Unauffällig, aber wertvoll: Bürgerinitiative versucht historisches Haus auf dem Wenzelsplatz vor Abriss zu retten
Es ist eine einfache Mathematik: Würde man den Wünschen verschiedener Investoren in Prag entgegenkommen und jedes Jahr zwei Häuser abreißen, die zwar auf dem Gebiet der Denkmalschutzzone stehen, aber nicht als Kulturdenkmal geschützt werden, würden in zehn Jahren 40 Häuser in der Prager Denkmalschutzzone verschwinden. Die Lust, altehrwürdige Gebäude abzureißen, scheint in den letzten zwei Jahren fast ansteckend zu sein. Vorige Woche wurde das Urteil über ein Haus aus dem 19. Jahrhundert gefällt, das an der Ecke des Wenzelsplatzes zuer Opletalova-Straße steht. Unterstützt von einigen bekannten Persönlichkeiten versuchen nun die Liebhaber des alten Prag das Gebäude doch noch vor dem Abriss zu retten.
Seinen Worten zufolge kann sich die Unesco in die Entscheidung des tschechischen Staates nicht einmischen. Für die Unesco könne aber der Beschluss des Ministeriums ein Warnsignal sein, glaubt Štulc.
„Die Unesco kann in diesem einen Fall nichts machen. Wenn dieser Fall aber weitere Investoren zum Abriss anderer Gebäude anregen wird, kann es die Position Prags auf der Weltkulturerbeliste erschüttern.“
Über den Abriss des Hauses wurde erstmals im Herbst 2009 laut nachgedacht. Der Investor, Aktiengesellschaft Václavské náměstí 19, hatte zuvor beim Prager Magistrat die Erlaubnis beantragt, das Gebäude abzureißen und an seiner Stelle ein neues Multifunktionsgebäude zu errichten. Für die Rettung des Hauses, das aus dem Jahr 1880 stammt, setzt sich vor allem die Bürgerinitiative „Klub für das alte Prag“ ein. Die Vorsitzende des Vereins, Kateřina Bečková, sagte vor kurzem:„Es stimmt zwar, dass Passanten, die über den Wenzelsplatz gehen und sich das Gebäude näher anschauen, meinen, es sei eigentlich ein ganz normales Haus. Das Haus ist in einem sehr guten Zustand und es gibt keinen Grund, es abzureißen.“
Die Entscheidung des Ministers habe die Mitglieder des Klubs für das alte Prag sehr enttäuscht, so Bečková weiter:
„Vielleicht sind wir Optimisten, aber wir sind davon überzeugt, dass man über den Abriss des Hauses gar nicht verhandeln dürfte. Es liegt in der Denkmalschutzzone und als Bestandteil dieser Zone hat das Gebäude einen bedeutenden Wert. In der Denkmalschutzzone müssen nicht nur Gebäudebeckova mit einer besonders wertvollen Architektur stehen, sondern es gibt hier auch Häuser, die das historische Milieu der Stadt ergänzen. Und zu ihnen gehört auch das Haus Nr. 1601.“
Die Meinungen der Architekten gehen aber auseinander, was die Qualität des vom Abriss gefährdeten Gebäudes angelangt. Der anerkannte Architekt und Architekturhistoriker Zdeněk Lukeš erinnert daran, dass nach 1990 bereits einige neue Häuser auf dem Wenzelsplatz erbaut wurden.
„Neu ist beispielsweise der Palast Euro am unteren Ende des Wenzelsplatzes. Vor kurzem wurde das Haus Diamant abgerissen. Es ist also ein normaler Prozess. Ich meine, dass allzu viel Vorsichtigkeit in diesem Fall übertrieben ist. Das Haus Nr. 1601 ist ein normales Gebäude, das in der Vergangenheit einige Mal umgebaut wurde. Wäre das Haus so erhalten geblieben, wie es am Ende des 19. Jahrhunderts erbaut wurde, hätte man es wahrscheinlich unter Denkmalschutz gestellt. Dann hätte es diesen Schutz verdient. Da es aber mehrmals umgebaut wurde, ist nicht mehr viel Wertvolles erhalten geblieben – im Unterschied zu seinem Nachbarhaus in der Opletalova-Straße, von dem wenigstens die Fassade auch weiterhin bestehen wird. Wenn das Gebäude durch eine Architektur von hoher Qualität ersetzt wird, sehe ich nichts Schlechtes darin.“
Kateřina Bečková ist anderer Meinung. Sie bereut, dass der Klub für das alte Prag nicht zuvor empfohlen hat, das Haus unter den Denkmalschutz zu stellen. Denn das Gebäude sei wirklich beachtenswert, so Bečková:„Das Gebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert, wurde später aber umgebaut. Die Fassade stammt aus den 1920er Jahren und entspricht den damals modernen Baustilen: sie enthält Elemente des Art Deco sowie des Kubismus. Die Fassade passt zur Linie der Hauserreihe, die in Richtung Nationalmuseum verläuft. Wenn an dieser Stelle nun ein Gebäude stehen würde, das die obere Hauslinie überragt, wird es den Blick auf den Wenzelsplatz verdecken.“
Um den Abriss des Hauses zu verhindern, formulierte die Bürgerinitiative Klub für das alte Prag am vergangenen Mittwoch einen Protestbrief, mit dem sie sich an die Regierung, den Prager Oberbürgermeister Svoboda sowie den Bürgermeister des ersten Stadtbezirks Lomecký wendet. Während des ersten Tages wurde das Schreiben von rund 3.500 Menschen unterzeichnet, darunter viele Studenten. Der Fall sei ein alarmierender Beweis dafür, dass das Denkmalschutzsystem nicht funktioniere, heißt es in dem Protestbrief.Aber nicht nur der Klub für das alte Prag versucht, den Abriss des historischen Gebäudes zu verhindern. Mit einem offenen Brief wandte sich diese Woche auch Ex-Präsident Václav Havel an Kulturminister Besser. Größer als sein Unmut über den geplanten Abriss des Gebäudes sei seine Angst davor, was für ein Monsterbau anstelle des abgerissenen Hauses entstehen werde, schrieb der Ex-Präsident in seinem Brief.
Für das gefährdete Haus wird nächste Woche auch demonstriert: Der Klub für das alte Prag organisiert am kommenden Dienstag eine Protestdemonstration auf dem Wenzelsplatz.
Über das weitere Schicksal des Hauses Nr. 1601 auf dem Wenzelsplatz, das diese Woche für Schlagzeilen in den Medien sorgte, werden wir Sie in unseren Sendungen informieren.