Austausch im Fokus: Ballettdirektoren aus ganz Europa beraten in Brünn
Das Nationaltheater Brno war am Wochenende Gastgeber einer Konferenz, bei der führende Persönlichkeiten aus europäischen Theatern zusammenkamen. Vor allem waren Chefs unterschiedlicher Ballettensembles unter den Gästen.
Es war ein wichtiges Ereignis, nicht nur für das Brünner Nationaltheater. Gemeinsam mit der Organisation Opera Europa war das Theater Gastgeber eines internationalen Symposiums mit dem Titel „Opera Europa’s Dance forum & Positioning Ballet“. Im Janáček-Theater fand zuvor am Freitagabend eine Ballettpremiere statt. Die Vorstellung mit dem Titel Bdění (Sleepless) bestand aus drei Stücken von renommierten Choreografen der Gegenwart. Der Brünner Ballettdirektor Mário Radačovský wandte sich vor dem Beginn kurz an das Publikum:
„Eine jede Premiere ist ganz speziell, die jetzige aber aus einem besonderen Grund. In Brno treffen 57 Vertreter von europäischen Balletttheatern zusammen. Drei Tage lang werden sie hier miteinander in Kontakt treten und sich auch unsere Vorstellungen anschauen.“
Mit einem großen Beifall wurden die Stücke von Radu Poklitaru, Jiří Kylián und Nacho Duato belohnt. Zwei der Künstler – Kylián und Poklitaru – waren persönlich im Theater dabei. Im Publikum saßen unter anderem Ballettdirektoren aus Tschechien sowie aus dem Ausland. Die Konferenz begann zwar offiziell erst am Samstag, die Tanzexperten tauschten sich jedoch schon nach der Premiere im Foyer des Theaters aus. Lukáš Slavický leitet derzeit das Ballettensemble in České Budějovice. Zuvor war er 17 Jahre lang Solotänzer in der Bayerischen Staatsoper. Zur Konferenz in Brünn merkte er an:
„Das Thema der Zusammenkunft ist, wie sich das Ballett in großen Häusern positioniert, an denen es Opern-, Ballett- und Schauspielensembles gibt. Wir beraten darüber, wie man die Stellung des Balletts stärken kann. Ich bin davon überzeugt, dass es dafür Möglichkeiten gibt. Die sind aber nicht überall gleich: In manchen Häusern ist es leicht, anderswo ist es vielleicht ein wenig schwieriger. Ich denke, es kommt vor allem auf die Kommunikation an, darauf, dass man als Ballettchef eine gemeinsame Sprache mit dem Intendanten des Theaters findet. Dann kann man bestimmte Sachen durchsetzen.“
Unter den Teilnehmern war auch Klaus Kieser. Er ist Dramaturg, Manager und stellvertretender Direktor des Saarländischen Staatsballetts. Über das Brünner Treffen sagte er:
„Ich würde sagen, es geht in erster Linie um den Austausch über gleiche Probleme, ähnliche Bedingungen, über die wir uns unterhalten müssen, und auch um die Zusammenarbeit. Vor allen Dingen wollen wir uns zusammenschließen und austauschen. Wir haben in Deutschland die BBTK (Bundesdeutsche Ballett- und Tanztheaterdirektoren-Konferenz, Anm. d. Red.). Ich denke, dass sie eine Art Modell für Europa ist. Und das soll hier auf den Weg gebracht werden. Die Ballettdirektoren tauschen sich auch unabhängig davon aus, aber auf einer informellen Ebene. Ich denke, das sollte institutionalisiert werden. Man sollte sich regelmäßiger austauschen und verständigen.“
Klaus Kieser war bei der Ballettpremiere mit dabei. Welche der drei Choreografien hat ihn am tiefsten beeindruckt?
„Das Stück von Jiří Kylián. Ich liebe seine Arbeiten. Als ich ihn 1983 zum ersten Mal gesehen habe, war das für mich wie eine Entdeckung. Ich habe versucht, so viel wie möglich von ihm zu sehen. Vielleicht habe ich 60 bis 70 Prozent seines Werks gesehen. Dieses Stück kannte ich aber noch nicht. Ich bin sehr froh, es nun erlebt zu haben. Jiří Kylián ist ein wunderbarer Mensch. Er bedeutet mir und meinen künstlerischen Erfahrungen, meinem Leben im Ballett sehr viel.“
Ingrid Lorentzen ist künstlerische Leiterin des Nationalballetts in Oslo. Sie hält es für wichtig, dass die Vertreter der Ballettensembles nun zusammengekommen sind. Lorentzen merkte gegenüber Radio Prag International an:
„Wir sind zuvor nie auf diese Weise zusammengetroffen. Unser Ballettensemble in Oslo ist in einer guten Position. Seit der Eröffnung des neuen Operngebäudes 2008 sind die Oper und das Ballett gleichwertig. Das Ballettensemble begann seitdem wirklich aufzublühen. Es ist ein Abenteuer, mit dem Ensemble zu arbeiten. Oslo ist zwar keine große Stadt, aber wir haben ein fast genauso begeistertes Publikum wie hier in Brünn. Ich war hier davon stark beeindruckt.“
Ingrid Lorentzen war zum ersten Mal in Brünn zu Besuch, sie kannte jedoch bereits Prag. Den renommiertesten tschechischen Choreografen Jiří Kylián bezeichnet sie als ihr großes Vorbild und ihren Mentor. Und die Ballettdirektorin würdigte die Brünner Vorstellung:
„Ich kann Mário (Radačovský, Anm. d. Red.) nur gratulieren – zu dem fantastischen Programm, das er zusammengestellt hat, sowie zu den hervorragenden Tänzern. Mir gefällt ihr Verständnis für die Bewegung. Mário ist es gelungen, in Brünn ein glänzendes Tanzensemble zu schaffen.“
Unter dem Titel „Dance Brno 2023“ begann am Sonntag in Brünn ein Festival des modernen Tanzes, bei dem sich Ensembles aus Tschechien und der Slowakei vorstellen. Das Festival dauert noch bis zum 12. November.