Bohumil Hrabal: „Ich habe den englischen König bedient“

Bohumil Hrabal: „Ich habe den englischen König bedient“

Wir haben wieder einen neuen Lesetipp für Sie. Diesmal einer der berühmtesten tschechischen Romane von einem der wichtigsten tschechischen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Bohumil Hrabal: „Ich habe den englischen König bedient“
Vor allem von der ausländischen Literaturkritik wird ‚Ich habe den englischen König bedient’ von Bohmuil Hrabal oft als „Schelmenroman“ bezeichnet, der in eine Reihe mit dem braven Soldaten Švejk von Jaroslav Hašek gehöre. Was ist dran an einem solchen Vergleich?

„‚Ich habe den englischen König bedient’ deckt eine Zeitspanne von den 30er bis zu den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts ab. Und der Ich-Erzähler, ein Kellner, manövriert sich durch diese Zeit mit einer scheinbaren Naivität aber auch sehr berechnend. Das ist vielleicht die Parallele zum braven Soldaten Švejk. Es steckt in der Hauptfigur von Hrabals Buch aber auch eine große Portion Opportunismus. Der Kellner begreift die Mechanismen der Zeit und weiß sie für sein Ziel zu nutzen. Er will nämlich reich werden, was für ihn gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Anerkennung ist.“

Kannst du die Geschichte von „Ich habe den englischen König bedient“ kurz zusammenfassen?

„Der Kellner Jan Dítě beginnt in einem kleinen Hotel bei Prag. Er arbeitet sich dann über die Jahre hinweg in immer größere und luxuriösere Hotels hoch. Aber eigentlich träumt er von einem eigenen Hotel. Durch kleinere Betrügereien und den Umgang mit den richtigen Leuten kommt er zu immer mehr Geld. Schließlich heiratet er eine reiche Frau, eine fanatische Nationalsozialistin. Als die schließlich bei einem Bombenangriff stirbt, reißt sich Jan Dítě eine Briefmarkensammlung unter den Nagel, die aus der Enteignung einer jüdischen Familie stammt. Er macht die Sammlung zu Geld und ist dann endlich Millionär. Nach der Machtergreifung der Kommunisten wird er gemeinsam mit anderen Millionären interniert. Doch im Gefängnis wird er als Kriegsgewinnler gemieden. Die Anerkennung bleibt ihm also verwehrt und Dítě erkennt, das all sein Streben ins Nichts geführt hat. Er meldet sich freiwillig als Straßenarbeiter an einer gottverlassenen Bergstraße in den ehemaligen Sudetengebieten, und reflektiert sein Leben. Und das kann man dann in ‚Ich habe den englischen König bedient’ nachlesen.“

Jan Dítě  (Oldřich Kaiser) als Straßenarbeiter im Film „Ich habe den englischen König bedient“
Wann hat Hrabal den Roman denn geschrieben?

„Hrabal schrieb das Buch 1971 und es konnte zunächst auch nicht erscheinen. Zumindest nicht offiziell. Es kam nur im Samizdat heraus und 1978 dann in einem Kölner Exilverlag. In den 80ern gab es ‚Ich habe den englischen König bedient’ als Beilage einer tschechischen Jazz-Zeitschrift. Aber erst nach der Samtenen Revolution 1989 konnte eine unzensierte Version auf normalem Wege erscheinen. Das Buch streift historische Ereignisse, über die die Kommunisten die Deutungshoheit beanspruchten, etwa die Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nazis, der Zweite Weltkrieg und die Machtübernahme der Kommunisten. Und solche Dinge wie zum Beispiel die Kollaboration mit den Nazis, wie sie Hrabals Hauptfigur betreibt, passten nicht ins kommunistische Geschichtsbild. Darüber hinaus war hatte Bohumil Hrabal ohnehin Publikationsverbot zu dieser Zeit. Er hatte nämlich offen den Prager Frühling 1968 unterstützt.“

Julia Jentsch als Frau von Jan Dítě
Erzähl vielleicht noch etwas mehr über Hrabal!

Hrabal wurde 1914 geboren, aber erst mit beinahe 50 Jahren machte er das Schreiben zum Beruf. Im Jahr 1963 erschien eine Kurzgeschichtensammlung. Hrabals widmete sich darin den einfachen Leuten mit viel Humor, aber auch mit Melancholie, war dabei aber eigentlich nicht explizit politisch. Aber trotzdem waren seine Schilderungen sehr unbequem. Er entlarvte quasi die Absurdität der gesellschaftlichen Zustände. Und er beeinflusste damit stark die jüngere Generation von Filmemachern der so genannten ‚Nová vlna’ (‚Neue Welle’). Die verfilmten diese Geschichten. Und so trug auch Hrabal einen bedeutenden Anteil an dieser kulturellen Öffnung, die in den Jahren vor dem Prager Frühling stattfand.“

Auch ‚Ich habe den englischen König bedient’ wurde übrigens verfilmt - im Jahr 2007, zehn Jahre nach Hrabals Tod. Das war eine deutsch-tschechische Koproduktion. Regie hat Jiří Menzel geführt.

„Ja, allerdings ist dieser Film meiner Meinung nach weit weniger gelungen als Menzels frühere ganz großartige Hrabal-Verfilmungen. Deshalb also mein Tipp: ‚Ich habe den englischen König bedient’ sollte man lieber lesen!“


‚Ich habe den englischen König bedient’ von Bohumil Hrabal erschien auf Deutsch im Suhrkamp Verlag. Das Taschenbuch hat 300 Seiten und kostet 9 Euro.