Heilige Ludmila und ihre Ermordung vor 1100 Jahren
Es war in einer Nacht Mitte September im Jahr 921: Da wurde Fürstin Ludmila auf ihrer Burg Tetín ermordet. Wenig später bereits wurde sie als erste böhmische Heilige verehrt. In diesen Tagen wird des Märtyrertodes der heiligen Ludmila vor 1100 Jahren gedacht. Markéta Kachlíková mit einem Porträt der böhmischen Landespatronin.
„Ludmila war eine böhmische Fürstin und Gattin des ersten historisch belegten böhmischen Přemysliden-Fürsten Bořivoj. Allein das macht sie zu einer außerordentlichen, schicksalsträchtigen Frau. Zum anderen ist ihr tragisches Schicksal bekannt. Die Tragödie, zu der es in der Nacht vom 15. auf den 16. September 921 auf Burg Tetín kam, und die Tatsache, dass sich Ludmila für die Christianisierung Böhmens verdient machte, trugen dazu bei, dass schon bald nach ihrem Tod ein Kult um sie entstand.“
Dies sagt die Historikerin Eva Doležalová von der tschechischen Akademie der Wissenschaften.
Zu Ludmila ist vor allem überliefert, dass sie Großmutter und Erzieherin des heiligen Wenzel war. Ihr Leben wurde in vielen christlichen Legenden beschrieben, die wichtige Quellen sind zur Geschichte Böhmens im 9. und 10. Jahrhundert.
Die Legenden seien aber nicht geschrieben worden, um Fakten zu liefern, sondern um das Bild einer heiligen Frau zu zeichnen, merkt die Historikerin an. Was ist also über die heilige Ludmila bekannt und belegt?
„Unumstritten ist, dass sie existierte, weil ihre sterblichen Überreste erhalten sind. Wir wissen auch, dass sie etwa 60 Jahre alt wurde. Zudem ist bekannt, dass Fürst Bořivoj ihr Gatte war und dass sie mindestens sechs Kinder hatte, wenn nicht noch mehr. Zudem kennen wir auch die Schicksale ihrer zwei Söhne Spytihněv und Vratislav.“
Ludmila wurde zwischen 855 und 860 als Tochter des slawischen Fürsten Slavibor geboren. Ob sein Herrschaftsgebiet in der Gegend der tschechischen Stadt Mělník oder in der Oberlausitz lag, ist bis heute umstritten. Um 874 heiratete sie den Přemysliden-Fürsten Bořivoj. Rund zehn Jahre später wurde das Fürstenpaar getauft, und in Böhmen setzte sich unter ihrer Herrschaft allmählich der christliche Glaube durch. Um ihr 30. Lebensjahr herum verwitwete Ludmila. Eva Doležalová betont in diesem Zusammenhang einen wichtigen Aspekt ihrer Persönlichkeit:
„Oft wird vergessen, dass sie eine außerordentlich starke und fähige Frau war. Ich erlaube mir eine gewisse Übertreibung: Sie war die erste historisch belegte Politikerin Böhmens. Nach dem Tod ihres Mannes herrschte sie als Regentin für ihre unmündigen Kinder. Wir sehen das als selbstverständlich an, doch es gab damals viele Fürsten, die die Herrschaft hätten anstreben können. Trotzdem verteidigte Fürstin Ludmila ihre Position als Regentin und die Herrschaftsrechte ihrer unmündigen Kinder. Das ist ziemlich einzigartig. Sie herrschte bis zum Antritt ihres älteren Sohns Spytihněv I.“
Das sei zu einer Zeit geschehen, als es noch keinen einheitlichen böhmischen Staat gegeben habe, betont Doležalová. Daher habe keine Rechtsordnung für den Todesfall eines Fürsten bestanden, was die Lage äußerst schwierig gemacht habe, so die Geschichtswissenschaftlerin.
Spytihněvs Herrschaft dauerte etwa 20 Jahre, anschließend regierte sein Bruder Vratislav I. weitere fünf oder sechs Jahre lang. Ludmila übernahm bereits zu Lebzeiten ihres Sohnes Vratislav die Erziehung ihrer Enkel. Sie richtete diese nach christlichen Grundsätzen aus. 921 starb Fürst Vratislav. Kurz darauf brach ein Konflikt aus zwischen Ludmila und ihrer Schwiegertochter, der verwitweten Drahomíra. Ludmila zog sich auf ihre Burg Tetín zurück. In den Legenden wird der Konflikt als eine Auseinandersetzung zwischen Heidentum und Christentum dargestellt. Die Historikerin erläutert den geschichtlichen Kontext:
„Es waren zwei starke Frauen, die in der damaligen Gesellschaft respektiert waren. Wäre Drahomíra eine schwache Persönlichkeit ohne Einfluss auf Politik gewesen, hätte sie sich nicht durchgesetzt und keinen Respekt genossen. Sie wurde aber tatsächlich mit der Interimsregierung beauftragt, bis ihr erstgeborener Sohn Wenzel volljährig war und die Herrschaft übernahm. Neben ihr stand Ludmila, die wahrscheinlich dazu neigte, sich in die Angelegenheiten Drahomíras einzumischen. Von Tetín aus hat sie wahrscheinlich das Geschehen in Prag beeinflusst. Und das war schicksalhaft für sie.“
Die Regentin beschloss, die Schwiegermutter töten zu lassen. Der Legende nach wurden zwei Männer namens Tunna und Gommon beauftragt, Ludmila zu erdrosseln. Zum Mord kam es in der Nacht vom 15. zum 16. September.
Nach ihrem Tod wurde Ludmila an der Mauer ihres Hauses in Tetín bestattet. 925 ließ Fürst Wenzel die Gebeine seiner Oma in die Basilika des heiligen Georg auf der Prager Burg bringen. Und schon kurz nach dem Tod hatte die Verehrung der Fürstin begonnen. Zu Ende des 12. Jahrhunderts stieg Ludmila in den Kreis der heiligen Schutzpatrone Böhmens auf.