Figur aus Hrabal-Roman: Der echte Herr Armageddon fiel den Nationalsozialisten zum Opfer
In zwei Büchern von Bohumil Hrabal taucht die Figur des Herrn Armageddon auf. Ein tschechischer Historiker hat nun herausgefunden, dass es dafür ein lebendes Vorbild gab – einen Fleischer aus Nymburk / Neuenburg an der Elbe, der Anhänger der Zeugen Jehovas war.
Fast 20 Jahre lang ist der Historiker Zdeněk Bauer schon dem echten Herrn Armageddon auf der Spur. Inzwischen weiß er, dass dessen richtiger Name František Vašíček war…
„Alles begann, als ich in den Archivbeständen der ehemaligen Staatssicherheit einen Hinweis darauf fand, dass in der Stadt Nymburk ein Fleischer lebte, der während der Protektoratszeit verfolgt wurde. Da war mir klar, dass wirklich passiert war, worüber Hrabal schreibt, und dass es diesen Menschen tatsächlich gab. Er war von der Gestapo verhaftet worden und kehrte nicht mehr nach Hause zurück.“
Der Fleischer Vašíček taucht in zwei Büchern von Bohumil Hrabal auf. Das ist einmal „Das Städtchen, in dem die Zeit stehenblieb“ (Městečko, kde se zastavil čas) und dann die Novelle „Krasosmutnění“ (zu Deutsch etwa „Schön traurig sein“). In letzterer heißt es, dass Herr Armageddon in der Stadt seine Botschaften verkündete. Da er aber nicht gut Reden halten konnte und auch ein bisschen stotterte, schnallte er ein Koffergrammophon auf den Gepäckträger seines Fahrrads und spielte Platten ab, die die letzte Schlacht ankündigten – eben Armageddon.
Historiker Bauer ist überzeugt, dass sich die literarische Figur und die echte Person Vašíček nur minimal voneinander unterscheiden würden:
„Der Mann war allgemein bekannt dafür, dass er immer wieder auf die Bibel verwies, derzufolge der göttliche Eingriff namens Armageddon kommen sollte. Das alles passt zusammen. Dann haben sich sogar solche Details bestätigt, dass die Gestapo ihn direkt am Arbeitsplatz verhaftet hat, also im Schlachthaus in Nymburk. Dort blieben sein Fahrrad und seine persönlichen Sachen zurück.“
Diese Erkenntnisse haben Jiří Pelán positiv überrascht. Der Literaturhistoriker und Übersetzer kennt sich gut mit Hrabals Werk aus.
„In Bezug auf Hrabal wird immer wieder die Frage gestellt, was bei ihm Wahrheit und was Dichtung ist. Sein ganzes Werk ist auch autobiografisch, und am Ende findet man immer heraus, dass seine Figuren real waren. Er hat seine Geschichten allerdings oft gedreht und verändert, hat also seine Fantasie arbeiten lassen.“
Hrabals Gedächtnis sei phänomenal gewesen, fügt Pelán hinzu. Eventuelle Veränderungen an der Figur des Herrn Armageddon seien deshalb wohl beabsichtigt und durchdacht gewesen, glaubt der Literaturhistoriker.
Zdeněk Bauer weiß noch mehr zu berichten:
„Die Familien Hrabal und Vašíček wohnten nur einige Dutzend Meter auseinander, also in Sichtweite. Die Nachkommen haben bestätigt, dass sich die Familien kannten. Das heißt, dass der junge Bohumil Hrabal von František Vašíček wusste.“
Der Historiker spricht sogar von einem Vertrauensverhältnis, das die Familien zueinander hatten. Als Beleg verweist er auf Beschreibungen in Hrabals Werk, wie gemeinsam das Auto der Vašíčeks repariert werde.
Die Nationalsozialisten nahmen František Vašíček und dessen Ehefrau Anežka wegen ihres religiösen Aktivismus und Glaubensbekenntnisses in Haft. Anežka wurde nach einigen Wochen freigelassen und war bis zu ihrem Tod 1969 wegen bleibender Haftschäden in Behandlung. František Vašíček starb im Februar 1945 im KZ Mittelbau-Dora.
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