Auf Parteibefehl erbaut: Hotel Jalta wurde vor 50 Jahren eröffnet
Jahrzehnte lang war es das beste Hotel in Prag. Im Sommer wird sein Personal den millionsten Gast begrüßen – im Hotel Jalta, das in diesen Tagen das 50. Jubiläum feiert.
Das Hotel wurde in den fünfziger Jahren in einer Baulücke zwischen zwei Häusern erbaut. Die Baulücke entstand, nachdem im Mai 1945 irrtümlicherweise ein Haus auf dem Wenzelsplatz von einer Bombe getroffen worden war. Der Generaldirektor des Hotels, Jan Adámek, erzählt über die Anfänge seines Hauses:
„Staatspräsident Antonín Zápotocký entschied, dass auf dem frei gewordenen Platz ein Hotel dritter Kategorie erbaut werden soll. Zu der Zeit war bereits klar, dass mit dem Bau der Architekt Antonín Tenzer beauftragt wird. Ein Hotel dritter Kategorie kam für einen renommierten Architekten wie Tenzer nicht in Frage. Deswegen diskutierte er noch weiter mit dem Staatspräsidenten und mit anderen kommunistischen Führern. Schließlich wurde beschlossen, dass ein Luxushotel entsteht, es sollte das beste Hotel in Prag werden. Ein Vorteil war, dass Präsident Zápotocký gelernter Steinmetz war. Er wusste, wo man einen Stein von guter Qualität herholen kann – für den Bau wurde Travertin aus dem slowakischen Spiš genutzt. Der erste Investor sollte das Staatsunternehmen ´Restaurace a jídelny´ sein. Da das Budget jedoch dessen Möglichkeiten überschritt, wurde entschieden, dass der Investor das große staatliche Reisebüro Čedok mit seiner Interhotelsektion sein wird.“Das Hotel wurde schließlich am 1. Juni 1958 eröffnet. Der Bau entstand zwar in der späten Etappe des sozialistischen Realismus, aber er hat eine bestimmte Qualität. Kunsthistorikerin Klára Pučerová:
„Es ist ein Verdienst von Architekt Antonín Tenzer. Er war bemüht, hier einen Bau zu errichten, der den Maßstab der Nachbarhäuser respektiert, aber gleichzeitig monumental und luxuriös ist. Es entstand ein Bau, der dem damals herrschenden Stil des sozialistischen Realismus nicht vollständig entsprach.“
Architekt Zdeněk Lukeš sagte im Tschechischen Fernsehen:
„Tenzer musste einige Zugeständnisse eingehen, was die Statuen betrifft. Ansonsten aber handelt es sich um einen sehr eleganten Bau.“
Das Gebäude war darin einzigartig, dass Architekt Tenzer nicht nur es, sondern auch dessen Einrichtung entwarf. In einer Zeit, in der alles einheitlich aussehen sollte, war dies ungewöhnlich. Da im Hotel oft hohe kommunistische Funktionäre untergebracht wurden, musste es auch über entsprechendes Zubehör verfügen. Betriebsleiter Jaroslav Nedvěd dazu:„Es gab hier einen Atomschutzraum, der den Spitzenfunktionären des kommunistischen Regimes dienen sollte. Im Luftschutzraum befand sich ein vollständig ausgestatteter chirurgischer Operationssaal.“
Das Geschehen im Hotel wurde vom kommunistischen Geheimdienst StB überwacht, der über ein eigenes Büro im Hotel verfügte, sagt Zdenek Lukes:
„Besonderes Interesse hatte die Staatssicherheit an den ausländischen Korrespondenten, die in Jalta untergebracht waren. Andererseits rechneten damals alle Journalisten damit, dass sie abgehört werden und dass sogar ihr Gepäck durchsucht wird.“
Fast das ganze ursprüngliche Inventar des Hotels verschwand während der Rekonstruktionen in den achtziger und neunziger Jahren, bevor das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde, sagt Direktor Jan Adámek:
„Es wurde sogar Druck entwickelt, das herrliche Treppenhaus mit hölzernem Geländer abzureißen, weil es angeblich zu viel Platz brauchte. Zum Glück gelang es dank des Architekten Tenzer, der zu der Zeit noch lebte, diese Idee zu verhindern. Tenzer gewann einen der ersten Rechtstreite hierzulande darüber, was sich ein Investor erlauben kann und wie weit die Künstler- und Urheberrechte des Projektanten reichen.“
Im Hotel Jalta hatte während der kommunistischen Zeit auch die deutsche Botschaft vorübergehend ihren Sitz, bevor sie in die heutigen Räumlichkeiten auf der Prager Kleinseite zog.
Das Hotel Jalta gehört seit 2003 der Investmentgesellschaft Flow East. Im vergangenen Jahr bekam das Haus einen neuen Travertin-Mantel. Die Führung des Hotels beabsichtigt zudem, das Interieur zu renovieren und die Räume mit Möbeln aus den fünfziger Jahren auszustatten, erzählt Jan Adamek. Der junge Generaldirektor interessiert sich stark für die Geschichte des Hotels und hat im Archiv nach Informationen aus der Zeit seiner Eröffnung gesucht.„Das Hotel hatte damals 165 Mitarbeiter. Einige der Berufe sind erwähnenswert. Es wurde hier beispielsweise ein Schuhputzer beschäftigt. Jedes Zimmer war mit einer Art Kasten ausgestattet, in den man schmutzige Schuhe stellen konnte. Der Schuhputzer begann um 6 Uhr morgens an den Zimmern vorbeizugehen, und er schaute in die Kästen rein. Falls er dort Schuhe fand, putzte er sie und stellte sie sauber in den Kasten zurück. Er hatte alle 85 Zimmer mit ihren Schuhkästchen zu kontrollieren. Zudem arbeiteten hier fünf Frauen in der Waschküche. Das Hotel hatte seinen eigenen Metzger, fünf Konditoren und andere Angestellte.“
Das Hotel war ständig voll, weil es zu der Zeit in Prag nur wenige Hotels gab. Für die Übernachtung bezahlte man damals 700 tschechoslowakische Kronen. Dies entspricht heute ungefähr 14.000 tschechischen Kronen. Das Hotel war fast ausschließlich für Ausländer bestimmt, sagt Jan Adámek:
„Es hat mich interessiert, wer hier damals wohnen konnte. Es wurde mir gesagt, dass es meistens Handelsleute waren. Oft waren es Waffenhändler aus anderen kommunistischen Ländern oder aus befreundeten Staaten Afrikas. Ich glaube, dass die Welt bis heute die Folgen dieser Geschäfte trägt. Zudem trafen hier Ausländer zusammen, die tschechische Monteure für die Arbeit im Ausland anwarben. Die meisten Gäste in den fünfziger und sechziger Jahren kamen aus Deutschland. An zweiter Stelle lagen die Niederländer. Des Weiteren gab es hier ab und zu Gäste aus Belgien, Spanien, Frankreich und ausnahmsweise aus England.“
Das Hotelzimmer musste man damals im Voraus reservieren, und es war fast unmöglich, die Reservierung zu ändern. Dies hing damit zusammen, dass je nachdem, um wen sich gehandelt hat, der Geheimdienst Wanzen im Zimmer installierte. Und der Hotelpolizist, der ständig ein Zimmer okkupierte, zog – wenn es notwendig war – in ein näher gelegenes Zimmer um, sagt Jan Adámek. Er hat sich auch dafür interessiert, welche Delikatessen bei der Hoteleröffnung vor 50 Jahren serviert wurden:
„Zunächst wurden den Gästen russische Spezialitäten angeboten. Dazu gehörte Forelle auf Champignons in Wodka gebacken. Auf der Speisekarte standen zudem Schaschlik und Borschtsch. Als Höhepunkt der tschechischen Spezialitäten galt damals ´mährischer Wildspieß mit Wacholderschnaps gebrannt´, der vor den Augen des Gastes zubereitet wurde. In den fünfziger und sechziger Jahren herrschte der Trend, dass alles vor den Augen des Gastes flambiert wurde. Ich kenne dies natürlich nicht aus meiner eigenen Erfahrung, aber ich habe darüber viel gehört.“
Jan Adámek zufolge haben schon viele namhafte tschechische sowie ausländische Politiker und Künstler Hotel Jalta oder das Hotelrestaurant „HOT“ besucht. Zu den bekanntesten Namen gehören Ex-Präsident Václav Havel, die US-First-Lady Laura Bush, die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright, das schwedische und das norwegische königliche Paar, die Filmschauspieler Alain Delon, Jeremy Irons, Matt Damon, Mia Farrow und Isabella Rossellini oder auch Musikstars wie Bono (U2), Bruce Springsteen und Sheryl Crow.