg arbeiten sie gemeinsam in Kleingruppen an eigenen Projekten zu einem vorgegebenen Oberthema.

Plenartreffen | Foto: Ondřej Kavan

Eines der aktuellen Mitglieder ist der Jurastudent Nick Hrádek. Er gehört zu eben jener Arbeitsgruppe, die Felix als Mentor betreut.

„Unser Projekt heißt Poli-Blog. Es wird eine Instagram-Seite sein, auf der wir verschiedene politische Themen präsentieren. Mittels informativer Posts wollen wir Menschen aus beiden Ländern eine Möglichkeit bieten, sich zu informieren. Wir wollen so eine Brücke zwischen Deutschland und Tschechien schaffen.“

Die Projekte müssen jedoch nicht immer im digitalen Raum stattfinden. Bianca Brendel etwa gehört der Arbeitsgruppe „Na kole, ne fárem, Geschichte erfahren“ an:

Bianca Brendel | Foto: Katrin Gölz,   Deutsch-Tschechisches Jugendforum

„Geplant ist eine öffentliche Radtour, die das Schicksal zweier Personen aus beiden Ländern ergründet. Wir fahren über die Grenze von Schöna bis Košťany durch die deutsch-tschechische Geschichte.“

Wie Bianca weiter ausführt, sind die Lebensgeschichten, die auf der Fahrradtour vermittelt werden, eng mit der Zeit des Nationalsozialismus und seinen Folgen für die deutsch-tschechischen Beziehungen verbunden:

„Zum einen beschäftigen wir uns mit dem Tschechen Karel Podzemský. Er wurde in Košťany geboren, weshalb wir auch gerade an diesen Ort reisen wollen. In den 1930er Jahren ist Podzemský freiwillig als Arbeiter ins Staatsgebiet des nationalsozialistischen Deutschlands in den Grenzen vor 1938 gegangen. Dort wurde er in den 1940er Jahren jedoch in Dresden hingerichtet. Die Anklage lautete ‚tschechische Hetze‘. Die deutsche Biographie ist die von Rudolf Jenatschke. Er war Sudetendeutscher, Priester, begeisterter Fotograf und Heimatforscher in der Region um Ústí nad Labem. Er wurde jedoch vertrieben und musste seine geliebte Heimat verlassen.“

Auf die beiden Persönlichkeiten wurde die Gruppe über Ausstellungen und Museen in Deutschland und Tschechien aufmerksam:

Arbeitsgruppe „Na kole,  ne fárem,  Geschichte erfahren“ | Foto: Katrin Gölz,  Deutsch-Tschechisches Jugendforum

„Unser Gruppenmitglied Pavlína wohnt in Ústí nad Labem. In einer Ausstellung im dortigen Stadtmuseum ist sie auf Rudolf Jenatschke aufmerksam geworden. Ich habe wiederum mit der Gedenkstätte Münchner Platz in Dresden Kontakt aufgenommen. Dort werden viele tschechische Schicksale gesammelt. Uns wurde die Biographie von Karel Podzemský empfohlen. Erst letztes Jahr hat nämlich seine Schwester, die in Tschechien lebt, über die Gedenkstätte vom Schicksal ihres Bruders erfahren. Sie hat sich sehr gefreut, dass es noch Leute gibt, die sich für ihn interessieren,“ so Bianca, die in Dresden Slawistik und Geschichte studiert, derzeit jedoch im Auslandssemester in Prag lebt. Die Fahrradtour von „Na kole, ne fárem, Geschichte erfahren“ soll im September dieses Jahres stattfinden. Bis dahin ist es jedoch noch ein weiter Weg, und es gibt viel zu organisieren.

Gelegenheit hierfür bieten vor allem die Treffen der Arbeitsgruppen des Jugendforums. Aufgrund der Förderung durch verschiedene Partner entstehen den Mitgliedern dabei keine zusätzlichen Kosten.

Zwischen Schnitzeljagd und Projektmanagement-Workshop

Petr Veselý | Foto: Ondřej Kavan

Über den langen Zeitraum von fast zwei Jahren hinweg sehen sich alle Teilnehmer des Jugendforums zudem bei vier Plenartreffen. Das zweite hiervon fand am Wochenende vor Ostern in Brünn statt. Organisiert wurde es von den Koordinatoren Petr Veselý und Katrin Gölz. Bei ihnen laufen die Fäden der einzelnen Mitglieder zusammen.

Wie Petr sagt, gab es bei dem Plenartreffen unter anderem einen Workshop, bei dem die Mitglieder Input für die Organisation ihrer Projekte bekommen konnten.

Projektmanagement-Workshop | Foto: Ondřej Kavan

„Ich hoffe und glaube, dass sie viele neue Erfahrungen gewonnen haben – vor allem am Freitag, als wir den ganztägigen Workshop zum Thema Projektmanagement hatten. Ein Profi, der sonst Schulungen für Firmen durchführt, hat wertvolle Hinweise gegeben. Ich denke, dass es allen etwas gebracht hat.“

Jürgen Mistol | Foto: Ondřej Kavan

Beim Treffen in Brünn wurde aber nicht nur an den einzelnen Projekten gearbeitet. Im Zentrum stand vor allem, dass alle 30 Mitglieder wieder gemeinsam Zeit verbringen. So war einer der Programmpunkte eine Stadtrallye durch Brünn. Außerdem wurde die Villa Tugendhat besucht. Die Mitglieder des Jugendforums bekamen dort die Möglichkeit, sich mit dem Mitglied des Bayerischen Landtags Jürgen Mistol auszutauschen.

Derartige Treffen mit Politikern sind beim Jugendforum keine Seltenheit, denn die Organisation entstand 2001 aus einer Initiative des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums heraus. Als im Sommer vergangenen Jahres der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Staatsbesuch nach Tschechien reiste, waren auch Mitglieder des Jugendforums Teil der Delegation.

Katrin Gölz | Foto: Ondřej Kavan

Die Rolle, die Petr Veselý als Koordinator auf tschechischer Seite einnimmt, hat Katrin Gölz auf der deutschen. Gemeinsam mit Petr leitet sie die aktuelle Amtszeit. Wenn nicht gerade ein Plenartreffen ansteht oder sie digital mit den Gruppen in Verbindung steht, studiert sie Geodäsie. Bei der Zusammenkunft in Brünn sei auch einiges nicht nach Plan verlaufen, sagt sie: „Ich habe mich sehr auf das Plenartreffen in Brünn gefreut. Ziemlich viel ist schiefgegangen, es sind unerwartete Dinge passiert. Da mussten wir schnell reagieren. Dennoch hat am Ende alles geklappt. So, wie das Treffen verlaufen ist, war es genau richtig.“

Ehemalige Mitglieder engagieren sich weiter

Die eingangs erwähnte „organisierte Improvisation“ hat also auch die Zusammenkunft in Brünn begleitet. Womit wir wieder bei Felix wären, der 2017 bis 2019 Mitglied in einer Projektgruppe war. Das Plenartreffen in Brünn war für ihn nicht nur Anlass, als Mentor „seine“ Arbeitsgruppe zu unterstützen.

Projektmanagement-Workshop | Foto: Ondřej Kavan

„Für mich ist es eine sehr schöne Gelegenheit, die Leute wiederzutreffen, mit denen ich in vorangegangen Amtszeiten zusammengearbeitet habe. Und natürlich kann ich hier auch neue Menschen kennenlernen, die sich im deutsch-tschechischen Kontext engagieren.“

Den rechtlichen Rahmen des Jugendforums bilden zwei Trägervereine. Deren Aufgabe ist außerdem, die bestehenden Strukturen zu überdenken und zu verbessern. Im deutschen Verein ist nicht nur Felix Mitglied, sondern ebenso Fabian Kuntz. Auch er wollte dem Jugendforum nach dem Ende seiner Amtszeit nicht den Rücken kehren. So besucht er die alle zwei Jahre stattfindenden Alumnifeste. Und genauso war er in Brünn mit dabei:

Treffen mit Frank-Walter Steinmeier | Foto: Deutsch-Tschechisches Jugendforum

„Vor acht Jahren war ich Mitglied im Jugendforum. Ich bin dann in den Alumniverein eingetreten, in dem ich auch ein paar Jahre im Vorstand saß. Jetzt bin ich dort nur noch Mitglied. Auf der Vereinssitzung möchte ich mitwählen und mitentscheiden.“

Fabian kann nicht die komplette 21-jährige Geschichte des Jugendforums überblicken. Die acht Jahre, in denen er das Forum begleitet hat, sind jedoch eine lange Zeit. Hat sich die Organisation seitdem verändert?

„Die grobe Struktur des Forums ist immer gleichgeblieben. Es sind Leute dabei, die sich für das Nachbarland und andere Kulturen interessieren. Aber ich merke schon, dass die junge Generation heute neue Themen einbringt, die früher nicht auf der Agenda standen. Viele Gruppen arbeiten etwa zum Klimawandel, das gab es früher so noch nicht.“

Plenartreffen des Deutsch-tschechischen Jugendforums vor der Villa Tugendhat | Foto: Ondřej Kavan

Mit welchen Inhalten sich die kommenden Generationen des Jugendforums beschäftigen werden, das steht noch in den Sternen. Zu hoffen bleibt, dass die Organisation auch in den nächsten zwei Jahrzehnten Menschen aus Deutschland und Tschechien zusammenbringen kann. Womöglich wird dabei ja auch die „organisierte Improvisation“ das Forum weiterbegleiten.

Mehr über die Arbeit des Deutsch-tschechischen Jugendforums und die Projekte der einzelnen Arbeitsgruppen erfahren Sie auf der Webseite www.dtjf.de sowie auf den Facebook- und Instagram-Kanälen der Organisation.