Volkszählung in Tschechien: Auch für Ausländer verpflichtend

Foto: Archiv des Tschechischen Statistikamtes

In der Nacht auf Samstag hat in Tschechien die Volkszählung begonnen. Da wurde nämlich das entsprechende Online-Portal freigeschaltet. Trotz Corona-Pandemie ist der Zensus nicht verschoben worden. Die entsprechenden Formulare gibt es unter anderem auch auf Deutsch. Denn alle Menschen, die sich länger als 90 Tage im Land aufhalten, müssen an der Zählung teilnehmen – also auch Ausländer.

Foto: Archiv des Tschechischen Statistikamtes

Schnell und einfach – so werben die tschechischen Statistiker in einem Info-Spot für die elektronische Form der Volkszählung. Diese startete am Freitag um Mitternacht und läuft bis 9. April. Drei Wochen lang haben also alle Bewohner Tschechiens die Möglichkeit, online die Fragebögen auszufüllen. Und angesichts der Corona-Pandemie bitten die Ämter ausdrücklich darum, elektronisch am Zensus teilzunehmen. Das geht entweder über die Website www.scitani.cz oder über die Handy-App Scitani 21.

„Diese Zählung ist vornehmlich so konzipiert, dass man online teilnimmt. Das ist die sicherste Variante. So muss man nicht mit einem Zählungskommissar oder Beamten in Kontakt kommen. Das Online-Formular ist im Übrigen gut verständlich“, so die Leiterin der Verwaltung des Statistikamtes im Kreis Olomouc / Olmütz, Kamila Vepřková, in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Foto: Archiv des Tschechischen Statistikamtes

Doch nicht alle sind internetaffin, wie diese ältere Dame aus Prag etwa anmerkt:

„Ich werde die Fragebögen bestimmt nicht digital ausfüllen, weil ich keinen Computer besitze. Und das trifft sicher auf viele meiner Generation zu. Ich werde die papierenen Formulare nutzen.“

Denn das ist ebenfalls möglich. Entweder holt man sich die Bögen bei der Post ab, oder die Zählungskommissare kommen vorbei. Das sind meist Postbedienstete. Dieser Teil des Zensus beginnt allerdings erst am 17. April und dauert bis 11. Mai. Wegen der Corona-Pandemie wird dabei auf minimalen Kontakt geachtet. Marek Rojíček leitet das tschechische Statistikamt:

Marek Rojíček  (Foto: Archiv des Tschechischen Statistikamtes)

„Die Zählungskommissare werden nicht in die Wohnung oder ins Haus kommen, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Es wird nur das Formular übergeben, auf dem vorher notiert wird, zu welcher Wohnung es gehört. Die Abgabe des Formulars ist noch einfacher. Es reicht, dieses in den beigefügten Briefumschlag zu stecken und per Post zu schicken.“

Einer statt drei Fragebögen

Tatsächlich will der Staat diesmal deutlich weniger wissen von seinen Bewohnern als bei der letzten Zählung vor zehn Jahren.

„Als wir vor einigen Jahren mit der Vorbereitung auf diese Zählung begannen, haben wir viele Datensammlungen, Register und Ähnliches genau untersucht. Und das, was wir daraus nutzen konnten, müssen wir nicht mehr erheben. Die jetzige Zählung besteht also nur noch aus der Hälfte der Fragen, die wir 2011 gestellt haben. Daher ist sie schneller und einfacher. Aus drei Fragebögen haben wir einen einzigen gemacht. Wir wollen zum Beispiel nicht mehr die Staatsangehörigkeit wissen, die Meldeadresse und den Familienstand. Das können wir auch so ergänzen. Die meisten Fragen in der Zählung müssen wir aber stellen, weil sie nicht zuverlässig aus den Datensammlungen des Staates ersichtlich sind“, so Marek Rojíček.

Foto: Wonjae Lee,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Im Hauptteil der Zählung werden Angaben zur Wohnung abgefragt. Da geht es unter anderem darum, wie groß der Wohnraum ist oder aber welche Heizung man hat. Rojíček empfiehlt daher, vor dem Ausfüllen des Online-Bogens die Quadratmeterzahl der eigenen vier Wände zu notieren:

„Im Weiteren folgen Fragen zur Zusammensetzung des Hausstandes. Also, wer dort wohnt und ob man zusammen haushaltet. Der Großteil dieses Abschnitts der Zählung betrifft dann die einzelnen Haushaltsmitglieder.“

www.scitani.cz

Dass der Fragebogen relativ kompakt ist, findet auch Marco Zimmermann praktisch. Er stammt aus Düsseldorf und lebt seit rund 14 Jahren in Prag. Im Vorfeld der Zählung hat er sich bereits auf der Website umgesehen:

„Ich finde, es wird nichts Überflüssiges abgefragt. Ich habe nichts entdeckt, bei dem ich sagen würde: ‚Meine Güte, das hätte man sich aber sparen können.‘ Im Allgemeinen sind es begründete Dinge, die man angeben soll.“

Ausländer brauchen im Übrigen ein Dokument, das von einer tschechischen Behörde ausgestellt wurde, um das Online-Zählungsformular aufzurufen. Dazu gehört zum Beispiel die lilafarbene Daueraufenthaltserlaubnis. Im Netz bietet das Statistikamt die Formulare in sieben Sprachen an, darunter auch Deutsch. In Papierform gibt es die Bögen aber nur auf Tschechisch, allerdings mit detaillierten deutschen Erläuterungen.

Zwei Nationalitäten möglich

Marco Zimmermann  (Foto: Archiv von Marco Zimmermann)

Eine der Fragen betrifft die Nationalität der Haushaltsmitglieder. Wie schon 2011 lassen sich in diesem Feld auch zwei unterschiedliche Angaben machen. Marco Zimmermann, der Historiker ist, muss da schmunzeln. Eine Nation sei ja auch immer ein gewisses Konstrukt, sagt er. Er könnte nach der langen Zeit in Tschechien schon ins Grübeln kommen. Und weiter erläutert er:

„Für mich bleibt es einfach – ich trage ‚Deutsch‘ ein. Allerdings habe ich mit einer – wie man auf Österreichisch sagen würde – ‚naturalisierten‘ Tschechin, also einer Russin mit tschechischer Staatsbürgerschaft, zusammen ein Kind in Tschechien bekommen. Unsere Tochter hat daher drei Staatsbürgerschaften: die russische, deutsche und tschechische. Wir sind aber in der verzwickten Lage, für sie eine oder zwei Nationalitäten festlegen zu müssen. Unsere Tochter ist jetzt vier Jahre alt, und im Moment ist das kein Problem. Ich sage, sie hat die deutsche Nationalität, und meine Partnerin sagt, sie hat die russische. Was ist aber in zehn Jahren? Ist es eine Entscheidungsfrage, oder hat man dann einfach drei Nationalitäten? Insgesamt ist das Konstrukt also kompliziert.“

Illustrationsfoto: Barbara Mack,  Pixabay / CC0

Wer sich so gar nicht entscheiden kann, muss diese Frage übrigens nicht beantworten. Denn sie ist freiwillig. Das trifft ebenso auf die Angabe zum Glaubensbekenntnis zu. Dennoch hoffen die Statistiker auf einen regen Rücklauf auch zu diesen beiden Details. Wie Marek Rojíček sagt, ist gerade die Frage nach der Religionszugehörigkeit weltweit eine Tradition in Volkszählungen:

„In einer Reihe von Ländern wird dem große Bedeutung beigemessen, weil die Höhe der staatlichen Zuwendungen an die jeweilige Kirche von der Zahl der Gläubigen abhängt. Bei uns ist das nicht so. Außerdem ist die tschechische Gesellschaft stark atheistisch geprägt. Weil bei der letzten Zählung 40 Prozent der Befragten nicht auf diese Frage geantwortet haben, wollten wir sie ursprünglich weglassen. Das hat aber keine Mehrheit gefunden. Da die Frage sich also erneut im Formular findet, hat es Sinn, sie auch zu beantworten. Man muss sich dabei nicht zu einer konkreten Kirche bekennen, sondern kann sich auch einfach nur als gläubig bezeichnen.“

Die Online-Volkszählung läuft bis nach Ostern. Das heißt, man kann in Ruhe auch die Feiertage zum Ausfüllen des Formulars nutzen.