Aschenbrödel und Co: Tschechischer Märchenfilm eroberte die Bildschirme der Welt

„Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ - „Tři oříšky pro Popelku“ (Foto: Studio Barrandov / DEFA)

Das berühmte Filmfestival im westböhmischen Karlovy / Vary Karlsbad ging vor kurzem zu Ende - wieder einmal hatte sich die internationale Leinwand-Prominenz in Tschechien ein Stelldichein gegeben. Die Barrandov-Studios hoch über dem Prager Moldau-Ufer sind bei Filmleuten und Filmfans weltweit ein Begriff. Die tschechische Hauptstadt selbst dient mit ihrer weitgehend unversehrten historischen Schönheit immer wieder als Kulisse namhafter Produktionen. Und auch das heimische Filmschaffen bringt immer wieder international beachtete Erfolge hervor. Darunter sind auch besonders viele tschechische Märchenfilme, die vor allem um die Weihnachtszeit einen unverrückbaren Platz in den Sendeplänen in- und ausländischer Fernsehsender einnehmen. Gerald Schubert hat sich am 24. Dezember vergangenen Jahres mit zwei tschechischen Regisseuren über die Klassiker des Märchenfilms unterhalten. Für die, die Sendung zu Weihnachten nicht hören konnten, bringen wir heute eine Wiederholung!

Vielleicht mag es manchen allzu profan erscheinen, das so genannte "Fest der Liebe" mit der Flimmerkiste im Wohnzimmer zu assoziieren. Aber Hand aufs Herz: In den meisten Haushalten gehören die alljährlich ausgestrahlten Spielfilmklassiker zu den Weihnachtsfeiertagen einfach dazu. Ganz zu schweigen von den Kinderfilmen, mit denen den Kleinsten am 24. Dezember das Warten auf das Christkind verkürzt wird.

Das war freilich nicht immer so. Der tschechische Regisseur Zdenek Zelenka etwa ist 1954 geboren und hat mittlerweile selbst etliche Märchenfilme gedreht, die auch zu Weihnachten immer wieder im Tschechischen Fernsehen gezeigt werden. Als er selbst noch der Hauptzielgruppe der Kleinsten angehörte, da war Fernsehen aber für die meisten Menschen noch kein fester Bestandteil des Alltags. Nicht einmal zur Weihnachtszeit.

'Carovne dedictvi' / 'Zauberhafte Erbschaft'

"Ich muss sagen, dass ich die Erinnerungen an meine Kindheit eigentlich nicht mit dem Fernsehen in Verbindung bringe", sagt Zelenka. "Wir waren eine eher arme Familie. Ein Fernseher war damals eine ziemlich teure Angelegenheit, und lange Zeit hatten wir keinen. Das damals noch tschechoslowakische Fernsehen habe ich erst später in den sechziger Jahren kennen gelernt. Heute weiß ich, dass die Tradition der Märchen damals bereits gut entwickelt war, aber ich selbst kann mich an keine Märchenfilme aus meiner Kindheit erinnern. Für mich bedeutete Kindheit damals das Laufen über verschneite Hänge, Schneeballschlachten und Schlittenfahren. Märchenfilme habe ich erst als Erwachsener wahrgenommen. Ja eigentlich erst dann, als man mich beauftragt hat, selbst welche zu drehen."

Tschechische Märchenfilme verzaubern spätestens seit den sechziger Jahren auch die Kinder in Deutschland und Österreich. Warum waren gerade diese Filme im westlichen Ausland stets so erfolgreich? Regisseur Zdenek Zelenka:

"Das liegt unter anderem daran, dass sich zur Zeit des Sozialismus viele absolute Spitzenleute mit diesem Genre beschäftigt haben, weil sie aus politischen Gründen keine anderen Filme drehen konnten. Also gerade die Besten haben sich sehr oft diesem - wie man damals sagte - 'Zufluchtsgenre' gewidmet, nämlich dem Märchenfilm."

Auch einige von Zelenkas Filmen finden sich immer wieder auf dem Weihnachtsspielplan der Fernsehanstalten:

"Wenn eine gute Märchenkomödie gelingt, dann kann sie eine viel längere Lebensdauer haben als so mancher Film für Erwachsene. Mein erster Film zum Beispiel, 'Carovne dedictvi', auf Deutsch 'Zauberhafte Erbschaft' - übrigens eine Koproduktion mit der deutschen DEFA - wurde 1986 gedreht. Er ist also fast 20 Jahre alt und wird heute noch gespielt."


Regisseur Vaclav Vorlicek

Ein anderer tschechisch-deutscher Weihnachtsklassiker ist noch um einiges älter und immer noch ganz oben auf der Hitliste des Weihnachtsfernsehens. Ja, man könnte sagen: Es ist der Weihnachtsklassiker schlechthin. Die Rede ist von der zauberhaften Cinderella-Version "Tri orisky pro Popelku", zu deutsch "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel". Wir haben den heute 75-jährigen Regisseur Vaclav Vorlicek zu uns ins Studio gebeten und ihn nach seinen Erinnerungen an die Entstehung des Films gefragt:

"Das ist eine sehr alte Geschichte. Den Film habe ich im Jahr 1973 gedreht, das heißt, er ist heute 32 Jahre alt! Bei uns läuft er jede Weihnachten im Fernsehen, und manchmal auch als Wiederholung im Kino. Und wie ich gehört habe, wird er auch in vielen anderen europäischen Ländern um die Weihnachtszeit in den Kinos gezeigt."

Damals, als er das Drehbuch gelesen hatte, hatte er sofort die Schauspieler im Kopf, die er gerne engagieren würde:

"Ab dieser Zeit standen über diesem Film wirklich glückliche Sterne."

Denn: Alle hatten Zeit, die Traumbesetzung war schnell unter Dach und Fach. Mit von der Partie: Die damals 20-jährige Libuse Safrankova, liebevoll Libuska genannt, als Aschenbrödel. Safrankova gehört auch heute noch zu den bekanntesten und beliebtesten Schauspielerinnen des Landes. Ebenfalls immer noch berühmt ist einer ihrer damaligen Filmpartner, Vitezslav Jandak: Er ist heute tschechischer Kulturminister.

Finanziell sah es für den Film zunächst jedoch eher trist aus, erinnert sich Regisseur Vaclav Vorlicek:

"Am Anfang hat mir das Studio nur wenig Geld gegeben. Der Etat betrug drei Millionen Kronen. Es sah also so aus, als würde das ein ganz billiges Märchen werden. In meiner Vorstellung hingegen musste die ganze Ausstattung, also Kostüme, Requisiten und so weiter, die Ausstattung der Renaissancezeit sein."

Dieses Problem erwies sich jedoch letztlich als der Beginn einer Kette von glücklichen Fügungen. Denn: Vorlicek suchte nach Partnern - und wurde bei der DDR-Filmgesellschaft DEFA fündig, der er eine deutsche Übersetzung des Drehbuchs geschickt hatte.

"Nach drei Tagen kam die Antwort des Generaldirektors. Er schrieb: Ja, wir gehen mit, und für dieses Projekt können wir eine Million Mark opfern. Das hieß für mich: Weitere drei Millionen Kronen", erzählt Vorlicek.

Die DEFA hatte jedoch einige Bedingungen. So mussten selbstverständlich deutsche Schauspieler mit von der Partie sein, und auch gedreht wurde teilweise in der DDR.

"Eine weitere Bedingung war, dass wir die deutschen Atelierarbeiter im November beschäftigen mussten. Das Problem war: Wir werden im November bauen, aber das Drehbuch ist für den Sommer geschrieben. Was werden die Leute, also der ganze Filmstab, in der Zwischenzeit machen? Sie hätten eine sehr lange Pause, bis in der Natur alles grün wird. Da hatte ich einen Einfall, und ich sagte: Meine Herren, ich kann das Ganze auch im Winter drehen!"

Innerhalb weniger Tage wurde das Drehbuch umgeschrieben. Libuse Safrankova sollte nun nicht mehr über blühende Wiesen sondern über schneebedeckte Hänge laufen, aus Kutschen wurden Schlitten, an die Stelle strahlender Sommertage setzte sich die bittere Kälte des Winters.

Ein Weihnachtsmärchen war geboren. Nicht nur der Film "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" ist also heute noch überaus lebendig, sondern auch Regisseur Vaclav Vorlicek ist nach wie vor aktiv im Filmgeschäft:

"Mit diesem Beruf ist es so, dass man zwar in Rente geht, aber trotzdem weiterarbeitet. Man will ja etwas machen und immer wieder eine künstlerische Aussage treffen!" sagt Vorlicek, dem sein erster und berühmtester Klassiker bereits vor 32 Jahren gelungen ist.

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