Auf dass ein jeder sich schätzen ließe – Tschechien bereitet sich auf die Volkszählung vor

Foto: Europäische Kommission

Der entscheidende Augenblick für Millionen von Tschechinnen und Tschechen wird am 25. März genau um Mitternacht sein. Klingt dramatisch und vor allem für die Statistiker ist es das auch. In Tschechien wird auf der Grundlage des Status Quo zu dieser nächtlichen Stunde gemessen, wie viele Tschechen es gibt, wo und wie sie leben und hunderte weiterer Details. Hier steht nämlich die nächste Volkszählung an – alle 10 Jahre findet eine statt. Wie man die Tschechen auf dieses Großereignis vorbereitet und was sie erwartet, darüber sprach Christian Rühmkorf mit Jan Sedláček, der an einer Informationskampagne für das Tschechische Statistikamt mitarbeitet.

Foto: Štěpánka Budková
Herr Sedláček, in der Nacht vom 25. auf den 26. März wird in Tschechien eine Volkszählung durchgeführt. Und dafür wurde jetzt eine umfangreiche Informationskampagne vorgestellt, die das Tschechische Statistikamt jetzt anlaufen lässt. Wie sieht diese Kampagne aus?

„Die Kampagne steht auf zwei Säulen. Die erste Säule ist das Internet, die zweite das Fernsehen. Im Tschechischen Fernsehen, auf TV Prima und TV Barrandov werden ab Februar verschiedene Werbespots laufen. Es gibt acht verschiedene Werbespots. Jeder hat eine andere Zielgruppe, zum Beispiel Zielgruppe Familie oder Senioren. Im Internet gibt es spezielle Werbebanner, und natürlich haben wir auch Konten auf Twitter und Facebook und einen speziellen Kanal auf Youtube, wo zum Beispiel auch die Infospots aus der TV-Kampagne zu sehen sind.“

Werbespot mit Schauspielerin Lenka Vlasáková
Ziel der Kampagne ist natürlich, die Menschen zu überzeugen, dass sie die Formulare für die Volkszählung ausfüllen und auch abgeben…

„Genau. Und wirklich ausführlich und gewissenhaft ausfüllen. Denn wir möchten den Leuten sagen, es ist auch für sie wichtig. Wenn sie die Fragebögen gut ausfüllen, dann profitieren davon Institutionen wie die Feuerwehr oder Ärzte. Und damit können die Menschen auch die Arbeit dieser Institutionen beeinflussen.“

Was wird denn gezählt, wenn man das grob zusammenfassen kann?

Werbespot für Zielgruppe Senioren
„Es gibt drei verschiedene Arten von Fragebögen. Der erste ist ein persönlicher Fragebogen, wo es darum geht, wie alt die Person ist, ob sie studiert oder arbeitet und auf welche Weise sie zur Arbeit fährt, ob mit dem Zug oder mit dem Auto. Dann gibt es noch einen Fragebogen für Wohnungen, das heißt der wird nur ein Mal pro Wohnung ausgefüllt. Da wird zum Beispiel gefragt, wie groß die Wohnung ist…“

Oder auch ob es ein Klo mit Spülung oder ohne Spülung gibt, oder?

„Ja, auch. Dann kann komisch klingen, aber diese Daten sind zum Beispiel wichtig für die Cenia, das ist die Tschechische Informationsagentur für Umweltfragen. Für die ist unter anderem wichtig, wie viel Müll in tschechischen Haushalten produziert wird. Und, um auf die Fragebögen zurückzukommen: Der dritte Typ ist das Formular, das nur ein Mal pro Haus ausgefüllt wird. Und da wird zum Beispiel gefragt, aus welchem Material das Haus gebaut wurde. Das ist wichtig für die Feuerwehr, denn wenn es irgendwo brennt, dann müssen die Feuerwehrmänner wissen, ob zum Beispiel Gas im Haus ist oder wie hoch das Haus ist.“

Illustrationsfoto: Igor Bernardes Grillo,  Stock.XCHNG
Wie läuft diese Volkszählung genau ab? Es ist ja ein riesiger logistischer Aufwand.

„Schon ab dem 26. Februar beginnt ein Call-Zentrum die Fragen der Menschen zu beantworten. Am 7. März gehen dann zum ersten Mal Mitarbeiter der Post als Volkszählungskommissare ins Terrain. Und das ist auch der Termin, ab wann man zum ersten Mal den Besuch dieser Mitarbeiter zu Hause erwarten kann. Das beginnt schon am siebten März, damit genug Zeit bleibt, alle Formulare in der ganzen Republik zu verteilen.“

Ein großes Thema bei Volkszählungen ist der Datenschutz. Viele Gegner nehmen das als Argument, die Sachen nicht auszufüllen. Wie garantieren Sie den Datenschutz?

Formulare sind schon vorbereitet  (Foto: ČT24)
„Wenn die Fragebögen zum Statistikamt zurückkommen, dann werden alle anonymisiert. Das heißt: Zum Beispiel der Name, die Adresse und die Geburtsnummer werden gelöscht, und es bleiben nur die statistischen Daten. Und sofort, wenn diese physischen Formulare gescannt sind, werden sie vernichtet.“

Was geschieht mit Ausländern? Das ist auch ein anderes großes Thema, was auch mich persönlich betrifft – ich bin Deutscher. Was muss ich machen, wie geht man damit um?

„Die Ausländer haben, wenn sie hier mindestens 90 Tage wohnen, auch die Pflicht, die Fragebögen auszufüllen. Die Fragebögen gibt es in acht Sprachen, unter anderem in Deutsch, und alles andere ist genauso wie bei Tscheche, die das ausfüllen.“

Werbespot für Zielgruppe Minderheiten
Für Ausländer hat das sogar einige Konsequenzen, wenn sie diesen Fragebogen ausfüllen. Dort gibt es ein Feld, wo man die nationale Zugehörigkeit einträgt. Das kann man, muss man aber nicht ausfüllen. Was bringt das?

„Genau, das ist ein Feld, das nicht Pflicht ist, aber für die Minderheiten ist es besonders wichtig. Ein Beispiel: Wenn in einer Stadt mehr als zehn Prozent der Menschen eine bestimmte andere Nationalität angeben, dann hat diese Minderheit zum Beispiel das Recht, Beschilderung in ihrer Sprache zu bekommen, Ortsschilder und Ähnliches. Oder sie haben auch das Recht einen Minderheitenausschuss zu bekommen.“

Roma-Minderheit
Kritisch ist es vielleicht ein bisschen mit der Roma-Minderheit gerade in Tschechien. Manche haben vielleicht Angst, sich zur Rom-Minderheit zu bekennen. Was machen Sie damit?

„Wir haben spezielle Mitarbeiter, die genau für die Arbeit mit der Roma-Minderheit geschult sind. Sie können den Roma gut erklären, warum sie die Fragebögen ausfüllen sollen.“

Und dass es für sie keinen Nachteil hat, sich zur Roma-Minderheit zu bekennen…

„Nein sicher nicht. Hier gibt es ein Problem: Wir sind fast sicher, dass es viel mehr Roma in Tschechien gibt, als die offiziellen Zahlen sagen. Und für uns ist es wichtig, die Realität zu kennen – das ist das Leitmotiv der ganzen Volkszählung. Wir müssen wissen, wie viele Roma es in der Tschechischen Republik gibt.“

Jetzt gibt es eine schöne Informationskampagne. Was ist aber, wenn jemand es ablehnt die Fragebögen auszufüllen?

„Wir möchten natürlich die Leute überzeugen, dass es eine positive Sache ist. Aber trotzdem steht im Gesetz geschrieben, dass es eine Pflicht ist. Und wenn man das nicht macht, kann man eine Strafe von bis zu 10.000 (rund 400 Euro) Kronen bekommen. Aber wir hoffen, das passiert nicht und die Leute werden kapieren, dass die Daten für die Entwicklung wirklich wichtig sind.“