Aus Österreich und Tschechien: Bunte Steine auf Reisen
Bei einem Spaziergang durch eine tschechische oder österreichische Stadt stößt man in letzter Zeit auf kleine bemalte Steine. Manchmal liegt einer von ihnen auf einer Bank, auf einem Geländer oder dem Sockel einer Statue. Wenn man ihn umdreht, steht dort eine Postleitzahl und das Facebook-Zeichen. Für die Beliebtheit des dazugehörigen Suchspiels hat Vlasta Tillich gesorgt. Die gebürtige Tschechin lebt in Niederösterreich, nahe der tschechischen Grenze. Vlasta Tillich hat eine Facebook-Gruppe ins Leben gerufen, die sich mit dem Bemalen der kleinen Wandersteine beschäftigt.
Frau Tillich, durch Zufall bin ich auf diese kleinen Wandersteine und Ihre Facebook-Gruppe gestoßen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
„Ich komme aus Tschechien und lebe seit zehn Jahren in Österreich. Vor einiger Zeit habe ich eine Frau aus Laa an der Thaya kennengelernt, die auch eine Facebook-Gruppe gegründet hat, und für diese habe ich am Anfang gemalt. Dann dachte ich, dass es nicht schlecht wäre, diese Initiative auf Tschechien auszudehnen. Das heißt, ich habe eine tschechische Gruppe gegründet, die ersten Steine bemalt und diese nach Valtice gebracht und dort ausgelegt. Auf die Rückseite der Steine schrieb ich den Namen der Facebook-Gruppe. Die Menschen, die die Steine fanden, haben sie sich angeschaut und sich via Facebook informiert, worum es geht. Denn die Wenigsten wussten etwas darüber. Dann habe ich weitere Steine in Südmähren ausgelegt, beispielsweise in Mikulov. Dadurch ist das Suchspiel allmählich auch auf der anderen Seite der Grenze bekannt geworden.“
Gibt es irgendwelche Regeln für das Malen sowie die Suche nach den Steinen? Darf man sie behalten, oder sollen sie weitergereicht werden?
„Das Prinzip besteht darin, die Steine zu Hause zu bemalen. Wir empfehlen Acrylfarben oder Stifte. Dann müssen sie noch mit Acryl-Klarlack lackiert werden. Dieser muss auf Wasserbasis sein – also ein Spray. Dadurch wird die Farbe wetterfest. Steine bemalen können sowohl Kinder als auch Erwachsene, es gibt keine Altersgrenze. Beliebt sind Motive aus Natur und Märchen. Wer nicht malen kann, schreibt auch gerne Sprüche oder Zitate auf die Steine. Dies ist alles möglich. Wir haben auch ein paar Regeln: Man darf nichts auf die Steine kleben – keinen Schmuck, kein Glitzer oder Ähnliches. Und alles soll möglichst umweltfreundlich sein. Manche beschweren sich über die Acrylfarbe, aber wir legen die Steine nicht im Wald oder auf einer Wiese aus. Es wird empfohlen, sie in der Stadt oder im Dorf liegen zu lassen. Auf die Rückseite sollte man die Postleitzahl des Ortes schreiben, in dem man als Maler wohnt, sowie den Namen der Facebook-Gruppe. Derjenige, der den Stein findet, dreht ihn um und erfährt, dass er von der Gruppe Kamínky (official) stammt. Dann geht er auf die Facebook-Seite der entsprechenden Gruppe und postet das Foto des Steins. Anschließend meldet sich manchmal derjenige, der das Bild gemalt hat. Das finde ich schön. Der Stein wird dann erneut ausgelegt. Der Finder kann ihn aber auch behalten, wenn er ihm besonders gefällt oder wenn es sein erster Fund ist. Das ist auch erlaubt. Man darf jedoch nicht alle behalten. Es geht darum, dass die Steine weiterreisen und Freude machen können.“
Meinen Sie, dass dieses Spiel oder Hobby vor allem jetzt während des Lockdowns in der Corona-Pandemie die Möglichkeit schafft, wenigstens via Facebook neue Freundschaften mit sozusagen Gleichgesinnten zu schließen?
„Ja, genau. Wir haben viele Leute kennengelernt und waren begeistert. Wenn man durch die Stadt geht, dabei schwere Gedanken über Corona im Kopf hat, und plötzlich einen bunten Stein auf dem Weg findet, wird der Tag schöner.“
Haben Sie vielleicht einige Tipps, wo die Steine ausgelegt werden können?
„Wir empfehlen Orte, an denen zahlreiche Menschen vorbeikommen und die einfach zu finden sind. Die Steine sollten nicht direkt auf dem Boden liegen – wegen der Hunde. Aber man sollte sie auch nicht verstecken. Sie können zum Beispiel auf eine Bank, eine Treppe, ein Fensterbrett sowie in der Nähe von Schulen oder Kindergärten ausgelegt werden.“
Malen ist im Übrigen nicht Ihr einziges Hobby…
„Ich fotografiere auch und koche sehr gern. In der Corona-Zeit habe ich angefangen, Sauerteigbrot selbst zu backen. Seit einem Jahr kaufen wir kein Brot mehr. Aber das Malen ist total lieb und beruhigend. Ich male immer am Abend, wenn die Kinder schlafen. In unserer Gruppe haben wir jeden Monat ein Thema als Inspiration für das Malen. Im Februar war das Valentin und die Liebe.“
Wie viele Mitglieder hat Ihre Gruppe?
„Mittlerweile sind es rund 41.000. Während eines Monats sind 6000 neue Menschen hinzugekommen. Ich persönlich habe schon etwa 500 Steine bemalt. Weil wir derzeit nicht über die Grenze dürfen, lege ich sie nur in Österreich aus. Vor der Corona- Zeit hat meine Nachbarin meine Steine beispielsweise nach Kroatien, Ungarn und Rumänien mitgenommen. Die Steine reisen wirklich rund um die Welt. Steine von unserer Gruppe sind sogar schon in Amerika gefunden worden. Und jemand hat einen Stein von uns sogar aus Mexiko gepostet.“
Kann es passieren, dass ein Stein nach einer längeren Wanderung wieder in die Heimat zurückkehrt?
„Ja, auch das ist schon passiert. Ein Stein einer Tschechin wurde in England gefunden, und einige Zeit später ist er wieder in Tschechien aufgetaucht.“