Autos raus aus der Stadt? Stephan von Pohl vom World Carfree Network

Wer hat Vorrang in der Stadt? Mancherorts ist die urbane Architektur stark von Autos geprägt, anderswo dominieren öffentliche Verkehrsmittel oder Fahrräder. Interessensgruppen, die sich gerade für Letzteres einsetzen, gibt es auf der ganzen Welt. Eine davon hat ihren Sitz in Prag, was aber nicht bedeutet, dass sie ihre Tätigkeit nur auf die tschechische Hauptstadt konzentriert: "World Carfree Network" heißt sie. Für die Sendung "Heute am Mikrophon" hat Gerald Schubert mit Stephan von Pohl, einem ihrer Mitarbeiter gesprochen:

Du bist Amerikaner deutscher Herkunft, lebst aber seit zweieinhalb Jahren hier in Prag. Kannst du zunächst kurz erzählen, was du hier in Prag genau machst?

"Ich habe hier im Augenblick zwei Jobs. Erstens arbeite ich für eine Übersetzungsagentur, was ich aber eigentlich nur mache, um Geld zu verdienen. Und das andere, was mir viel mehr am Herzen liegt und was ich viel lieber mache: Ich arbeite für eine Umweltorganisation, eine internationale Gruppe mit Sitz in Prag. Sie nennt sich World Carfree Network, ist wie gesagt international und arbeitet hauptsächlich mit der englischen Sprache. Daher auch der englische Name."

Kannst du die Struktur dieser Organisation beschreiben? Wieso habt ihr denn euren Sitz in Prag, und aus welchen Leuten setzt sich das Team zusammen?

Carbusters-Logo
"Den eigentlichen Grund, warum wir in Prag sind, kenne ich selbst nicht genau. Das ist eher Zufall. Ursprünglich hatte die Gruppe den Namen Carbusters und wurde in Lyon in Frankreich gegründet. Nach einigen Jahren ist dann einer von den Leuten, die die Gruppe gegründet haben, nach Prag gekommen. Hier hat sich das dann weiterentwickelt. Zuerst gab es die Zeitschrift "Carbusters" und auch die Website,www.carbusters.org. Letztes Jahr haben wir eine Konferenz veranstaltet, mit Leuten, die an autofreien Städten interessiert sind. Und da haben wir uns für einen Namenswechsel entschieden. Jetzt heißt die Dachorganisation World Carfree Network, und Carbusters bleibt ein Projekt davon, mit einer Zeitschrift, die viermal pro Jahr erscheint: Das Carbusters-Magazine."

Apropos World Carfree, also autofreie Welt: Ich glaube, ihr werdet nicht wirklich optimistisch sein, von heute auf morgen eine autofreie Welt gestalten zu können. Wie sehen aber eure konkreten Projekte aus?

"Wir glauben ebenfalls nicht, dass wir von heute auf morgen eine autofreie Welt bauen können. Aber als autofreie Gruppe arbeiten wir mit Leuten in der ganzen Welt zusammen - hauptsächlich in Europa und Nordamerika - die daran interessiert sind, konkrete Alternativen im Bereich der Stadtplanung vorzustellen. Heutzutage werden in der Stadtplanung, bei der Regelung des Verkehrs und im Stadtleben überhaupt meist Autos bevorzugt. Da werden Menschen, Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel oft verdrängt. Es gibt aber genügend andere Beispiele, wie etwa die Gestaltung von Fußgängerzonen in den Altstädten, die zuvor dem Auto übergeben waren. Also ist es doch nicht nur ein Traum, dass man zumindest autofreie Gegenden errichten kann, wenn schon nicht die ganze Welt autofrei wird."

Außer der Zeitschrift und den Internetseiten, von denen du gesprochen hast: Welche konkreten Schritte zur Durchsetzung eurer Interessen und Pläne gibt es sonst noch?

"Da wir eher international aktiv sind, organisieren wir keine Demonstrationen - das überlassen wir lieber Bürgerinitiativen auf lokaler Ebene. Aber wir organisieren jedes Jahr eine Konferenz mit dem Namen Towards Carfree Cities. Letztes Jahr hat sie in Prag stattgefunden, dieses Jahr findet sie in Berlin statt, und zwar von 19. bis 24. Juli. Zu diesen Konferenzen laden wir viele verschiedene Leute aus der ganzen Welt ein: Aktivisten, Professoren, Stadtplaner, Politiker, also Leute, die in irgendeiner Weise an der Gestaltung autofreier Städte interessiert sind."

Kommen wir zurück zur tschechischen Hauptstadt Prag: Kannst du aus deiner Perspektive beschreiben, wie du die Verkehrssituation in Prag beurteilst?

Autos in Prag
"Also mit einem Wort: Schlimm. Ich komme aus Kalifornien und habe dort 20 Jahre lang gewohnt. Kalifornien ist ja weltberühmt als Zentrum der Autokultur. Und dennoch fand ich es einfacher, in San Francisco aber auch in anderen Städten mit dem Fahrrad durch die Stadt zu fahren, als hier in Prag. Wenn ich hier jemandem sage, dass ich gerne mit dem Fahrrad fahre, dann kuckt man mich an, als wäre ich ein Verrückter. Denn in Prag ist es eigentlich gefährlich, mit dem Fahrrad zu fahren. Es gibt sehr viele Autos, enge und nicht gut gepflasterte Straßen. Also die Situation ist hier für Radfahrer nicht so gut wie etwa in den USA oder in Deutschland. Ich finde, in Prag benehmen sich die Autofahrer so, als gehörten die Straßen ihnen, und nehmen gegenüber Radfahrern oder auch Fußgängern oft nicht genug Rücksicht."

Du hast den Vergleich mit Kalifornien und auch mit Deutschland angesprochen. Hast du aber auch die Möglichkeit, einen Vergleich mit anderen Ländern Ostmitteleuropas zu ziehen? Denn vielleicht spielen hier auch die Umwälzungen in einer Transformationsgesellschaft eine Rolle. Früher hat man jahrelang oder jahrzehntelang auf ein Auto gewartet, heute ist man vielleicht froh darüber, sich einfach eines leisten zu können. Vielleicht repräsentiert das Auto also für viele Leute ein Stück der persönlichen Freiheit?

"Ich glaube, ja. Aber ich glaube auch, dass sich diese Einstellung doch langsam ändert. Einerseits gibt es noch immer Leute, die behaupten, das Auto ist ein Symbol der Freiheit. Dafür, dass man im Ostblock lange Jahre kein Auto haben konnte. Jetzt kann man es haben, und diese Freiheit will man dann auch genießen. Das kann ich eigentlich gut verstehen. Dennoch höre ich, und ich lese auch in den tschechischen Zeitungen oft darüber, dass man sagt: diese Freiheit geht jetzt zu weit. Autos sind in Prag ein Problem, und die Prager erkennen das auch. Es gibt jetzt schon Vorschläge, die Einfahrt in die Prager Innenstadt irgendwie zu begrenzen, oder von Anwohnern hohe Gebühren zu verlangen, wenn sie ein zweites Auto besitzen wollen. Also ich glaube doch, dass hier ein Umschwung beginnt. Dass die Leute erkennen: ein Auto bedeutet zwar eine gewisse Freiheit, limitiert aber auch die Freiheit von anderen Menschen."


Links:

www.worldcarfree.net (Dachorganisation)

www.carbusters.org