Mário Radačovský: Choreograf auf Suche nach eigenem Stil
Es ist schon zur Tradition geworden, dass die Ensembles des Nationaltheaters Prag und des Slowakischen Nationaltheaters in Bratislava wenigstens einmal während der Theatersaison zu einem Gastspiel zu dem Nachbarn kommen. Am Sonntag stellte sich in Prag das Ballettensemble des Slowakischen Nationaltheaters vor, und zwar mit einer Vorstellung, die in Bratislava noch nicht zu sehen war.
Die Prager Ballettfans haben die Premiere der Ballettvorstellung „Bolero und mehr“ im Ständetheater mit Beifall belohnt. Nach einer der Choreografien vom Chef des Ballettensembles, Mário Radačovský, gab es sogar Bravorufe. Der aus choreografischen Miniaturen zusammengestellte Tanzabend deutet dem Ballettchef zufolge eine neue Richtung an, die er mit dem Ensemble gehen möchte.
Radačovský, ist in Prag kein Unbekannter, er gastierte hier oft in Prokofjews Ballett Romeo und Julia. Der Tänzer ist aber auch weit über die Grenzen Tschechiens und der Slowakei hinaus bekannt. Sieben Jahre lang wirkte er im Nederlands Dans Theater beim berühmten tschechischen Choreografen Jiří Kylián. 1999 war er der erste Solist des Großen Kanadischen Balletts in Montreal. Seit einem Jahr leitet Radačovský nun das Ballettensemble des Slowakischen Nationaltheaters.
„Wir bemühen uns, das Repertoire auch um modernere Vorstellungen zu erweitern. Ich glaube, dass uns einiges inzwischen gelungen ist. Mein Vorgänger im Amt hatte sich auf das klassische Repertoire spezialisiert. Ich halte die Vielfalt für besonders wichtig. Die Klassik bleibt natürlich die Grundlage, ich liebe die Klassik, damit bin ich aufgewachsen. Klassische Ballettvorstellungen werden auch weiterhin im Spielplan überwiegen, aber ich würde gerne erreichen, dass etwa 30 bis 40 Prozent unseres Repertoires moderne Choreografien ausmachen. Wir haben beispielsweise das Ballett ´Warhol´ aufgeführt, das sich an das junge Publikum gewandt hat. Wie Choreograf Jiří Kylián sagt: Was wir im Moment machen, wird sofort schon zur Vergangenheit. Ich hoffe, dass wir eine gute und neue Grundlage für das Ensemble schaffen.“Bei drei der in Prag aufgeführten Tanzkompositionen hatte Mário Radačovský Regie und stellte die Choreografie zusammen. In einem der Stücke tanzte er selbst. Seine Kompositionen verraten den Einfluss von Jiří Kylián.
„Die Arbeit in den Niederlanden stellt zweifelsohne den Höhepunkt meiner Tanzkarriere dar, wenn man es eine Karriere nennen will. Ich liebe sehr die Ästhetik und Musikalität von Jiří Kylián. Natürlich bin ich durch seinen Stil und seine Tanzauffassung stark beeinflusst. Ich bemühe mich aber - wie jeder Künstler - mein eigenes choreografisches Vokabular zu finden, und jetzt bin ich eben auf der Suche. Bei der Vorbereitung einer Choreografie, beim Entwurf der Ideen für eine neue Komposition ist das Publikum von Bedeutung. Was wir kreieren, muss Kopf und Fuß und vor allem Sinn haben, deswegen machen wir das.“
Auf „Bolero und mehr“ mit einigen von Radačovskýs Choreografien können sich am Silvestertag im Übrigen die Ballettfans in Bratislava freuen.