Auf den Spuren der heiligen Ludmila in Tetín

Kirche der Heiligen Ludmila (Foto: Martina Schneibergová)

Tetín liegt etwa 40 Kilometer südwestlich von Prag, auf einem Felsen über dem Fluss Berounka. Es gehört zu den ältesten Dörfern in Böhmen. Der Ort war bereits in der Altsteinzeit besiedelt. Die Anfänge der Gemeinde sind in den böhmischen Sagen mit der Priesterin Teta verbunden, der Schwester der mythischen böhmischen Fürstin Libuše. Anfang des 10. Jahrhundert befand sich schon eine Höhenburg in Tetín, die Sitz der verwitweten Přemyslidin Ludmila war.

Barockkirche der Heiligen Ludmila  (Foto: Martina Schneibergová)
Der Ort, wo die heilige Ludmila einen gewaltsamen Tod starb, ist während der Zeit zum Wallfahrtsort und beliebten Touristenziel geworden. Zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Tetín gehören drei Kirchen: die Barockkirche der Heiligen Ludmila, die St. Katharina-Kirche und die Nepomuk-Kirche mit dem Friedhof. Ladislav Pecka ist Höhlenforscher, lebt in Tetín und führt Besucher durch den Ort. Dabei kennt er jede Sage und Legende aus der breiten Umgebung. Wir treffen uns in der spätbarocken Ludmila-Kirche. Der Kult der Heiligen Ludmila sei bedeutend älter als der Sakralbau, sagt Pecka:

„Die erste Erwähnung des Ludmila-Kults befindet sich in einer Urkunde des böhmischen Königs Přemysl Ottokar II., mit der er dem Prämonstratenserinnenkloster in Chotěšov das Privileg des Ablassverkaufs anlässlich der St. Ludmila-Wallfahrt in Tetín verliehen hat. In dieser Kirche gibt es drei Dinge, die einzigartig sind. Zum Beispiel ein großer Stein in den Fundamenten des Altars, der eigentlich eine Reliquie ist.“

Menhir und Ludmilas Porträt

Kirche der Heiligen Ludmila  (Foto: Martina Schneibergová)
Der Verfasser der berühmten Chronik über die Geschichte Böhmens, Václav Hájek z Libočan, war Pfarrer von Tetín und starb 1553. Dem Chronisten zufolge soll Ludmila auf diesem Stein erschlagen worden sein, der später im Altar der Ludmila-Kirche aufbewahrt wurde. Der Steinbrocken ist jedoch bedeutend älter als die Barockkirche. Daraus gehe hervor, dass der Stein, der einem Menhir ähnlich ist, einst vermutlich in der Nachbarkirche aufbewahrt worden sei, so Pecka. Anschließend macht er auf das wichtigste Gemälde in der Kirche aufmerksam:

„Das Bild auf dem Hauptaltar stammt vom Maler Ignác Raab. Als er Ludmila malte, nutzte er den Reliquienschrein aus dem Domschatz in St. Veit in Prag als Vorbild. Der Reliquienschrein, der die Form eines Frauenkopfes hat, stellt nach Meinung des Historikers Petr Čornej das Gesicht der Heiligen sehr präzise dar. Raab malte Ludmila zudem als stattliche Dame, die sie vermutlich auch war.“

Herzogin Ludmila von Böhmen
Ladislav Pecka erinnert daran, dass es neben der Heiligen Ludmila im Mittelalter auch eine andere namhafte Přemyslidin Namens Ludmila gab. Die um 1170 geborene Ludmila von Böhmen war Tochter des Herzogs Friedrich von Böhmen. Sie heiratete Graf Adalbert III. von Bogen und hatte drei Söhne mit ihm. Nach Adalberts Tod ehelichte sie Herzog Ludwig I. von Bayern. Dank Ludmila gewann Ludwig den böhmischen König Přemysl Ottokar I. als Verbündeten. Herzogin Ludmila gründete das Kloster Seligenthal als Grabstätte der Wittelsbacher. Dort wurde sie nach ihrem Tod auch bestattet.

Abstrakte Bilder auf barocken Kirchenbänken

Ladislav Pecka zufolge gibt es in der St. Ludmila-Kirche in Tetín gleich drei Raritäten. Neben dem Reliquienstein sind es die Kirchenbänke aus der späten Barockzeit.

Kirchenbank  (Foto: Martina Schneibergová)
„Als hier ein Restaurator die Bänke in Stand gesetzt hatte, sagte er, dass sie im tschechischen Kulturbereich einzigartig sind. Denn einem unbekannten Künstler gelang es hier, Intarsien nachzuahmen. Auf den Holzflächen innerhalb der Bänke schuf er vermutlich die ersten abstrakten Bilder, die es hier in der Region gibt. Und schließlich die dritte besonders wertvolle Sache in der Kirche ist die Orgel. Sie wurde 1772 von Orgelbauer Guth aus Čistá bei Rakovník gebaut. Der Meister fertigte in der Regel historisierende Orgeln. Die Experten sagen, dass die Technik, mit der die Orgel ausgestattet ist, etwa der von 1650 entspricht.“

Höhlenforscher retten die Welt

Foto: Martina Schneibergová
Noch ein Gemälde auf dem Nebenaltar weckt die Aufmerksamkeit der Besucher. Sie stellt die Ermordung des Bischofs von Krakau, Stanislaus, durch den polnischen König Bolesław II. dar, erzählt Ladislav Pecka. Der Bischof wurde später heiliggesprochen. Die Ludmila-Kirche hatte Pecka zufolge ein schweres Schicksal:

„Der Sakralbau war in einem desolaten Zustand. Vor der Wende von 1989 wurde nur das Dach provisorisch repariert. Wir haben später das Gewölbe von einer dicken Schicht von Taubenkot befreit und die Löcher im Dach wieder repariert. Dies war zweifelsohne verdienstvoll, denn eine der Sagen erzählt, wenn die Mauern der Ludmila-Kirche sich den Mauern der daneben stehenden Katharina-Kirche annähern, wird das Ende der Welt kommen. Vor dem Ende der Welt haben die Menschheit also die Höhlenforscher von Tetín gerettet.“

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