Ausstellung zeigt Stars der Industrie
Von der Stecknadel bis zur Lokomotive: Zwei Ausstellungen zeigen tschechoslowakische und tschechische Marken, deren Produkte die Tschechen und Slowaken seit bereits 100 Jahren begleiten.
Motorräder, Flugzeuge, Mikroskope mit dem Prädikat „Made in Czechoslovakia“ haben in der Vergangenheit die Welt erobert. In einer gleichnamigen Ausstellung zeigt das Nationale Technikmuseum in Prag nun einige dieser Perlen der heimischen Industrieproduktion. Hynek Stříteský hat die Schau mitorganisiert:
„Im tschechoslowakischen Industriekosmos gibt es einige Produkte, die besonders hervorstechen – es sind die Stars unserer Fließbänder. Auch in unserer Ausstellung werden sie mit Punktlichtern bestrahlt, wodurch ein interessanter visueller Effekt entsteht. So zeigen genauso die Schatten unter den Vitrinen die einzelnen Produkte.“Zu den berühmten Erzeugnissen der tschechoslowakischen Industrie gehören das Motorrad Jawa 250, die horizontale Kaplan-Turbine, der Doppeldecker Aero A 10. Natürlich sind auch sie in der Ausstellung vertreten, genauso wie 120 andere Erzeugnisse tschechoslowakischer Fabriken. Hynek Stříteský macht auf eine Gruppe von Exponaten aufmerksam:
„Zu sehen sind hier ein leichtes Maschinengewehr, zwei Schreibmaschinen und ein Küchenroboter. Da stellt sich natürlich die Frage, warum sie gemeinsam in einer Vitrine präsentiert werden. Sie wurden aber von einer Firma hergestellt, und zwar der Zbrojovka Brno.“Aber auch Erzeugnisse der Škoda-Werke oder des Flugzeugbauers Aero haben die Welt erobert, erzählt der Kurator der Schau Jiří Hulák:
„Es ist beachtenswert, wie viele bedeutende Produkte in der ersten Republik hergestellt wurden. Einige davon sollte Produkte ersetzen, die durch Zölle unerschwinglich waren, dabei vor allem Autos. Es ist bewundernswert, dass so viel produziert worden ist. Damals in den 1930er Jahren galten die Worte von Emil Kolben, dem Unternehmer im Bereich Elektrotechnik: von der Stecknadel bis zur Lokomotive.“
Der Kurator fügt hinzu, dass die Industrie hierzulande ohne eine gewisse Tradition aus Österreich-Ungarn nie auf ein so hohes Niveau gekommen wäre. Dies gelte vor allem für die Textilindustrie und die Zuckerproduktion.Schallplatten aus Loděnice
Die Ausstellung „Made in Czechoslovakia“ wird durch eine weitere Schau im Technikmuseum ergänzt. Bei „Prager Mustermessen“ stehen heutige Unternehmen der tschechischen Industrie im Vordergrund. Jedoch nur die, deren Tradition in die Zwischenkriegszeit zurückreicht. Lucie Střechová hat sie zusammengestellt:
„Der Name erinnert an Präsentationen erfolgreicher Firmen in der Ersten Republik. Diese fanden auf dem nahe gelegenen Messegelände und im Messepalast statt. Zudem ist der ganze Saal wie eine Messe mit einzelnen Ständen gestaltet. Wir wollten Firmen vorstellen, die die letzten turbulenten 100 Jahre überlebt haben. Ihre Produkte finden sich heute zum Teil schon in den Museumssammlungen. Und wir wollen auch die neusten Erzeugnisse dieser Unternehmen in unsere Bestände aufnehmen.“
In der Ausstellung präsentiert sich unter anderem die Firma GZ Media. Sie hat Sitz in Loděnice bei Prag und ist der weltweit größte Produzent von Schallplatten. Die Produktion startete vor nunmehr 60 Jahren.„In der Gegenwart erlebt die Firma einen Aufschwung. Zahlreiche renommierte Künstler lassen ihre Alben bei GZ Media pressen. Schallplatten sind nun mal wieder attraktiv.“
Der Hersteller von optischen Produkten Meopta mit Sitz in Přerov / Prerau kann auf eine mehr als 80 Jahre lange Geschichte zurückblicken.
„Die Firma konzentriert sich heutzutage auf Optik für Sportwaffen. Ihre Produkte werden beispielsweise im Biathlon genutzt. Zudem werden dort Ferngläser und Zielfernrohre hergestellt. Zu den bekannten Produkten aus der Vergangenheit gehören die Spiegelreflexkamera Flexaret und der Tageslichtprojektor Meotar.“
Die Glasproduktion ist in der Ausstellung durch die Firma Kavalierglass vertreten. Deren erste Glashütte in Sázava wurde schon in den 1830er Jahren erbaut. Die Kuratorin:
„Heutzutage spezialisiert sich die Firma auf Laborglas und Glas für den Haushalt. Gezeigt werden Repliken historischer Produkte, die nach dem Entwurf von Ladislav Sutnar hergestellt wurde.“
Der traditionelle tschechische Hersteller von Haushaltsgeräten Mora präsentiert im Museum eine Küche aus den 1950er Jahren. Nebenan bietet er den Blick in eine Küche der Gegenwart. Lucie Střechová lobt die Tradition des Herstellers:„An Mora ist phantastisch, dass die Firma seit 1825 ihren Sitz in den Eisenwerken in Hlubočky bei Olomouc hat. Den ersten Ofen brachte das Unternehmen bereits 1902 auf den Markt. Mora verfügt über eine wunderbare Sammlung eigener Produkte. Sie zeigt hier den ältesten Ofen aus ihrer Produktion sowie mehrere Geräte aus den 1950er Jahren.“
Aus der Nähe von Olmütz stammt der Pumpenhersteller Sigma Lutín, der bei der Ausstellungs-Messe seine lange Tradition präsentiert. Außerdem haben im Museum der Hersteller von Elektronenmikroskopen Tescan, der Fliesenproduzent Rako, der Flugzeugbauer Aero Vodochody sowie der traditionelle Hersteller von Blei- und Farbstiften Koh-i-noor Hardtmuth einen Stand.
Die Frau im Turm
So klingt eine der Uhren, die einst Firma L. Hainz hergestellt hat. Im Prager Technikmuseum werden mehrere Beispiele aus der Produktion von L. Hainz gezeigt. Heute spezialisiert sich die Firma auf die Herstellung und Reparaturen von Turmuhren. Sie kümmert sich seit 1865 auch um die astronomische Uhr im Altstädter Rathaus. Mariana Nesnídalová, geboren Hainzová, ist die Geschäftsführerin des Traditionsbetriebs:„Unsere Firma wurde 1836 von meinem Vorfahren Ludvík Hainz gegründet. Sie hat verschiedene Arten von Uhren hergestellt, der Höhepunkt des Portfolios sind aber unsere Turmuhren. Bei der Restitution Anfang der 1990er Jahre bekam unsere Familie nur die Ausstattung für die Herstellung von Turmuhren zurück, darum konzentrieren wir uns nun ausschließlich darauf. Unsere Turmuhren findet man in ganz Tschechien sowie im Ausland, denn die Firma lieferte ihre Produkte einst an Kunden in der ganzen k. u. k. Monarchie. Allein in Prag gibt es 80 Turmuhren von L. Hainz, sie befinden sich in Kirchtürmen, in Schulen, aber auch in Krankenhäusern.“
Mariana Nesnídalová ist ursprünglich Landschaftsarchitektin von Beruf. Wegen des Familienbetriebs, der in den 1990er Jahren wiederbelebt wurde, erlernte die Architektin noch den Uhrmacherberuf. Sie hat sich inzwischen daran gewöhnt, auf Kirchentürme zu klettern.„Für mich ist es einfach Arbeit, ich schaue mir die Turmuhr an, bewerte ihren technischen Zustand, schlage Möglichkeit für eine Reparatur vor und meine Kollegen führen sie dann durch. Wenn ich in den Turm komme und sehe, dass dort seit über 100 Jahren eine unserer Uhren ist, bin ich stolz auf die Arbeit meiner Vorfahren.“
Die Firma L. Hainz hatte ihren Sitz früher direkt gegenüber dem Altstädter Rathaus der Ecke der Straße Železná und des Altstädter Rings. Nach 1948 haben die Kommunisten alle Gewerbetreibende und Privatfirmen enteignet. Auch der Großvater von Mariana Nesnídalová verlor seinen Betrieb und die gesamte Ausstattung der Werkstatt.
„Er hatte eine sehr niedrige Rente. Da er Uhrmacher war, hat er im ganzen Dorf, wo er lebte, Uhren repariert.“
Der Opa habe noch erlebt, wie das Unternehmen in den 1990er Jahren erneuert worden sei, erzählt Mariana Nesnídalová und zeigt auf einige historische Fotografien im Museum.
Die Ausstellung „Prager Mustermessen“ ist bis 30. Juni 2019 im Nationalen Technikmuseum in Prag zu sehen. Die Ausstellung „Made in Czechoslovakia“ kann man noch bis 29. September 2019 bewundern. Das Museum ist täglich außer montags von 9 bis 18 Uhr geöffnet.