100 Jahre Rundfunkgeschichte: Ausstellung im Nationalmuseum für Technik

„100 Jahre sind erst  der Anfang. Der Tschechische Rundfunk 1923-2023“ Austellung im Prager Technikmuseum

Das Prager Technikmuseum hat gemeinsam mit dem Tschechischen Rundfunk eine große Ausstellung zusammengestellt, die die einhundertjährige Geschichte der Rundfunksendungen dokumentiert.

Martina Májíček Poliaková  (rechts) | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Geschichte der regelmäßigen Rundfunksendungen in Tschechien von 1923 bis in die Gegenwart beschreibt die Ausstellung „100 Jahre sind erst der Anfang. Der Tschechische Rundfunk 1923-2023“, die anlässlich des 100. Jubiläums in Prag eröffnet wurde. Anhand historischer Exponate wird die technische Entwicklung dokumentiert. Im Fokus stehen auch die verschiedenen Rundfunkgenres und das Programm der Radiosendungen. Martina Májíček Poliaková leitete das Team des Tschechischen Rundfunks, das sich an der Zusammenstellung der Ausstellung beteiligte. Über das Konzept der Schau merkte sie gegenüber Radio Prag International an:

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Als wir vor etwa anderthalb Jahr überlegten, wie wir die Geschichte des Tschechoslowakischen und des Tschechischen Rundfunks vorstellen möchten, fiel uns zuerst ein, sie nicht chronologisch, sondern thematisch zu beschreiben. Da wir uns aber im Technik-Museum befinden, entschieden wir uns dann doch für eine chronologische Darstellung. Dabei wollen wir nicht nur die entsprechende Sende-, Aufnahme- und Empfangstechnik aus der bestimmten Zeitepoche zeigen, sondern den Besuchern auch die Möglichkeit bieten, sich historische Rundfunksendungen anzuhören. Die Menschen können sich dank dessen eine Vorstellung darüber machen, was in welcher Zeitepoche gesendet worden ist.“

Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Die Exponate stammen der Expertin zufolge aus den Sammlungen des Technikmuseums. Der Tschechische Rundfunk stellte der Einrichtung im Verlauf des Jahres zudem 53 Gegenstände zur Verfügung, die Bestandteil der Museumssammlungen geworden sind. Thema der Ausstellung sei aber bei weitem nicht nur die Technik, erklärt Májíček Poliaková:

„Wir haben zudem eine Slight Show der Persönlichkeiten des Rundfunks zusammengestellt. Dabei suchten wir 100 Personen aus, die sich in den vergangenen 100 Jahren an den Sendungen beteiligt haben. Unter ihnen sind Techniker, Redakteure, Dramaturgen und weitere Mitarbeiter des Rundfunks.“

Wichtiger Bestandteil der Ausstellung sind die Tonduschen. Die Expertin zeigt, wie sie funktionieren:

„Zur Auswahl stehen hier sieben Rundfunkgenres: Kinderprogramme, klassische Musik, populäre Musik, Volksmusik sowie Sportreportagen und Live-Übertragungen. Was gerade zu hören war, stammt vom Autorennen ,1000 tschechoslowakische Meilen‘. Ansonsten sind auch Sendungen über Politik und Gesellschaft im Angebot: In diesem Fall kann man sich die Friedensbotschaft des Wissenschaftlers und Erfinders František Křižík an Albert Einstein anhören. Und Unterhaltung und Dramen dürfen auch nicht fehlen. Hier können die Besucher Jack Londons ,Wolfsblut‘ hören. Die Tonduschen bringen zwar Sendungen in Tschechisch, aber sie sind auch in Englisch beschrieben, sodass sich ausländische Besucher ebenso eine Vorstellung über das Programm machen können.“

Küche | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Sie habe sich mit ihren Kollegen auch Gedanken darüber gemacht, wo die Menschen am häufigsten Radio hören, sagt Martina Májíček Poliaková und macht auf die konkreten Beispiele in der Ausstellung aufmerksam:

„Bei welchen Tätigkeiten und in welchen Situationen hören die Menschen meistens Radio? Natürlich im Auto. Hier kann sich der Besucher ins Auto setzen und Radio hören. Mit einer nachgestellten Küche zeigen wir, dass viele Menschen das Radio beim Kochen anschalten. Der Friseursalon steht hier für Berufe, bei denen man manuell arbeitet und dabei auch oft Radio hört. Viertens nutzen viele Menschen das Radio in ihrer Freizeit, beispielsweise beim Joggen. Darum wird gezeigt, wie die Rundfunk-App ,Mujrozhlas‘ funktioniert.“

Májíček Poliaková zufolge beteiligten sich an der Gestaltung der Ausstellung Mitarbeiter von verschiedenen Rundfunkabteilungen – von der Technik und Produktion über die Kommunikation bis hin zum Archiv.

Radioempfänger Titan Atlas | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Historische Sende-, Aufnahme- und Empfangstechniken dokumentieren die Entwicklung der Rundfunksendungen der letzten 100 Jahre. René Melkus vom Nationalen Technikmuseum ist Kurator der Ausstellung. Er macht auf besonders interessante Exponate aufmerksam:

„Beachtenswert ist einer der ältesten Radioempfänger namens Titan Atlas. Dies war das einzige tschechoslowakische Gerät, auf dem der Sender auf einer Landkarte Europas eingestellt werden konnte. Unten auf dem Empfänger ist eine Landkarte zu sehen, bei der Einstellung leuchtet immer jener Ort auf, an dem ein Sender stationiert war. Ähnliche Geräte wurden von der österreichischen Firma Ingelen produziert. Hierzulande gab es sie aber nur von der Firma Titan in Prag.“

Das Exponat stammt von 1935. Dem Kurator zufolge gehörte es nicht zur üblichen Ausstattung der Haushalte, da es ein Luxusradio war. Ein weiteres teures Exemplar sei gleich daneben zu sehen, merkt der Experte an:

René Melkus  (links) | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Dieser Empfänger hieß Big Ben Salon. Das war das teuerste tschechoslowakische Radio überhaupt. Es hat zwei Lautsprecher, und ein Lichtstrahl beleuchtet die Skala. Aus derselben Zeit stammen Radios, die im Tschechischen als ,kapličky‘ (auf Deutsch etwa ,Kapellchen‘) bezeichnet wurden. Diese stellte zuerst die Firma Philips her, die im Prager Stadtteil  Hloubětín ihren Sitz hatte. Von ihr guckten sich das weitere Hersteller ab, wie etwa Eta oder Radio Flos. Die kleine Firma Flosproduzierte Radios jedoch nur eine kurze Zeit lang. Sehr gute Radiogeräte wurden dann von Radio Iron in Brünn gebaut. Der Firmenname wurde vom Namen des Besitzers Vladimír Ondroušek abgeleitet. Wir zeigen hier Irons Produkt Radio Beta, es gab anschließend auch die Radios Penta und Penta Luxus. Diese wurde nach dem Kriegsende vom Staatsunternehmen Tesla weiter produziert.“

Radioempfänger Big Ben Salon | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Ein weiterer renommierter Radiohersteller war vor dem Krieg die Prager Firma Microphona. Im Museum wird das Radio MK 202 gezeigt. 1953 wurden in der verstaatlichten Fabrik Microphona dann die ersten tschechoslowakischen Fernsehgeräte montiert.

Einige Exponate dokumentieren das Verbot des Kurzwellenempfangs hierzulande während der NS-Besatzung. René Melkus dazu:

Kurzwellenempfang verboten | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Nachdem es 1942 zum Attentat auf Reinhard Heydrich kam, wurde der Kurzwellenempfang verboten. 1943 mussten die Kurzwellenteile aus den Radios entfernt werden. Die Menschen waren jedoch erfinderisch und wussten sich Rat, um vor allem die Sendungen aus London hören zu können. Dazu diente eine ganz einfache Einrichtung, die schnell dem Empfänger angeschlossen  und bei Bedarf wieder entfernt werden konnte. Wir zeigen hier zudem auch ein Radio, das in einem Konzentrationslager montiert wurde. Die Gefangenen riskierten ihr Leben, um Radio empfangen zu können.“

Während des Kriegs wurden Melkus zufolge zwei bis drei Jahre lang keine Geräte auf tschechischem Gebiet produziert. Die Nachfrage nach Radios war aus diesem Grund nach dem Kriegsende sehr groß.

Drahtfunkempfänger "Elefantenohr" | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

„Tesla Prag, Pardubice, Přelouč, Bratislava, Strašnice – alle diese Fabriken lieferten gleich in den ersten Jahren nach dem Krieg große Mengen von Radioempfängern. Zudem wurde damals der Drahtfunk viel gehört. Hier zeigen wir einen Drahtfunkempfänger, der ,sloní ucho‘, also ,Elefantenohr‘ genannt wurde. Das spezielle Design stammt vom Bildhauer Ambrož Špetík.“

Im Museum wird die Reihe von Rundfunkempfängern mit den ersten Transistor-Radios fortgesetzt. René Melkus:

„Das erste tschechoslowakische Transistor-Radio bedeutete einen großen Erfolg auf dem internationalen Markt. Es wurde beispielsweise nach Großbritannien exportiert und dort unter dem Namen Comet Commodore verkauft. Bei den Briten war es sehr populär. Die Tschechoslowakei war damals das vierte Land auf der Welt, das Transistor-Radios herzustellen begann.“

Autoradio für das Militär | Foto: Martina Schneibergová,  Radio Prague International

Der Kurator macht des Weiteren auf ein verhältnismäßig großes Gerät in Khaki-Farbe aufmerksam – ein Autoradio, erklärt er:

„Das war ein Autoradio für das Militär. Es sollte nach China exportiert werden. China lehnte die Geräte schließlich ab, weil sie in den dortigen klimatischen Bedingungen einen schlechten Empfang hatten. Darum wurden die Radios dann hierzulande verkauft.“

Im Museum werden zudem verschiedene Aufnahmegeräte gezeigt, die die Mitarbeiter des Rundfunks früher benutzten. Aus dem Tschechischen Rundfunk stammt der Großteil der historischen Technik, die in der Ausstellung zu sehen ist.

Die Ausstellung mit dem Titel „100 Jahre sind erst  der Anfang. Der Tschechische Rundfunk 1923-2023“ ist im Prager Technikmuseum bis 31. Dezember dieses Jahres zu sehen. Die Ausstellung ist zweisprachig (tschechisch und englisch). Das Museum ist von Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

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