Auf Bohumil Hrabals Spuren im Stadtteil Libeň

Foto: Archiv Radio Prag

Er gilt als einer der bedeutendsten und meist übersetzten tschechischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts: Bohumil Hrabal. Am 28. März hätte er seinen 100. Geburtstag begangen.

Bohumil Hrabal  (Foto: ČT)
Bohumil Hrabal stammte aus Brno / Brünn. Als er fünf Jahre alt war, zogen seine Mutter und sein Stiefvater mit ihm in die mittelböhmische Stadt Nymburk um. Der Stiefvater arbeitete als Buchhalter in der dortigen Brauerei, und der künftige Schriftsteller wuchs praktisch dort auf. Doch hatte Hrabal ein zwiespältiges Verhältnis zu der Gegend, sagt der Literaturkritiker Radko Pytlík:

„Hrabal hat Nymburk geliebt. Aber Nymburk mit seiner kleinbürgerlichen Welt ging ihm auch auf die Nerven. Prag wuchs ihm ans Herz, denn dort gab es ein unkonventionelles Künstlermilieu.“



Haus zur Steinernen Glocke  (Foto: Archiv Radio Prag)
In Prag fing Hrabal 1935 an, Jura zu studieren. Das Studium konnte er erst nach dem Krieg beenden. Im September 1948 mietete der künftige Schriftsteller seine erste Prager Wohnung. Es handelte sich um ein großes Zimmer auf dem Altstädter Ring im Haus zur Steinernen Glocke, erzählt Hrabals Freund, der Publizist Tomáš Mazal:

„Der Vermieter war ein Offizier von der Sittenpolizei. Seine Frau war Prostituierte. Das hat Hrabal gefallen.“

1950 fand Hrabal eine Wohnung im Prager Stadtteil Libeň, in der Straße Na Hrázi Nr. 24. Die Wohnung bestand aus einem eher kleinen Raum, der früher als Schmiede gedient hatte. Der Schriftsteller war vom Stadtteil Libeň angetan, sagt Tomáš Mazal:

Hrabal tippte die Texte auf einer alten deutschen Perkeo-Schreibmaschine  (Foto: Archiv Radio Prag)
„Das Haus war zwar fast schimmlig, das Klo lag draußen im Hof. Aber Hrabal war zufrieden mit dieser Wohnung. Ihm gefiel es am Rand der Großstadt. Es war weder Prag, noch Nymburk. Schon bald kannten ihn auch alle in Libeň. Zudem waren es von ihm nur ein paar Schritte zum Bahnhof. Wenn er Lust hatte, dann setzte er sich einfach in den Zug und fuhr nach Nymburk.“

In Libeň schrieb Hrabal bereits 1950 sein Buch „Bambino die Praga“, später entstanden dort weitere Werke. Hrabal tippte die Texte auf einer alten deutschen Perkeo-Schreibmaschine aus dem Jahr 1905. Da die Sonne nicht in seine Wohnung schien, gewöhnte er sich an, draußen zu schreiben. Er setzte sich auf das schiefe Dach des alten Schuppens im Hof. Die Schreibmaschine platzierte er auf einen Stuhl. Die Beine des Stuhls schnitt er zuvor entsprechend zu, damit dieser auf dem schiefen Dach stehen konnte. Er setzte sich auf einen kleinen Hocker, dessen Beine Hrabal ebenfalls der Schräge des Daches anpasste. Und so hämmerte der Schriftsteller seine Texte in die Schreibmaschine und sonnte sich dabei.

Hier stand einst die Gaststätte U Vaništů  (Foto: Archiv Radio Prag)
Hrabals Freunde kamen oft in die Wohnung in der Straße Na Hrázi zu Besuch – unter ihnen der Musiker und Dichter Karel Marysko, der Maler Vladimír Boudník und der Künstler und Dichter Jiří Kolář. Radko Pytlík erinnert sich an die Treffen:

„Es wurde immer Bier geholt – meistens aus der Gaststätte U Vaništů, die sich gleich in der Nachbarschaft befand. Das Bier ließ man sich in große Vier- oder Fünf-Liter-Behälter abfüllen. Natürlich ging es in der Wohnung dann lustig zu.“

In diesem Haus in Libeň lernte Hrabal seine spätere Frau kennen. Eliška Plevová kam einmal zu Besuch zu ihren Verwandten, die im selben Haus wie der Autor wohnten. Die Hochzeit mit Pipsi, wie Hrabal seine Frau nannte, fand am 8. Dezember 1956 auf Schloss Libeň statt. 23 Jahre lang wohnte Hrabal in dem Haus in der Straße Na Hrázi. 1973 zogen er und seine Frau dann in eine Plattenbausiedlung im Stadtteil Kobylisy um.

Von Künstlerin Tatiana Svatošová bemalte Mauer  (Foto: Archiv Radio Prag)
Das Haus in Libeň im achten Prager Stadtbezirk, in dem Bohumil Hrabal lange gewohnt hat, existiert nicht mehr. In den 1980er Jahren wurde es zusammen mit weiteren in der Straße wegen des Ausbaus Metro abgerissen. Trotzdem wird am Ort, an dem das Haus stand, an den Schriftsteller erinnert. Ein Ausgang der Station Palmovka an der B-Linie der Metro mündet in die Straße Na Hrázi. Rechts vom Ausgang befindet sich ein Parkplatz, dahinter steht eine bemalte Betonmauer. Auf ihr sind Bohumil Hrabal, seine geliebten Katzen, aber auch die Perkeo-Schreibmaschine abgebildet. Die Künstlerin Tatiana Svatošová hatte 1999 die graue Betonmauer auf diese Weise bemalt. Sie wollte die Passanten an Hrabals Werk und seine Lebensphilosophie erinnern. Auf der Wand sind Zitate aus den Werken des Schriftstellers zu lesen. Wenn man genau hinschaut, entdeckt man an der Mauer auch die Namen von Hrabals liebsten Biersorten und Gaststätten. Die Erlebnisse aus Libeň habe der Autor auch in einigen seiner Werke verarbeitet, sagt Jan Řehounek. Er ist Begründer des Vereins der Bohumil-Hrabal-Leser.

Schloss Libeň  (Foto: Martina Schneibergová)
„Hrabal schrieb beispielsweise die ´Hochzeiten im Hause´. Seine Freunde wie Vladimír Boudník, Karel Marysko oder Egon Bondy haben ihn oft in Libeň besucht. Zuvor erkundigten sie sich gerne in Schloss Libeň, wer dort an dem Tag Hochzeit hatte. Und dann organisierten sie zu Ehren der Neuvermählten bei Hrabal die so genannten ´Hochzeiten im Hause´. Sie kauften Essen und Bier ein und feierten diese Leute, die sie gar nicht kannten.“

Hinter Hrabals Umzug aus Nymburk nach Prag stand Řehounek zufolge Karel Marysko, ein langjähriger Freund des Schriftstellers:

Kneipe U Horkých  (Foto: Archiv Radio Prag)
„Karel Marysko war Musiker und arbeitete kurz nach Kriegsende in Prag. 1949 schrieb er Hrabal, dass dieser Nymburk verlassen solle, weil es ein Städtchen sei, in dem die Zeit stehen geblieben sei. Hrabal folgte dem Rat und zog nach Prag. Zuerst mietete er ein Zimmer. Später fand er dann die Wohnung in Libeň.“

Als eine Art Stadtführer durch das alte Libeň könnte teilweise Hrabals Buch „Vita nuova“ dienen. Dort erwähnt er auch mehrere seiner beliebten Kneipen, die er in den Jahren 1950 bis 1973 besuchte. Geöffnet sind heute nur noch einige davon – wie beispielsweise U krále Jiřího, Na ztracené vartě oder U Horkých.

Radko Pytlík  | Foto: Alžběta Švarcová,  Tschechischer Rundfunk
Der Literaturkritiker Radko Pytlík erinnert sich gerne an die Kneipendebatten mit Hrabal und seinen Freunden:

„Wir nannten dies ´Kneipen-Sorbonne´. Damit wollten wir andeuten, dass es sich nicht nur um die üblichen Reden von Stammgästen über Fußball handelte. Es waren immer inspirierende Diskussionen – natürlich beim Bier. Aber Hrabal war nie betrunken und hat nie geplappert.“

Und Hrabals Freund Tomas Mazal fügt hinzu:

„Er war tief in seiner Seele eher ein stiller und scheuer Mensch. Er konnte zuhören, jeder Mensch besaß für ihn einen Wert. Nach außen wirkte Hrabal unzugänglich. Aber er war eine sensible, zarte Persönlichkeit.“